Arbeitsbedingungen bei der Zeit: Online ist streikbereit
Die Redakteure von „Zeit Online“ fordern höhere Löhne und stoßen auf heftigen Widerstand. Ihr Kampf könnte die Branche verändern.
Nach innen sieht das anders aus. Dort kämpfen die Onlineredakteure seit Monaten für bessere Bezahlung. Sie wollen so viel verdienen wie ihre Kollegen beim Blatt: „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“. Bisher verdienen die Onlineredakteure laut Betriebsrat im Schnitt rund 10.000 Euro im Jahr weniger als ihre Printkollegen. Doch die Verlagsspitze sperrt sich, das zu ändern.
Dass Onlinejournalisten schlechter bezahlt werden als ihre Printkollegen, ist in vielen Verlagen an der Tagesordnung. Lange Zeit haben die Onliner das hingenommen, auch weil es historisch so gewachsen war.
Einige Verlage haben ihre Onlineredaktionen ausgegliedert, als sie entstanden sind. Hinter Zeit Online stehen die Zeit Online GmbH und die Zeit Digital GmbH, beide hundertprozentige Töchter der Holtzbrinck Gruppe, zu der auch die Zeit gehört. Anders als der Zeit Verlag ist Zeit Online nicht tarifgebunden. So kommt es, dass von den rund 120 Zeit Online-Mitarbeitern rund die Hälfte unter Tarif verdient, schätzt ein Vertreter von Verdi. Und selbst die, die Tariflohn bekämen, seien weit entfernt von den Printgehältern.
Gleiche Arbeit, ungleicher Lohn
Diese Ungleichheit wird bald noch offensichtlicher werden: Die Berliner Zeit Online-Redaktion will in zwei Jahren mit der Print-Hauptstadtredaktion in ein gemeinsames Gebäude ziehen. Bisher sind deren Büros getrennt, auch wenn die Redaktionen immer mehr zusammenwachsen. Zeit Online-Redakteure schreiben zunehmend für das Blatt und anders herum.
Darauf ist Zeit-Geschäftsführer Rainer Esser stolz. Auf einer Betriebsversammlung Anfang Dezember in Hamburg sprach er über die „große Schnittmenge“ von Print und Online. Zwischen beiden Redaktionen dürfe es keine Qualitätsunterschiede geben, zitieren ihn Leute, die dabei waren. In Zukunft sollen Print- und Onlineredakteure in Berlin also Tür an Tür sitzen. Sie würden die gleiche Arbeit machen, mit dem gleichen Qualitätsanspruch, aber ungleich bezahlt werden.
In andern Häusern, vor allen in denen, in denen Print und Online nicht unter einem Dach sitzen, ist das längst die Regel. Deswegen geht der Tarifstreit von Zeit Online über die Berliner Redaktion hinaus. Erkämpft sich die Redaktion höhere Gehälter, könnte das auf die gesamte Onlinebranche ausstrahlen. Die Gewerkschaften und Betriebsräte anderer Redaktionen beobachten interessiert, was sich beim Hamburger Verlagshaus und seinem Berliner Onlineableger tut. Denn einen Flächentarifvertrag für ausgelagerte Onlineredakteure, wie im Falle Zeit Online, gibt es bisher nicht. Ein Erfolg der Zeit Online-Redaktion könnte den Druck erhöhen.
Drei Jahre verhandelt
Drei Jahre lang hat der Betriebsrat von Zeit Online versucht, Gehaltsverbesserungen zu erstreiten. Als das scheiterte, zog er die Gewerkschaften hinzu. Die führen nun in dritter Runde Verhandlungen mit der Verlagsgeschäftsführung und stoßen dabei auf großen Widerstand.
Gegenüber der taz sagte eine Sprecherin der Zeit Digital GmbH, dass das digitale Geschäftsmodell der Zeit ein anderes sei und mit Print nicht vergleichbar. Zeit Online sei noch nicht profitabel und könne daher, um wettbewerbsfähig zu bleiben, keine entsprechenden Verträge ausgeben. Man zahle aber „marktüblich“.
Dieses Argument bekommt die Belegschaft auch zu hören und es macht sie wütend. Jahr für Jahr bekämen sie die Erfolgsmeldungen des Mutterhauses mitgeteilt, sagt ein Mitglied des Betriebsrats. Auf ihren Gehaltszetteln käme davon aber nichts an.
Tatsächlich ist Zeit Online in den letzten Jahren stark gewachsen: um zwölf Prozent allein im Jahr 2014. Vor einem knappen Jahr feierte sich Zeit-Geschäftsführer Rainer Esser im Branchenmagazin Horizont dafür, dass Zeit Online den „Break-Even“ geschafft habe und keine Verluste mehr schreibe. Der gesamte Zeit Verlag steigerte seinen Umsatz im gleichen Jahr um acht Prozent auf 180 Millionen Euro. Auf einer Betriebsversammlung im Dezember in Hamburg sagte Esser noch, die Erlöse von Zeit und Zeit Online könnten nur noch gemeinsam betrachtet werden. Jetzt argumentiert er: Zeit Online sei nicht profitabel.
Ein Partyknaller
Deshalb werde es in der Berliner Onlineredaktion keine Hamburger Tarife geben, sagte er auf der Betriebsversammlung und schmetterte der Belegschaft entgegen, ihre Forderung „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ sei tumber Populismus wie „Arbeit nur für Deutsche“. Diesen Spruch hatten die Zeit Online Redakteure später ausgedruckt und an einen Silvesterknaller gebunden auf ihrem Schreibtisch: Esser, der Partyknaller.
Vor wenigen Tagen hat die Geschäftsführung den Zeit Online-Redakteuren nun einen zweiten Entwurf für neue Verträge vorgelegt. Laut Verdi bleibt der Entwurf weit hinter dem zurück, was sie ursprünglich gefordert haben: Kein Urlaubsgeld, kein volles 13. Monatsgehalt, der Bruttoverdienst soll dem der Printler nicht nahekommen und Bildredakteure würden massiv schlechtergestellt.
Der Frust der Onliner wächst. Mittlerweile sind drei Viertel der Belegschaft in die Gewerkschaft eingetreten. Sie seien streikbereit, sagt ein Mitglied des Betriebsrates. Am Donnerstagmittag setzte die Onlinebelegschaft ein erstes öffentliches Protestzeichen. Ihre Mittagspause verbrachten alle Mitarbeiter gemeinsam vor dem Redaktionsgebäude in Berlin-Kreuzberg, mit Tischkicker, Musik und geschmierten Brötchen. Zeit Online blieb für diese Zeit bis auf eine Redakteurin unbesetzt. Das könnte bald wieder passieren.
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