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Ein letztes Mal vom Tod hören

Urteil im Kampfhundeprozess: Dreieinhalb Jahre Haft für Ibrahim K., ein Jahr Jugendstrafe auf Bewährung für Silja W.  ■ Von Elke Spanner

Einmal hört Volkans Vater sich noch an, wie sein Sohn gestorben ist. Wie die Kampfhunde „Zeus“ und „Gipsy“ den 6-Jährigen am 26. Juni anfielen und solange zubissen, bis der Junge verblutet war. Er hoffe in dem Prozess gegen die HundebesitzerInnen Ibrahim K. und Silja W. zu erfahren, ob der schreckliche Tod seines Kindes hätte vermieden werden können, hatte der Vater dem Landgericht über seinen Anwalt mitgeteilt. Dafür kam er gestern zur Urteilsverkündung: Die Kammer verhängte eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren für Ibrahim K. und ein Jahr Jugendstrafe auf Bewährung für seine 19-jährige Freundin Silja W.

Der Vater ist enttäuscht. Er hatte auf eine höhere Strafe für die beiden gehofft, die so leichtfertig mit dem Leben anderer Menschen gespielt hatten. Der Staatsanwalt hatte in seinem Plädoyer zumindest Ibrahim K. der Körperverletzung mit Todesfolge für schuldig befunden und achteinhalb Jahre Gefängnis für ihn und über zwei Jahre für Silja W. verlangt, und auf langjährige Haft hatte Volkans Vater gehofft. Das Gericht aber stellte nur eine fahrlässige Tötung fest.

Die Angeklagten hätten gewusst, dass ihre Hunde auch für Menschen gefährlich geworden waren, doch sie hätten darauf vertraut, dass nichts passieren würde. Jedenfalls hätten sie nicht in Kauf genommen, dass ihre Hunde Menschen verletzen könnten. Das aber hätte ihnen nachgewiesen werden müssen, hätte das Gericht sie wegen des schärferen Deliktes verurteilt.

Ibrahim K. nimmt seine Verurteilung ebenso regungslos entgegen, wie er den gesamten Prozess über sich hatte ergehen lassen. Er könne „hier im Gerichtssaal“ seine Gefühle nicht zeigen, hatte er am letzten Verhandlungstag noch gesagt, nachdem ihm zuvor die Medien und dann auch die Ankläger vorgehalten hatten, dass gegenüber Volkans Eltern kein Wort des Bedauerns über seine Lippen gekommen war. Die warten auch nicht mehr darauf, sagte gestern der Anwalt der Eltern: „Es würde für sie nichts mehr ändern.“

In Wilhelmsburg, wo Volkan mit seiner Familie lebte, war die Stimmung nach dem gestrigen Urteil aufgeheizt. Erwartungsgemäß empfanden viele, die den Jungen kannten, die Strafe als zu gering. Ein Mann, dessen Sohn Augenzeuge der tödlichen Kampfhundeattacke geworden war, bezeichnete es als „unerträgliche Vorstellung für Volkans Eltern“, dass Ibrahim K. sich in wenigen Jahren wieder unbehelligt durch Wilhelmsburg bewegen könne. Zwei Jugendliche prophezeiten, dass man sich „an ihm rächen werde“. Silja W. ist mit ihrer Familie bereits aus Wilhelmsburg weggezogen – unter Polizeischutz. siehe auch S. 8

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