vergewaltigungsurteil: die bundeswehr kapiert das problem nicht: Die verweigerte Gleichberechtigung
Fünfeinhalb Jahre Haft für einen Exsoldaten, der eine Bundeswehrbewerberin vergewaltigt haben soll – das ist ein klares Verdikt. Ob der Fall tatsächlich so klar war, muss die Revision zeigen. Eines aber ist schon jetzt sicher: Die Bundeswehr hat sich gründlich bloßgestellt. Nicht nur, dass Vorgesetzte versucht haben, schon den Tatvorwurf zu vertuschen. Auch das Verteidigungsministerium schweigt – angesichts des ersten Urteils wegen Vergewaltigung in einer ihrer Kasernen. Da wäre es eigentlich höchste Zeit für ein deutliches Signal an jetzige und zukünftige Soldatinnen: Wir nehmen derartige Fälle ernst und werden alles dafür tun, dass sie nicht mehr vorkommen.
Das Militär ist eine Institution, die regelmäßig eine Horde junger Testosteronbomber für längere Zeit auf engstem Raum zusammensperrt. Nun tauchen plötzlich Objekte der Begierde, die bislang nur fantasieanregend als Nacktfoto im Spind existierten, in diesem Setting auf – und zwar sehr wenige, bei sehr vielen Soldaten. Nachts allein in der Kaserne mit der strengen Ermahnung „Sex ist tabu“ – das kann lustig sein, wie weiland auf Klassenfahrt. Aber die Gefahr, dass unter den Soldaten einige sind, die meinen, Frauen seien eben für Sex da und Männer könnten ihn sich nehmen, ist bei Licht besehen ziemlich groß. Geht die Bundeswehr damit um? Nein.
Vor einem halben Jahr hat das Verteidigungsministerium großmäulig verkündet, die Integration der Frauen in die Bundeswehr sei erfolgreich abgeschlossen. Tatsächlich haben Soldatinnen bis heute nicht einmal unabhängige Ansprechpartner in der Truppe. Warum hat die Bundeswehr keine Gleichstellungsbeauftragte wie jede andere Institution des Bundes? Die hätte in diesem Fall etwa die Vertuschung verhindern können. Oder die bereits jetzt zahlreichen Mobbingfälle behandelt. Oder die Beschwerden wegen sexueller Belästigung. Oder die ungelöste Frage der Kinderbetreuung. Nicht nötig, tönte das Verteidigungsministerium. Vom Gleichstellungsgesetz des Bundes hat sich die Bundeswehr aussparen lassen. Warum eigentlich? Der Bundesgrenzschutz etwa, ein durchaus vergleichbarer Arbeitsplatz, hat einige Sonderklauseln, aber grundsätzlich gilt das Gesetz für ihn. Das Verteidigungsministerium dagegen fand es keiner Mühe Wert, die Soldatinnen in dieses Gesetz einzubeziehen. Kurz: Soldatinnen, auf die die Truppe sich angeblich so akribisch vorbereitet hat, haben beim Bund kein Recht auf Gleichberechtigung.
Die Bundeswehr hat Soldatinnen als Sonderfälle von Männern eingestuft, die man nur richtig behandeln muss – dann geht’s schon. Das klingt modern, nach Gleichheit. Verschweigt aber, dass Frauen eben doch ganz anders gesehen werden. Und man dieser sozialen Realität Rechnung tragen muss. Ob die Truppe das noch vor der nächsten Vergewaltigung bemerkt? HEIDE OESTREICH
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