piwik no script img

Korrupte Staatsdienerin gesteht

Eine frühere Angestellte des Bürgeramts Mitte und Mitangeklagte müssen sich vor dem Landgericht verantworten. Sie sollen 13 Vietnamesen unberechtigt Aufenthaltsgenehmigungen verkauft haben

VON MARINA MAI

Ja, die Vordrucke für Aufenthaltserlaubnisse habe sie entwendet, räumt Simone S. vor dem Landgericht unter Tränen ein. Und die hat die Mitarbeiterin im Bürgeramt Mitte eigenmächtig in die Pässe von Vietnamesen geklebt, das Dienstsiegel draufgedrückt und für 1.000 Euro verkauft. Die Pässe hat ihr Pham T., eine vietnamesische Polizeidolmetscherin, gegeben. Auch T. sitzt seit Dienstag mit auf der Anklagebank. Im Bürgeramt hatte es zu den Aufgaben von Simone S. gehört, Ausländern, die einen neuen Pass erhalten hatten, die Aufenthaltserlaubnis aus dem alten Pass zu überschreiben.

Die 42-jährige Simone S., die Dolmetscherin Pham T., deren Ehemann sowie ein Mitarbeiter der Ausländerbehörde im brandenburgischen Eberswalde sind des gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern angeklagt. 13 Fälle verlas die Staatsanwaltschaft gestern zur Eröffnung des auf acht Verhandlungstage angesetzten Strafprozesses. Simone S. räumt ohne Not „25 bis 30 Fälle“ ein. „Buch habe ich nicht geführt“, sagt sie.

Als Motiv für ihre Schummelei gibt die junge Frau mit den Rastalocken finanzielle Schwierigkeiten an. Ihr arbeitsloser ehemaliger Lebensgefährte habe die allein erziehende Mutter mit Schulden zurückgelassen.

Pham T. kannte sie aus ihrer Amtsstube. Die hatte viele Vietnamesen ins Bürgeramt begleitet. Die beiden Frauen mochten sich, und irgendwann habe die 57-jährige Pham T. Simone S. mitsamt Familie zum Restaurantessen eingeladen. Während des zweiten oder dritten gemeinsamen Restaurantbesuches habe die Polizeidolmetscherin von Landsleuten gesprochen, die nicht so einfach nach Deutschland kommen und ihren Aufenthalt legalisieren konnten. Zuerst war es eine Andeutung durch die Blume. Doch schnell wurde es konkret. „Ich brauchte Geld und wir haben uns auf 1.000 Euro pro Aufenthaltserlaubnis geeinigt“, räumt die ehemalige Sachbearbeiterin ein. Der Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Pham T. und ihr Ehemann das eigentliche Geschäft selbst gemacht haben. Der Anklageschrift zufolge sollen sie die Pässe mit den Aufenthaltserlaubnissen für 7.000 bis 10.000 Euro weiterverkauft haben.

Wie die Vietnamesen nach Berlin kamen, denen Simone S. die Papiere legalisiert hatte, wusste sie nicht. „Das wollte ich auch nicht wissen. Mir war ja klar, dass es nicht in Ordnung war, was ich tat.“ Das vietnamesische Ehepaar hat es offen gelassen, ob sie ebenfalls ein Geständnis ablegen werden. Am Donnerstag wird der Prozess fortgesetzt.

Nach Recherchen der taz galt es unter Vietnamesen als offenes Geheimnis, dass die Polizeidolmetscherin Aufenthaltserlaubnisse am Gesetz vorbei besorgen konnte. Sie hätte es nicht nötig gehabt, im Verborgenen zu arbeiten. „Ihre Adresse im Bezirk Mitte war bekannt“, sagt ein Dolmetscherkollege, der seinen Namen nicht nennen will. Sie soll auch Ehepartner vermittelt und versprochen haben, sich um ein Nachzugsrecht für in Vietnam zurückgelassene Kinder zu kümmern, so der Kollege weiter.

Gemeinsam mit Chinesen sind Vietnamesen die mit Abstand größte Gruppe von Migranten, die versuchen, illegal nach Berlin zu kommen. Politisch verfolgt sind die wenigsten von ihnen. An vielen ist der Wirtschaftsboom in Fernost vorbeigegangen, sie träumen davon, in Europa das Geld von der Straße aufzufegen. Zu dieser Legende trägt bei, dass viele Migranten aus Vietnam und China ihren Familien sehr viel Geld schicken und ihnen verschweigen, unter welch schwierigen Bedingungen sie es verdienen.

Im Falle einer Verurteilung müssen die Angeklagten für ein bis 10 Jahre ins Gefängnis. Das Geständnis von Simone S. wird sich erheblich strafmildernd auswirken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen