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Antisemitismus-Resolution des BundestagsEin winziger, doch richtiger Schritt

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Die Bundestags-Resolution ist nicht perfekt – dass sie sich an der IHRA-Definition von Antisemitismus orientiert, ist aber auf jeden Fall richtig.

Das Brandenburger Tor am Jahrestag der Novemberpogrome Foto: Andreas Friedrichs/imago

W as wurden da im Vorfeld für Befürchtungen laut: Die Meinungsfreiheit in Deutschland werde eingeschränkt, hieß es, und Kritik an der israelischen Regierung kriminalisiert. Künftig seien Zensurmaßnahmen zu befürchten, auch seien Einwanderer und Asylsuchende bedroht. Die Rede ist von der Antisemitismus-Resolution des Bundestags, die am Donnerstag verabschiedet wurde.

Doch nichts davon wird geschehen. Denn es handelt sich um keine Rechtsnorm, die da beschlossen worden ist, sondern um einen schlichten Appell. Das Parlament macht damit ein Jahr nach dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel deutlich, dass es judenfeindliche Handlungen und Gedankengut in Deutschland strikt ablehnt. Mehr nicht. Aber auch nicht weniger.

Strittig ist an der Resolution vor allem, dass sie sich bei der Definition von Antisemitismus an der Auffassung der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) orientiert, die israelbezogenen Hass mit einschließt und etwa die Behauptung, die Existenz Israels sei ein rassistisches Unterfangen, als judenfeindlich anprangert.

Fast alle Staaten Europas empfehlen IHRA-Definition

Darüber zu streiten, wo Kritik an der israelischen Regierung aufhört und judenfeindliche Ressentiments beginnen, ist selbstverständlich legitim. Der Zentralrat der Juden allerdings empfiehlt die IHRA-Definition ebenso wie fast alle Staaten Europas. Man möge bedenken, wie es ausgesehen hätte, wenn die deutsche Volksvertretung eine andere Auffassung von Judenhass zur Grundlage gemacht hätte, als die Vertretung des deutschen Judentums, also die von einer beispiellosen Welle des Hasses Betroffenen. So wäre aus einem Akt der Solidarität ein Affront geworden.

Deshalb ist die Bundestags-Resolution nicht perfekt geworden. Aber zumindest nicht anstößig. Auch wenn zu hoffen bleibt, dass der unverbindliche Text doch eine gewisse Wirkung verbreitet, und sei es, dass israelfeindliche Veranstaltungen nicht mit staatlichen Mitteln gefördert werden: Diese Resolution ist nur ein winziger Schritt im Kampf gegen den Judenhass.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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13 Kommentare

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  • Aus einer Diskussion zum, damals noch, Entwurf der Resolution: 'Dass wir diese antisemitische Propaganda nicht auch noch staatlich alimentieren, ist das Mindeste!' Finde ich auch.

  • In der taz wird eine restriktive, Minderheiten pauschal vorverurteilende Resolution zur Bekämpfung von Antisemitismus begrüßt, die mit den Stimmen der AfD verabschiedet wurde, die sich darüber hinaus dafür bedankt, dass ihr Narrativ und ihr Programm in dieser Resolution realisiert wurden – Stichwort importierter (oder jetzt "neuer") Antisemitismus und Remigration bei Nichtkonformität. Krass!

    Als Paradebeispiel für Antisemitismus in D-Land werden in der Resolution Aussagen von Künstler:innen auf der Berlinale angeführt, die Waffenstillstand forderten und vor einem möglichen Genozid warnten. Nicht erwähnt werden: Halle, der kontinuierliche Gedenkstättenvandalismus, die Wagnerfestspiele, die rechtsextremen, antisemitischen und mit Plaketten geehrten Großspender des Humboldt-Forums – dem Vorzeigekulturprojekt Deutschlands etc etc etc...

    • @SaDi:

      In der taz wird das kontrovers diskutiert - von allen Seiten, ein Qualitätsmerkmal dieser Zeitung. Könnte man zur Kenntnis nehmen als Leserschaft. Oder ist es schöner, nur die eigene Meinung gespiegelt zu bekommen?

    • @SaDi:

      Aus der Resolution eine Forderung nach "Remigration" abzuleiten ist kompletter Unsinn. Das macht niemand. Die AfD wünscht es sich vielleicht, aber es bleibt kompletter Unsinn.

      Kritik an manchen Aspekten der Politik Israels wird auch weiterhin möglich sein. Da spricht weder die Definition der IHRA noch die Resolution des Bundestages dagegen.

      Die IHRA wendet sich mit ihrer Definition gegen Aussagen, die Israel gewissermaßen als "Jude unter den Staaten" verunglimpft - einfach nur aus Hass gegen Juden und den Staat Israel als jüdisches Kollektiv. Angriffe dieser Art kommen heutzutage tatsächlich hauptsächlich aus der Kategorie "importierter" Antisemitismus. Der "klassische" Antisemitismus aus der rechtsextremen Ecke wird dadurch aber nicht verharmlost.

