Arbeitskampf bei den Kita-Eigenbetrieben: Streik ist die einzige Alternative

Der Senat wird sich nicht freiwillig dazu durchringen, die Arbeitsbedingungen in den Kitas zu verbessern. Deshalb führt an Streiks kein Weg vorbei.

Kita-Streik in Berlin

Wenn dein starker Arm es will: Auftakt der Berliner Kita-Streikwoche vor dem Rathaus Charlottenburg Foto: IMAGO/Jürgen Heinrich

Fünf Tage wurden die Kita-Eigenbetriebe des Landes Berlin nun bestreikt. Die Bilanz des Arbeitskampfes ist auf den ersten Blick geht-so: Die Er­zie­he­r:in­nen zeigen sich weiter entschlossen, die Eltern sind frustriert, der Senat bleibt stur und verweigert sich nach wie vor allen Verhandlungen. Keine Bewegung, nirgends.

CDU-Finanzsenator Stefan Evers bezeichnet den Ausstand der Kita-Beschäftigten für eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen einen „Sinnlos-Streik“. Das Land, argumentiert er, könne mit der Gewerkschaft Verdi gar nicht über den geforderten separaten Entlastungstarifvertrag für die Kita-Eigenbetriebe verhandeln. Evers' Drohkulisse: Käme man der Forderung nach, flöge Berlin garantiert aus der Tarifgemeinschaft der Länder.

Doch Fragen nach der „Sinnhaftigkeit“ oder der formalen Legitimität des Streiks sind irreführend: Es handelt sich – wie immer – in erster Linie um einen ungleichen Machtkampf zwischen Politik und Beschäftigten. Nicht zuletzt in Zeiten groß angekündigter Sparmaßnahmen wird sich der Senat nie freiwillig dazu durchringen, die Arbeitsbedingungen spürbar zu verbessern.

Tatsache ist, dass der Abschluss eines Entlastungstarifvertrags und damit die Erzwingung kleinerer Kitagruppen den Personalbedarf in den kommunalen Kitas noch weiter erhöhen würde. CDU-Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch spricht von 2.500 Stellen. Um die zusätzlichen Fachkräfte zu gewinnen, müsste das Land viel Geld in die Hand nehmen, um das an anderen Stellen bereits erbittert gestritten wird. Sollte sich Verdi durchsetzen, würde das das Leben der schwarz-roten Haus­halts­hü­te­r:in­nen nicht eben einfacher machen.

Personalmangel, Überlastung, hohe Krankenstände

Doch die Er­zie­he­r:in­nen streiken ja nicht zum Spaß. Sie streiken auch nicht, um turnusmäßig Reallohnverluste auszugleichen. Sie streiken für ihre Gesundheit. Denn trotz aller Beschönigungen des Senats ist die Kitakrise real. Der Teufelskreis aus Personalmangel, Überlastung und hohen Krankenständen hat mittlerweile eine Dimension erreicht, die die Funktionsfähigkeit des gesamten Betreuungssystems infrage stellt und die Qualität frühkindlicher Bildung deutlich mindert.

Auch ohne Streik müssen Berliner Kitas immer öfter schließen oder ihre Öffnungszeiten einschränken. Eine enorme Belastung, auch für die Eltern, die notgedrungen immer wieder aufs Neue vor verschlossenen Türen stehen und ihren Alltag umdisponieren müssen.

Der von Verdi geforderte Entlastungstarifvertrag ist ein konstruktiver Vorschlag, der Kita-Krise wenigstens in den Eigenbetrieben langfristig entgegenzuwirken. Beschäftigte, die jetzt darüber nachdenken, den Beruf zu verlassen, hätten eine Bleibeperspektive – und die Branche würde attraktiver für junge Menschen. Möglich wäre eine Art Stufenplan, der über die Jahre stückweise mehr Entlastung bringt.

Vergleichbares hat der Senat nicht zu bieten. Dabei gäbe es auch so Möglichkeiten, die Arbeitsbedingungen zu verbessern: über ein verbesserten und nach den wissenschaftlichen Empfehlungen festgelegten Betreuungsschlüssel im Kindertagesförderungsgesetz oder in den Rahmenvereinbarungen mit den Trägern. Nichts konnte den Senat bislang dazu bewegen, diese Schritte umzusetzen. Weder Petitionen noch Brandbriefe oder Kampagnen.

Senat hofft, längeren Atem zu haben

Das Problem: Die Änderung eines Gesetzes durch einen politischen Streik zu erzwingen, ist in Deutschland illegal, und an den Verhandlungen zu den Rahmenverträgen sind die Gewerkschaften nicht beteiligt. So ist der Arbeitskampf die einzige verbleibende Alternative für die Erzieher:innen, wenn sie nicht die ständige Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen hinnehmen möchten. Der Senat weiß das, hofft aber, am Ende beim Kräftemessen mit den Gewerkschaften den längeren Atem zu haben.

Dass es lange dauern kann, bis Verdi & Co. an ihr Ziel kommen, haben die Kran­ken­pfle­ge­r:in­nen von Vivantes gezeigt. Sie bestreikten 2021 den landeseigenen Klinikkonzern über sieben Wochen lang. Auch damals hieß es, die Forderungen der Gewerkschaft seien nicht umsetzbar. Am Ende des Arbeitskampfes stand ein Entlastungstarifvertrag.

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