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Antisemitismus in DeutschlandDer Hass reißt nicht ab

Seit dem Hamas-Terror steigt die Zahl antisemitischer Straftaten rasant. Auch an Hochschulen gibt es Vorfälle. Polizei und Verbände sind alarmiert.

Zerstörter Schaukasten, der eine Ausstellung zur jüdischen Geschichte des Krankenhauses in Berlin-Moabit zeigte Foto: Annette Riedl/dpa

Berlin taz | Erst am Montag brachen in Berlin-Lichtenberg Unbekannte in ein Lokal ein, schmierten antisemitische Parolen an die Kellertür. Zuvor waren in Gießen Männer in die Wohnung eines Israelis eingedrungen, nachdem dieser eine Fahne aus dem Fenster gehängt hatte.

In Altenkirchen wurde das Fenster eines Paars eingeworfen, das dort eine Israelfahne aufgehängt hatte. Es sind keine Einzelfälle: Sicherheitsbehörden und die unabhängige Meldestelle Rias verzeichnen seit dem Beginn des Hamas-Massakers auf Israel am 7. Oktober weiter einen drastischen Anstieg antisemitischer Straftaten.

So zählt das Bundeskriminalamt seitdem rund 1.600 Straftaten mit Bezug zum Nahostkonflikt – 700 davon wurden als antisemitisch eingestuft. Es sind vor allem Sachbeschädigungen und Volksverhetzungen, die meisten wurden „ausländischer“ oder „religiöser Ideologie“ zugeordnet. Im ganzen Vorjahr waren es 2.641 antisemitische Straftaten.

Und die BKA-Zahlen dürften noch steigen. Denn die Länder meldeten zuletzt noch weit mehr „antiisraelische“ Delikte, rund 4.000, an das BKA, die dort nun noch einmal Einzelfallprüfungen durchlaufen. So notierte allein Nordrhein-Westfalen 587 israelfeindliche Straftaten. In Berlin wurden seit dem 7. Oktober 231 antisemitische Taten gezählt.

Vorfälle an Hochschulen häufen sich

Auch die „Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus“ (Rias) legte am Dienstag Zahlen vor. Dort wurden allein zwischen dem 7. Oktober und 9. November 994 antisemitische Straftaten erfasst – im Schnitt 29 am Tag. Dies bedeute einen Anstieg von 320 Prozent zum Jahresdurchschnitt 2022, so der Verband. 59 der Vorfälle hätten sich im direkten Wohnumfeld von Betroffenen ereignet, 177 auf Versammlungen. Vermehrt gebe es Vorfälle an Hochschulen, etwa mit antisemitischen Schmierereien, Flyern oder Bedrohungen.

Verbände zeigten sich alarmiert. Auch Marina Chernivsky von den Beratungsstellen bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung (Ofek) berichtete, die Anfragen bei Ofek seien in den vergangenen Wochen so hoch wie noch nie seit Gründung 2017. Einige Betroffenen hätten berichtete, noch nie so viel Ablehnung in Deutschland erlebt zu haben. „Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.“

Auch Walter Rosenthal, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, erklärte, die „drastische Zunahme antisemitischer Vorfälle muss die gesamte Gesellschaft alarmieren“. Dass sich diese auch an Hochschulen ereigneten, mache ihn betroffen. Man dulde dort keinen Antisemitismus und müsse Straftaten konsequent anzeigen und sanktionieren.

Auch BKA-Präsident Holger Münch warnte zuletzt: „Das Eskalationspotenzial ist groß.“ Die Lage in Nahost habe einen unmittelbaren Einfluss auf das Radikalisierungsgeschehen in Deutschland. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) geißelte zuletzt antisemitische Straf­taten. Man werde den Kampf dagegen „weiter mit voller Kraft und aller Härte führen“.

Drohschreiben an Moscheen

Zugleich häufen sich seit dem 7. Oktober auch antimuslimische Delikte. So erhielten zuletzt mehrere Moscheen in Nordrhein-Westfalen und Berlin Drohschreiben mit angebrannten Koranseiten, Hundekot oder Schweinefleisch. Bei einem vielbeachteten Angriff auf eine Schülerin in Berlin scheint sich dagegen ein muslimfeindliches Motiv nicht zu bestätigen: Sie hatte eine „Allah“-Halskette getragen und war von Mitschülerinnen verprügelt worden.

Das BKA erklärte auf taz-Anfrage, dass man aktuell im Nahostkontext islamfeindliche Straftaten im „unteren zweistelligen Bereich“ zähle, auch hier vor allem Sachbeschädigungen und Volksverhetzungen. Rajko Kravanja (SPD), Bürgermeister von Castrop-Rauxel, wo eine Moschee eines der Hetzschreiben erhielt, sprach von „widerwärtigen“ Vorfällen. Man dürfe nicht zulassen, „dass wenige gefährliche Spinner diese Zeiten ausnutzen, um Hass und Zwietracht zu sähen“. Zu den Briefen konnten bisher keine Tatverdächtigen ermittelt werden.

Auch Reem Alabali-Radovan (SPD), Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus und Staatsministerin für Integration, verurteilte zuletzt Rassismus gegen Muslime. Man dürfe den Kampf dagegen und den gegen Antisemitismus „nicht gegeneinander ausspielen“. Beides müsse „Hand in Hand gehen“.

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3 Kommentare

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  • Berichtet werden sollte vielleicht auch von dieser Performance am 13.11. im Foyer der Universität der Künste in Berlin, von der FAZ, Belltower News und Zeit.de berichten:

    》AKADEMISCHER ANTISEMITISMUS

    Die Politik der Verdammnis [...] An der Universität der Künste in Berlin toben sich Israelhass und Antisemitismus offen aus. Jüdische Studenten trauen sich nicht mehr in die Lehrveranstaltungen《

    m.faz.net/aktuell/...rlin-19343147.html (paywall)

    m.faz.net/;m=is;f=...er-in-der.jpg.webp

    www.zeit.de/zeit-m...l-juden-hochschule

    www.belltower.news...udentinnen-154139/

    Zitat: 》Ein Schelm, der denkt, die Symbolik der rot bemalten Hände wäre dabei willkürlich gewählt. Diese referiert auf den sogenannten „Lynchmord von Ramallah“, welcher sich im Oktober 2000 [...] ereignete. Zwei israelische Reservisten, Vadim Nurzhitz und Yossi Avrahami, verfuhren sich und gelangten so aus Versehen nach Ramallah. Dort wurden sie von örtlichen Polizisten aufgegriffen und auf die dortige Polizeistation gebracht. Nachdem sich dies herumgesprochen hatte, versammelte sich ein Mob vor dem Gebäude, der dort anschließend mit Messern und Metallstangen eindrang. Beide Israelis wurden auf bestialische Art und Weise misshandelt und ermordet. Anschließend trat einer der Mörder an das Fenster und hielt triumphierend seine blutverschmierten Hände der jubelnden Masse entgegen. Jenes verstörende Bild erlang dadurch an Symbolgehalt für viele Juden und Jüd:innen《

  • Man muss sich mal die Proportionen vor Augen führen: Seit dem 7. Oktober 700 vom Bundeskriminalamt als antisemitisch eingestufte Straftaten stehen islamfeindliche Straftaten im "unteren zweistelligen Bereich" gegenüber.

    Es gibt aber nur etwas unter 100.000 Juden in Deutschland - gegenüber mindestens 5 Millionen Muslimen! Die Wahrscheinlichkeit für einen Juden, von antisemitischen Straftaten betroffen zu sein, ist also grob gerechnet 500 mal höher als für einen Muslim von islamfeindliche Straftaten betroffen zu sein.

    • @Winnetaz:

      Ich verstehe nicht, was für einen Sinn die statitistische Betrachtung (....500 mal höher...) haben soll. Jedes einzelne Hassverbrechen ist eines zuviel, unabhängig davon, gegen wen es sich richtet.