Anwohnerproteste in Niedersachsen: Streit um Unterkünfte für Rumänen
In Garrel hat ein großer Fleischproduzent rumänische Werksarbeiter fest angestellt. Anwohner befürchten nun Verhältnisse „wie in Neukölln“.
Allein 4.000 Schweine schlachtet das Unternehmen „Böseler Goldschmaus“ hier jeden Tag. 30.000 in der Woche, 1,7 Millionen im Jahr. Rund 1.400 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen, davon 600 Rumänen. Im letzten Jahr hat sich das Unternehmen zu einem bemerkenswerten Schritt entschlossen: Es stellte die rund 600 rumänischen MitarbeiterInnen, die zuvor branchenüblich bei einem Subunternehmer zu miesen Konditionen beschäftigt waren, fest ein.
Das bedeutet: Urlaubsanspruch, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Sozialversicherung. Ein Novum in der Branche, deren Arbeitsbedingungen berüchtigt sind. Als nächstes nahm sich das Unternehmen die Unterkünfte vor: Diese waren zuvor ebenfalls von dem Subunternehmer gestellt worden, der dafür auch noch ordentlich Miete kassierte. Schrottreife Buden im näheren Umkreis, jedenfalls kein Standard, den Böseler Goldschmaus für seine MitarbeiterInnen wollte.
Also beschloss man, neue Unterkünfte zu bauen und kaufte dafür vier Grundstücke im nahen Umfeld des Schlachthofes. „Wir wollen Wohnungen, die auch zukunftsfähig sind“, sagt Unternehmenssprecher Gerald Otto. Und: „Wir wollen den Mitarbeitern auch eine Zukunft bieten.“ Entstehen sollen nun kleine Apartments für rund 370 von ihnen, mit vernünftigem Standard, die an die MitarbeiterInnen vermietet werden. Für Goldschmaus hat das auch noch den Vorteil, dass die Mitarbeiter an Ort und Stelle wohnen und nicht mehr wie im Moment noch mit Bussen aus den umliegenden Gemeinden abgeholt werden müssen.
Blitzsaubere Straßen, klinisch reine Vorgärten
Dabei hatte das Unternehmen die Rechnung aber ohne die AnwohnerInnen gemacht: Sie machten mobil. Eine Anwohnerinitiative sammelte in nur drei Wochen 2.769 Unterschriften gegen die geplanten Wohnanlagen und übergab die Liste dem Garreler Bürgermeister. Die AnwohnerInnen befürchteten eine „kasernenartige“ Unterbringung und Verhältnisse „wie in Neukölln“ – das gaben sie jedenfalls in den örtlichen Medien wie der Nordwest-Zeitung zu Protokoll. So könne die Integration der rumänischen Arbeiter nicht gelingen.
Ja, es gebe Bedenken seitens der Einwohner, was die Anzahl der Unterkünfte anginge, sagt Unternehmenssprecher Otto vorsichtig. Das Oldenburger Münsterland hat mit über 80 Prozent die höchste Eigentumsquote in Deutschland, und auch Garrel mit seinen blitzsauberen Straßen, klinisch reinen Vorgärten und heruntergelassenen Jalousien ist vorrangig geprägt von Ein-und Zweifamilienhäusern, die auf großen Grundstücken stehen. Dass es hier durch den Bau von vier Wohnanlagen bald aussehen könnte „wie in Neukölln“, scheint eher abwegig.
Dass die teilweise seit Jahren hier arbeitenden Rumänen ordentliche Wohnungen haben, war den AnwohnerInnen in Garrel außerdem so lange egal, bis sie in direkter Nachbarschaft angesiedelt werden sollten. Ist es nun Fremdenfeindlichkeit, die hinter der Unterschriftenliste steht, oder geht es den AnwohnerInnen tatsächlich nur um Baurechtsfragen? Das Image der Stadt, sofern es eines hatte, hat seit der Unterschriftenliste jedenfalls gelitten. Dabei hätte es auch ganz anders ausgehen können, denn die Geschichte, die dahinter steht, ist eigentlich Gold wert für die Region und für eine ganze Branche, die wegen ihrer Beschäftigungsverhältnisse seit Jahren massiv in der Kritik steht.
