: Jetzt wieder Wurst
Gesundheitsministerin Andrea Fischer tritt zurück und räumt Fehler bei BSE-Krise ein. Auch der Landwirtschaftsminister geht, dabei hatte sein Ressort bis zuletzt diesen Schritt dementiert
BERLIN taz ■ Die BSE-Krise fordert immer mehr Opfer. Gestern erwischte es Andrea Fischer und Karl-Heinz Funke. Am frühen Abend trat zunächst die Bundesgesundheitsministerin von ihrem Amt zurück. Wenig später folgte der Landwirtschaftsminister. Während sich Fischer zu ihrem Schritt auf einer Pressekonferenz äußerte, wurde Funkes Rücktritt von einem Regierungssprecher bekannt gegeben.
Mit ihrer Entscheidung, so Fischer, wolle sie die Möglichkeit eröffnen, beim Verbraucherschutz einen Neuanfang einzuleiten. Sie habe erkennen müssen, dass das „Vertrauen der Bürger und Bürgerinnen in die Fähigkeit der Bundesregierung, BSE in ihrem Sinne zu lösen, erschüttert ist“. Fischer betonte, sie habe in der BSE-Krise Fehler gemacht. Zwar seien diese „für sich genommen“ nicht schwer genug, dass sie einen Rücktritt gerechtfertig hätten. Sie habe aber erkannt, dass die Ereignisse der vergangenen Wochen ihre Position so geschwächt haben, dass sie ihre politische Ziele nicht mehr erreichen könne. Deshalb sei sie „im Interesse der Sache“ zurückgetreten.
„Bizarr“ nannte Fischer, dass ausgerechnet ein grüner Politiker für den GAU in der industriellen Landwirtschaft zuerst Verantwortung übernehme. Dabei habe gerade ihre Partei in der Vergangenheit auf die Versäumnisse in der Landwirtschaft hingewiesen. „Viele haben diese Kritik jahrelang nicht wahrhaben wollen“, sagte Fischer, „und manche wollen es heute noch nicht.“
Die Grüne hatte am Nachmittag zunächst Außenminister Joschka Fischer und den grünen Parteichef Fritz Kuhn von ihrer Entscheidung informiert. Anschließend hatte sie bei Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ihren Rücktritt schriftlich eingereicht. Der Kanzler habe diesen Schritt mit „Bedauern“ zur Kenntnis genommen. Fischer wollte sich nicht dazu äußern, wer ihr ihrem Amt folgen wird. Auf die Frage, ob sie gestern Nachmittag mit der nordrhein-westfälischen Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne), die als Nachfolgerin im Gespräch ist, telefoniert habe, antwortete sei: „Ich habe nicht die Absicht, Auskünfte über Telefonate zu geben.“
Es ist der fünfte Minister-Rücktritt im ersten Kabinett Schröder und der erste eines Grünen-Politikers. Zuvor waren die SPD-Minister Oskar Lafontaine, Bodo Hombach, Franz Müntefering und zuletzt Reinhard Klimmt aus dem Amt geschieden
Nordrhein-Westfalens Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Bärbel Höhn wird nach dem Rückritt Fischers als aussichtsreichste Kandidatin für Fischers Nachfolge gehandelt.Die Opposition begrüßte die Rücktritte erwartungsgemäß.
SEVERIN WEILAND/JENS KÖNIG.
brennpunkt SEITE 3
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen