Antisemitismus in der Labour Partei: Jüdin kritisiert Corbyn? Aufruhr!
Die Abgeordnete Hodge nannte den Labour-Chef Corbyn einen antisemitischen Rassisten – und bekommt nun ein Disziplinarverfahren.
Großbritanniens Labour-Opposition streitet wieder über ihren Umgang mit Juden. Margaret Hodge, altgediente jüdische Labour-Abgeordnete für den Londoner Wahlkreis Barking, wird jetzt parteiintern diszipliniert, weil sie Labour-Chef Jeremy Corbyn einen „antisemitischen Rassisten“ genannt hat.
Die Bemerkung fiel am Dienstagabend in einer Konfrontation vor Zeugen zwischen der 73-jährigen Abgeordneten und dem 69-jährigen Parteichef im Parlamentsgebäude. Die Worte „fucking antisemite“ sollen dabei gefallen sein. Zuvor hatte der Labour-Parteivorstand eine umstrittene Neudefinition von Antisemitismus bestätigt, die unter anderem die Gleichsetzung von jüdischen Israel-Unterstützern mit Nazis nur noch dann als antisemitisch einordnet, wenn eine antisemitische Absicht bestand.
Labour verwässert damit die international gültige und von der Justiz genutzte Definition, nach der man auch dann Antisemit sein kann, wenn man sich nicht für antisemitisch hält. Der Vorstandsbeschluss bestätigte einen ersten Beschluss von vor zwei Wochen, der auf heftige Kritik gestoßen war.
So hatten 68 britische Rabbiner in einem offenen Brief an Labour von einem „beleidigenden und arroganten“ Umgang mit Juden gesprochen. Vergangene Woche kehrte dann die Labour-Parlamentsfraktion, die mehrheitlich nicht zu Corbyn hält, zur allgemein anerkannten Definition zurück – aber der Parteivorstand, in dem der linke Flügel die Mehrheit hält, ist diesem Schritt nicht gefolgt.
„Am Dienstag habe ich Jeremy Corbyn im Parlament konfrontiert und ihm ins Gesicht gesagt, was ich und viele andere fühlen“, schreibt Margaret Hodge, die sich selbst als „säkulare jüdische Einwanderin“ definiert und die Angehörige im Holocaust verloren hat, in einem Beitrag für die Tageszeitung Guardian. „Unter seiner Führung wird die Labour-Partei von den meisten Juden, Tausenden Parteimitgliedern und Millionen Mitgliedern der Öffentlichkeit als antisemitische und damit rassistische Partei wahrgenommen.“ Man würde ja auch keine Neudefinition von Vergewaltigung vornehmen, ohne die Haltung von Frauen dazu zu berücksichtigen – aber mit Juden gehe Labour so um. Sie habe „Wut und Zorn“ geäußert, und „Ich stehe zu meiner Handlung und zu meinen Worten.“
Die Parteiführung leitete umgehend ein Disziplinarverfahren gegen Hodge ein. Zahlreiche Labour-Abgeordnete stellten sich daraufhin entsetzt hinter ihre Kollegin. „Stellen wir uns vor, Jeremy und sein Team würden genauso schnell Maßnahmen gegen Verantwortliche für Rassismus ergreifen wie gegen die, die ihn bekämpfen“, schrieb der Parlamentarier Ian Austin auf Twitter.
Margaret Hodge
Hodge genießt bei britischen Antifaschisten großen Respekt, weil sie in Barking hart gegen die Neonazipartei BNP (British National Party) kämpfte, nachdem diese dort bei Kommunalwahlen 2006 zahlreiche Sitze gewonnen hatte. Bei der Parlamentswahl 2010 trat BNP-Führer Nick Griffin in Barking gegen Hodge an – und verlor haushoch. Heute unterstützt Griffin Jeremy Corbyn.
Holocaust in Frage gestellt
„Hätte sie den Holocaust geleugnet oder Juden der Weltherrschaft bezichtigt, würde sie unbehelligt bleiben“, kommentierte Publizist David Collier das Labour-Verfahren gegen Hodge unter Bezug auf zahlreiche nicht geahndete Vorfälle bei Labour.
Am Donnerstag stellte sich der konservative britische Innenminister Sajid Javid hinter die Labour-Politikerin. Er wies auf Twitter darauf hin, dass Margart Hodges Familie im Holocaust ermordet wurde, und fuhr fort: „Statt ihr zuzuhören, entscheidet sich Corbyn, sie zu verurteilen. Wie kann er behaupten, er habe kein Problem mit Juden? Schande.“ Die allererste Twitter-Antwort darauf lautete: „Sajid, sei kein Propagandist. Er sagt die Wahrheit. Woher weißt du überhaupt, ob der jüdische Holocaust real ist.“
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