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Antiziganistischer Anschlag bei UlmGefährlicher als der Brandsatz

Weil sie den Wohnwagen einer Romafamilie anzünden wollten, wurden zwei Männer verurteilt. Das Urteil ist mild, die Nebenklage ist trotzdem zufrieden.

Ein Angeklagter in Handschellen im Gerichtssaal ist nun auf Bewährung in Freiheit Foto: Stefan Puchner/dpa

Karlsruhe taz | Von dem Mordvorwurf gegen fünf Neonazis ist nichts übriggeblieben und trotzdem sagt Daniel Strauss, Landesvorsitzender des Verbands der Sinti und Roma: Die auf den ersten Blick milden Bewährungsstrafen haben sein Vertrauen in den Rechtsstaat gestärkt. Denn soweit er wisse, sei das überhaupt das erste Urteil wegen Vertreibung von Sinti oder Roma in Deutschland.

Das Ulmer Landgericht hat fünf junge Männer zu Bewährungsstrafen zwischen zehn Monaten und einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Sie hatten gestanden, im Mai 2019 nachts von einem Pkw aus eine Wachsfackel in das Lager von 18 Wohnwagen einer französischen Roma-Familie geworfen zu haben, die einen Lagerplatz in dem Dorf Erbach-Dellmensingen gemietet hatte. Das Gericht war Verfahren der Einschätzung eines Gutachters gefolgt, dass der Brandsatz nicht lebensbedrohlich war, und hatte den Mordvorwurf fallen gelassen.

Doch im Kern ging es bei dem Prozess nicht um die Gefährlichkeit der Fackel: Es ging dem Gericht darum, die offensichtlich antiziganistischen Motive der Täter zu benennen und zu bestrafen. Schon vorher hatten sie Böller gezündet und einen toten Schwan vor das Camp gelegt. Die Jugendstrafkammer des Landgerichts Ulm stellt deshalb fest, die jungen Männer hätten die Taten aus „rassistischen, fremdenfeindlichen und antiziganistischen Motiven“ begangen. „Sie wollten ein Klima von Angst und Schrecken schaffen, um die Roma-Familie zu vertreiben“. Sie werden wegen vollendeter Nötigung in 45 Fällen verurteilt.

Ihre Motive hatten die Angeklagten erst gar nicht zu verschleiern versucht. Auf Handyfotos zeigten sie sich mit Hitlergruß und Reichsflaggen. Offenbar fand auch ihr Umfeld nichts Ungewöhnliches daran, wie die Angeklagten freimütig bekannten. „Wenn man nach den Bildern auf dem Handy geht, könnte man jedem Zweiten im Dorf was reindrücken“, sagte einer der Angeklagten in dem Prozess. Auch die Eltern ließen rassistische SMSen ihrer Kinder an sie unwidersprochen.

Vorurteile bekämpfen

Im Jugendstrafrecht gehe es darum, bei den Angeklagten eine Veränderung zu bewirken, betont Mehmet Daimagüler, der in dem Prozess die Interessen der Opfer als Nebenkläger vertreten hat. Er glaube nicht, dass die Angeklagten durch eine Gefängnisstrafe zu besseren Menschen würden. Er blieb deshalb in seinem Plädoyer unter der Forderung der Staatsanwaltschaft und ist mit dem Urteil jetzt zufrieden.

Immerhin hat sich einer der Angeklagten in den Augen des Gericht nach der Tat glaubhaft vom Rechtsextremismus gelöst. Zumindest in den Schlussworten bedauern alle fünf Männer ihre Tat und ein Teil von ihnen hat bereits 5.000 Euro freiwillig für einen Täter-Opfer-Ausgleich gezahlt. Am Ende aber, sagt Daimagüler, könne man nicht in die Köpfe der Angeklagten schauen.

Was bleibt, ist der Versuch aufzuklären. Schon vor dem Vorfall hat der Landesverband der Sinti und Roma zusammen mit der Stadt Ulm und anderen Partnern in der Ulmer Altstadt eine Beratungsstelle geplant. Nun soll die Zweigstelle des Landesverbands noch eine weitere Aufgabe übernehmen: politische Bildungsarbeit, um Vorurteile zu bekämpfen.

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3 Kommentare

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  • 0G
    09139 (Profil gelöscht)

    Was für ein Haufen von Feiglingen und armen Würstchen die Rechtsextremen sind, zeigt sich mal wieder in diesem Fall.



    Ganz heroisch und arisch-deutsch wird eine Familie mit schlafenden Kindern mit einer Fackel angegriffen.



    Ernsthaft jetzt: diese Nichtsnutze hängen teilweise immer noch mit Nazis ab! In ihren Kreisen sind das arme unschuldige Opfer der Justiz. Die Entschuldigungen sind nur dahergesabbelt, damit das Strafmaß verringert wird.



    Bei einem von den Vieren scheint es aber tatsächlich eine Veränderung gegeben zu haben, wenn man den Berichten glaubt.



    Ansonsten: ein Vater wird vor Gericht zitiert, dass man gleich als rechts eingestuft werde, sobald man nicht links sei. Aha, Danke für die Aufklärung, aber wer Fackeln auf eine schlafende Familie wirft und mit Hitlerbildern chattet und sich rechtsextrem äußert und agiert, der wird also zu unrecht als Nazi bezeichnet? Der arme Nazi aber auch... von demher gibt es also gar keine Nazis mehr und der Brandanschlag war ne nette Willkommensgeste? Ich könnte kotzen, wie dort sie Täter gedeckt werden und zu Opfern gemacht werden.



    Nächster Punkt: die Täter bewegen sich in der teils rechtsradikalen Hooliganszene des SSV Ulm. Dort agieren ebenfalls Leute, die keine Hemmungen haben, sich mit den Tätern zu solidarisieren und weiterhin gerne Hitlergrüße von sich geben. Auch hier: keine Einsicht, kein Erkennen des Rechtsextremismus, keine Problem damit. Ätzende Kameraden und ganz arme Würstchen, richtig arisch deutsch eben.



    Wenn jetzt der Verein SSV Ulm 1846 diesen Nazis kein Stadionverbot gibt, wird sich die Sache im Stadion fortsetzen. Das ganze Umfeld wartet darauf, dass der Verein endlich reagiert, nachdem er jahrelang weggeschaut hat und endlich gegen Nazis und Rechtsextreme im Umfeld wirklich agiert!

    @ Taz: Danke für die Berichterstattung und bitte dranbleiben!

  • "Auf Handyfotos zeigten sie sich mit Hitlergruß und Reichsflaggen."

    ist der erstere in der brd nicht auch strafbar?

    • 0G
      09139 (Profil gelöscht)
      @satgurupseudologos:

      Ich hoffe doch.



      Ab er war bestimmt nur ironisch gemeint von diesen so unschuldigen Nazis, hihi...was für ein dummes Pack!



      Bei Nazis ist echt Hopfen und Malz verloren, deren Dummheit ist grenzenlos.