Arbeitskampf bei Hagenbecks Tierpark: „Führung nach Gutsherrenart“
Nach der Kündigung von neun MitarbeiterInnen will der neue Geschäftsführer nicht mit dem Betriebsrat verhandeln – und kündigt dem Betriebsratschef.
Konkret geht es um die Einführung von Kurzarbeit während der Schließung des Parks im Lockdown und die Auswirkungen auf die Beschäftigten. Darüber wollten ArbeitnehmervertreterInnen und die Geschäftsführung des Zoos eigentlich verhandeln und eine Betriebsvereinbarung schließen. Eskaliert sei die Situation überraschend kurz vor Weihnachten, sagt IG-Bau-Vize-Regionalleiter Dirk Johne.
Da die Arbeit des Gros der TierpflegerInnen auch in Coronazeiten unverzichtbar ist – bestenfalls fallen die publikumsträchtigen öffentlichen Fütterungen weg –, beträfe die Kurzarbeit vor allem MitarbeiterInnen des Empfangs, des Service, der Gastronomie und der Verwaltung. Insgesamt arbeiten 160 Menschen in dem Zoo.
Beim ersten Corona-Lockdown im Frühjahr hatte der Tierpark für alle Betroffenen das Kurzarbeitergeld der Bundesagentur für Arbeit auf 100 Prozent des bisherigen Gehalts aufgestockt. Doch inzwischen hat es einen Wechsel in der Geschäftsführung des Zoos gegeben – und der neue Chef Dirk Albrecht änderte den Umgangston.
Schon vor dem ersten Treffen am 21. Dezember sei neun MitarbeiterInnen gekündigt worden – „offenbar, um den Betriebsrat einzuschüchtern“, sagt Gewerkschafter Johne.
Beim letzten Treffen habe sich Albrecht geweigert, mit dem Betriebsrat zu verhandeln, wenn auch VertreterInnen der IG Bau mit am Tisch sitzen würden. Doch die BetriebsrätInnen hätten darauf beharrt, dass die Gewerkschaft bleibe – und die Geschäftsführung darauf hingewiesen, dass der Betriebsrat während der Betriebsratssitzung Inhaber des Hausrechts sei, sagt Johne.
Daraufhin habe Albrecht die Verhandlungen abgebrochen, die Verantwortung für das Scheitern jedoch nachträglich der Arbeitnehmerseite zugeschoben. „In einer Demokratie ist es selbstverständlich und gesetzlich klar geregelt, dass sich Betriebsrat und Gewerkschaft austauschen – auch wenn das Herrn Albrecht ein Dorn im Auge ist“, kritisiert Johne.
Darüber hinaus seien den Betriebsratsmitgliedern Informationen zur wirtschaftlichen Lage des Zoos und der gemeinnützigen GmbH vorenthalten worden, die aber die Grundlage für Verhandlungen zur Kurzarbeit seien.
Bei einem Rundgang im Zoo im Anschluss an die abgebrochenen Verhandlungen habe sich die Lage dann noch weiter zugespitzt – Geschäftsführer Albrecht rief sogar die Polizei.
Die GewerkschafterInnen und der Betriebsrat hatten eigentlich einen Rundgang durch 16 Gehege geplant, um die Belegschaft zu informieren. Albrecht habe ihnen dies untersagt und die Polizei informiert. Der Betriebsrat habe dann den Rundgang abgebrochen, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Die anwesenden Betriebsratsmitglieder hätten dafür Abmahnungen kassiert.
Geschäftsführer Albrecht macht auch gegenüber der taz seinen Standpunkt, nicht mit der Gewerkschaft verhandeln zu wollen, deutlich. Da nicht alle Beschäftigten Mitglied der IG BAU seien, sei es „unzulässig“, wenn die Gewerkschaft eine Vereinbarung für alle 160 Beschäftigten mitverhandeln wolle. „Die Vertretung ist ausschließlich Aufgabe des Betriebsrates“, sagt Albrecht. Die Gewerkschaft könne nur beratend tätig werden.
Da nicht nur Corona, sondern auch Schweinepest und Vogelgrippe die Tiere gefährdeten, gebe es strenge Seuchenauflagen, sodass betriebsfremden Personen der Zutritt zum Tierpark nur mit Genehmigung der Geschäftsführung gestattet sei. „Diese Vorgaben haben Betriebsrat und die Vertreter der Gewerkschaft missachtet“, sagt Albrecht. Er habe daher polizeiliche Hilfe in Anspruch genommen.
Inzwischen hat Albrecht auch den Betriebsratsvorsitzenden Thomas Günther beurlaubt und dessen Kündigung beantragt. Johne sieht darin einen weiteren Einschüchterungsversuch. Das Betriebsratsgremium habe mittlerweile allen Kündigungsanträgen widersprochen, sodass Albrecht wegen Günthers Kündigung nun beim Arbeitsgericht ein Amtsenthebungs- und Kündigungsersatzverfahren einleiten muss.
Gegenüber der taz sagte der Geschäftsführer: „Die arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen mit dem Vorsitzenden des Betriebsrates haben mit der Kurzarbeitvereinbarung nichts zu tun.“ Er wolle das Verfahren aus „rechtlichen Gründen“ aber nicht weiter kommentieren. Der Konflikt dauert also an.
Auch die geplante Betriebsvereinbarung landet nun vor der nächsthöheren Instanz. Johne kritisiert, dass ihnen durch den Abbruch der Verhandlungen keine andere Möglichkeit geblieben sei, als eine Einsetzung einer Einigungsstelle durch das Arbeitsgericht zu beantragen.
Es sei bedauerlich, dass sich durch dieses Procedere die Einführung von Kurzarbeit verzögere und durch die Einigungsstelle Kosten verursacht würden, sagt Johne. „Dieses Geld und die verbundene Arbeitszeit hätte sinnvoller in den Tierpark investiert werden können.“
Eigentlich war Geschäftsführer Albrecht von den zerstrittenen Familienteilen der Hagenbecks im April 2020 eingestellt worden, um den Tierpark zu befrieden. Jahrelang standen sich Patriarch Claus Hagenbeck sowie sein Widersacher und angeheirateter Neffe Joachim Weinlig-Hagenbeck unversöhnlich gegenüber.
In einem Brandbrief an eben diese beiden fordert die IG BAU nun, „dafür Sorge zu tragen, dass Herr Albrecht die Geschäfte des Tierparks so führt, wie es unserer rechtsstaatlichen Grundordnung gebührt“. Denn nicht nur Tiere, sondern auch Menschen müssten gut behandelt werden.
In der SPD-Fraktion der Bürgerschaft ist der Vorgang bekannt. Eine „Einflussnahme sei schwer“, sagt der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Jan Koltze. Sollte Hagenbeck aber auf die Idee kommen, staatliche Coronahilfen in Anspruch nehmen zu wollen, setze dies natürlich einen ordentlichen Umgang mit seinen Beschäftigten und der Mitbestimmung voraus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich