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Deutsch-französische Seilschaft

Auch obskurer Verkauf der Leuna-Raffinerie an französischen Ölkonzern Elf Aquitaine bringt Kohl und die CDU ins Zwielicht

Mein Freund Kohl möchte, dass Elf gleichzeitig mit den Minol-Tankstellen auch Leuna kauft“, sagte Frankreichs Staatspräsident François Mitterrand Anfang 1991 bei einem gemeinsamen Essen zum damaligen Chef des Mineralölkonzerns „Elf“. So jedenfalls erinnerte sich Jahre später der zwischenzeitlich abgesetzte und wegen Bestechung und Unterschlagung inhaftierte Öl-Chef, Loïk Le Floch-Prigent, an den präsidentialen Auftrag, der 1992 zum Zustandekommen der größten französischen Investition in Deutschland führte. Elf kaufte 1.043 zum Teil längst stillgelegte Tankstellen sowie eine Raffinerie in Leuna, die seit Jahrzehnten nicht mehr renoviert worden war, um dort die „modernste Raffinerie Europas“ zu bauen.

Während Helmut Kohl das damals auf 18 Millarden Franc (5,4 Milliarden Mark) geschätzte Bauvorhaben als „Kernstück der industriellen Entwicklung Ostdeutschlands“ pries, hegten seine Freunde in Paris keinen Zweifel daran, dass die Sache vor allem eine politische Entscheidung war. Die vom deutschen Staat zugesagten extrem hohen Subventionen von 2 Milliarden Mark für das Projekt rechtfertigte der Elf-Chef Le Floch-Prigent vor seinem Aufsichtsrat ausdrücklich mit „dem Gewicht wichtiger politischer Überlegungen, besonders im Zusammenhang mit Wahlen.“

Damit wies er in eine Richtung, die Insider im Elf-Jargon und in der Elf-Geschichte an „Parteinfinanzierung“ denken lassen musste. Diese Aufgabe hatte der Staatskonzern seit seiner Gründung durch den früheren Geheimdienstchef und De-Gaulle-Vertrauten Pierre Guilleaumat im Jahr 1964 stets auch wahrgenommen. Mit seinen „Kommissionen“ genannten Schmiergeldern finanzierte Elf nicht nur afrikanische Politiker, sondern „begoss“ auch französische Parteien. Denn ein Teil der „Kommissionen“ war dazu bestimmt, auf dem Umweg über das Ausland französische Parteien zu finanzieren. Die dem Finanzminsterium vorzulegenden Angaben über die Empfänger der Kommissionen sind Staatsgeheimnis. In den späten 80er-Jahren meldete Elf jährlich durchschnittlich 20 Millionen Franc Kommissionen beim Fiskus an. Im Jahr 1993 jedoch schnellte der Betrag für das Vorjahr – in dem der Minol-Leuna-Vertrag unterschrieben wurde – in die Schwindel erregende Höhe von 700 Millionen Franc. Der neu angetretene konservative Finanzminister Nicolas Sarkozy verweigerte seine Zustimmung.

Im selben Jahr trat Philippe Jaffré an die Spitze von Elf – erstmals einer, der es wagte, die Machenschaften seines Vorgängers infrage zu stellen. Jaffré versuchte, vom unrentablen Leuna-Minol-Kauf zurückzutreten. Kohl schrieb dem französischen Premierminister Edouard Balladur, er sei „ernsthaft besorgt“. Die Treuhand drohte mit einer milliardenschweren Vertragsstrafe. Jaffré konnte nur einige langfristige Vertragsbedingungen für die Raffinerie verbessern.

Beinahe gleichzeitig drang in Paris die Untersuchungsrichterin Eva Joly immer tiefer in die nicht-offiziellen Elf-Affären vor. 1994 stieß sie auf auf Ungereimtes im Minol-Leuna-Geschäft. Kurioserweise musste sie jedoch bis 1997 warten, bis ihr die Pariser Staatsanwaltschaft gestattete, über nicht deklarierte Geldflüsse in Richtung Deutschland zu ermitteln.

Im Oktober 1997 wurde bekannt, dass im Zusammenhang des Minol-Leuna-Geschäftes Elf-Kommissionen in Höhe von 256 Millionen Francs in zwei Portionen – à 36 und à 220 Millionen Franc – auf Liechtensteiner und Schweizer Konten überwiesen worden waren. Seither hat die französische Öffentlichkeit immer wieder, in Zeitungen wie Le Monde, in Wochenzeitungen wie Express und in einem Anfang 1998 erschienen 98-seitigen Heft des Canard Enchaîné, über das Elf-Imperium lesen können, wie und durch welche Mittelsmänner diese Franc-Millionen letztlich den Weg zur CDU fanden.

Die Diskussion darüber, ob das Geld komplett in Deutschland blieb oder teilweise nach Frankreich zurückfloss, und auch jene, welche Rolle es für die deutsch-französischen Beziehungen hatte, beginnt erst jetzt – drei Jahre nach Mitterrands Tod, über ein Jahr nach der Abwahl seines Freundes.

Dorothea Hahn, Paris

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