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KOMMENTAR VON BERND PICKERT ÜBER DIE US-KONGRESSWAHLENDemokraten ohne Rückgrat braucht kein Mensch

Diese Zwischenwahlen sind für US-Präsident Barack Obama, was die Wahlen 2006 für George W. Bush waren: ein Desaster. Die Republikaner haben im Wahlkampf das Gleiche gemacht wie die Demokraten 2006: Sie haben jede einzelne Wahl zu einem Referendum über den amtierenden Präsidenten erklärt, und das mit vollem Erfolg.

Wenn demokratische Kandidaten landauf, landab nichts mit dem Präsidenten zu tun haben wollten, dann zeigt das vor allem eins: Die Demokraten haben keine politische Agenda, für die sie sich zu streiten trauen. Sie verprellen durch Nichtstun ihre eigene Basis. Und: Sie lenken nicht die öffentliche Meinung in eine progressive Richtung, sondern ducken sich vor der öffentlichen Zurückweisung nach rechts. Solche Demokraten braucht kein Mensch.

Die Republikaner haben sich mit diesen Wahlen eine hervorragende Ausgangsbasis für die Präsidentschaftswahl 2016 geschaffen. Bei aller Stärke der voraussichtlichen demokratischen Kandidatin Hillary Clinton bedarf es schon einer ziemlichen Flachpfeife aufseiten der Republikaner, um daraus kein Kapital zu schlagen. Wenn die republikanische Führungsspitze es vermag, nunmehr das Weiße Haus als obstruktive Kraft gegen einen tatkräftigen Kongress dastehen zu lassen, dann wird es für Clinton in zwei Jahren eine sehr schwere Aufgabe. In wichtigen Fragen wie der inzwischen unpopulären Gesundheitsreform etwa dürfte es ihr auch schwerfallen, nicht daran erinnert zu werden, dass sie noch im Vorwahlkampf 2008 viel weiter reichende Vorschläge vertrat als Obama: Verpflichtend und in Teilen steuerfinanziert sollte die Krankenversicherung sein. Das traut sich heute niemand mehr auch nur zu denken.

Die Republikaner haben Obamas Präsidentschaft unter dessen tätiger Mithilfe zerstört. Jetzt tragen sie im Kongress Verantwortung, und das schafft sanftmütigere Diskurse und größere Begehrlichkeiten: Anders als die Demokraten sind die Republikaner in der Lage zu einer skrupellosen Klientelpolitik und besser darin, sie trotzdem zu verkaufen.

Sechs Jahre nach „Hope & Change“ ist klar: Eine vernünftige Reformpolitik für das 21. Jahrhundert wird es in den USA bis auf Weiteres nicht geben. Und wahrscheinlich auch keine Präsidentin Hillary Clinton.

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