Die Garreler selbst sagen jedenfalls gar nichts mehr, seit lokale und überregionale Medien über den Protest berichtet haben. Der Bürgermeister Andreas Bartels (CDU) ist nicht zu sprechen: Weder Mails noch Anrufe werden beantwortet. Während die freundliche Empfangsmitarbeiterin im Rathaus nach einem Blick in ihren Computer noch sagt, er sei im Hause, sieht die Welt im zweiten Stock anders aus: Nein, Herr Bartels sei nicht da, sagt seine Sekretärin – und schreibt jene Nummer auf einen Zettel, die auch auf der Website des Rathauses steht und unter der er nie zu erreichen ist.
„Ich hab’ davon eigentlich gar nichts mitgekriegt“, sagt die Besitzerin einer kleinen Buchhandlung ein paar Straßen weiter. „Ich wohne hier auch gar nicht.“ Allerdings sei sie natürlich in Garrel geboren: „Sonst bräuchte man hier auch keinen Buchladen aufmachen.“
Die Planung ist so nicht genehmigungsfähig
Im Kiosk an der Hauptstraße Zeitungen verkaufen darf man immerhin auch als Nicht-Garrelerin: „Davon hab’ ich nichts gehört, ich komme auch nicht von hier“, sagt die Verkäuferin zwischen Stapeln der Nordwest-Zeitung, die über den Protest der AnwohnerInnen ausführlich berichtet hat.„Eigentlich geht es uns um die Einhaltung der Bauvorschriften“, sagt endlich eine Frau, die gerade ihren Vorgarten mit dem Laubsauger traktiert. Goldschmaus liegt in Sichtweite. Gegen die Rumänen habe hier ja niemand etwas, versichert sie. „Natürlich müssen die ordentliche Wohnungen haben, aber so wie das ursprünglich geplant war, verstößt das gegen das Baurecht.“
Das Argument ist nicht ganz falsch: Die ursprünglich von Goldschmaus vorgelegte Planung ist tatsächlich so nicht genehmigungsfähig. Der Landkreis Cloppenburg verwies die Bauanträge für die Wohnanlagen an das Unternehmen zur Überarbeitung zurück. „Es sollen kleinere, sich in die Nachbarschaft einfügende, Wohnunterkünfte erstellt werden“, sagt der Sprecher des Landkreises Frank Beumker. „Gegen das ursprünglich beantragte Vorhaben liegen beim Landkreis Cloppenburg Nachbareinwendungen vor.“ Man erwarte die überarbeiteten Bauanträge in den nächsten Wochen. Goldschmaus wird nun nacharbeiten – und kann dann hoffen, dass die geänderten Anträge genehmigt werden. Mit der Integration zumindest fängt das Unternehmen schon mal ein bisschen an: Die rumänischen ArbeiterInnen erhalten Deutschkurse. „Und unsere Kollegen hier lernen rumänisch“, sagt Unternehmenssprecher Gerald Otto.
Was die Rumänen selbst von den neuen Wohnungen und dem Protest der Anwohner dagegen halten, ist nicht wirklich herauszubekommen. Einige stehen in der ersten Frühlingssonne des Jahres auf dem Parkplatz vor dem Lidl, manche haben Fahrräder dabei, einer ein Mofa. Sie trinken Bier, morgens um halb elf, und sie unterhalten sich. Sie sehen aus, als kämen sie gerade von der Frühschicht. Fragen kann man sie das nicht, die Verständigung klappt nicht so recht, auch wenn sie sich sehr freundlich bemühen. In dieser Gruppe spricht jedoch noch niemand genug deutsch für eine Unterhaltung. Dass sie bei Goldschmaus arbeiten, das bestätigen sie. Ob sie davon gehört haben, dass manche EinwohnerInnen in Garrel ein Problem mit ihnen haben? Nein, haben sie nicht: „Keine Problem.“
Das Unternehmensmotto ihres Arbeitgebers prangt in großen grünen Lettern auf Deutsch an der Zentrale. Es lautet: „Eine Gemeinschaft, die Gold wert ist.“
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