      Kritik an Israel ist übrigens bei der aktuellen Regierung von Netanjahu auch mehr als angebracht. Netanjahu als Person ist ein ekelhafter Machtmensch, den die Israelis lieber ganz schnell vom Hof jagen sollten (um ihm dann den Prozess machen). Das hat mit seinem Jüdischsein aber strikt gar nichts zu tun.

  • Endlich in der taz ein mehr realistischer Artikel hierzu. Wo andere, in den Kommentaren, so tun als wäre die Resolution eine Ausweitung des Strafgesetzbuches für jede Kritik an Israel, ist dieser eine realistischere Einschätzung.

  • Besser wäre es die Jerusalemer Erklärung zu Antisemitismus heranzuziehen, die eben begründete Kritik am Staat Israel nicht pauschal als Antisemitismus verunglimpft. Die IHRA Resolution ist da viel zu schwammig und steht deswegen auch bei vielen gesellschaftlichen Bewegungen in Israel selbst in der Kritik.

    • @Thierry Oehrle:

      Die Verfasser:innen der IHRA warnen selber davor, ihre für einen spezifischen Forschungskontext entworfene Arbeitsdefinition in politischen, juristischen Kontexten repressiv einzusetzen. 15 israelische Organisationen haben davor gewarnt, dass die Resolution auch sie betreffen und ihre versöhnende Arbeit gefährden wird.... Also deutsche, nicht-jüdische Beamte verdächtigen israelische zivilgesellschaftliche Organisationen dann des Antisemitismus. Das muss man erstmal verdauen!

      • @SaDi:

        Trotzdem tun sie das auf der Grundlage von einer Defintion viele Antisemitismusforscher*innen beteiligt waren.

        Zudem befürworten jüdische Organsationen als auch israelische die IHRA definition. Es ist nicht so als hätte diese Definition keinen fachlichen Rückhalt oder würde bei jüdischen/ israelischen Menschen auf Ablehnung stoßen. So untertsützt der Zentralart der Juden ausdrücklich die IHRA Definition

        www.zentralratderj...at/ueber-uns/ihra/

        Ihr ausgemaltes Szenario am Ende, ist also keins welches wirklich der Realität entspricht und ist keine gute Grundlage einer Kritik, bei einen komplizierten Thema. Sondern gleicht leider eher einer Panikmache.

        Wo sie gerade eine Zahl wie viele israelische zivilgesellschaftliche Organisationen , wo sie gerne einmal Beispiele nennen können. Stehen denn für die IHRA definition oder stören sich nicht an ihr ?

        .Warum sollten isarelische Organisationen keinen antisemitischen Narrativen etc aufsitzen oder diese übersehen können ? Zumal wäre es schön wenn sie Beispiele nennen könnten, welche Organisation was kritisiert hat . Statt vage Andeutungen zu machen.

    • @Thierry Oehrle:

      An welchen Stellen verunglimpft die IHRA-Definition jede Kritik am Staat Israel?

      Das steht dazu drin:

      "Erscheinungsformen von Antisemitismus können sich auch gegen den Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, richten. Allerdings kann Kritik an Israel, die mit der an anderen Ländern vergleichbar ist, nicht als antisemitisch betrachtet werden."

    • @Thierry Oehrle:

      Nein, das sehe ich anders.

      Warum viele taz Leser*innen sich hier auf die Seite einer kleinen Gruppe Wissenschaftler*innen schlagen, welche weder die Mehrheitsmeinung teilen, ist nicht verständlich.

      Auch ist der Gegenvorschlag der FAZ schlecht gemacht, nicht nur redet dieser in einer Resolution gegen Antisemitismus zuerst (in Artikel 5) wie schlimm Nazi Keulen (also überzogene Antisemitismuskritik) sind, sondern argumentiert auch, wie falsch es ist Definitionen zu Antisemitismus festzuschreiben um danach eben solche Definitionen festschreiben zu wollen.

      Übrigens für dich Thierry, der FAZ Entwurf schlägt nimmt auch die IHRA als legitime Definition auf! Dürfte also nicht unterstützt werden, wenn sie so wäre wie du behauptest, dabei erlaubt die IHRA enorm viel Kritik an Israel:

      holocaustremembran...ion-antisemitismus

      "Erscheinungsformen von Antisemitismus können sich auch gegen den Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, richten. Allerdings kann Kritik an Israel, die mit der an anderen Ländern vergleichbar ist, nicht als antisemitisch betrachtet werden. "

    • @Thierry Oehrle:

      Der Verweis auf gesellschaftliche Bewegungen in Israel ist mit Vorsicht zu genießen, welche Bewegungen sind dies ? und wraum muss betont werden das es welche aus Israel sind ?



      Das die IHRA ihre Schwäche hat und kritisiert werden kann ist richtig

      Dennoch ist die Jerusalemer Erklärung keine wirkliche Alternative



      Sie würde u.a verunmöglichen bzw erheblich erschweren moderne Versionen des Antisemitismus als solchen zu analysieren.



      Zitat Rensmann



      "Als Antisemitismus sollen demnach nur noch die Dämonisierung und Diskriminierung von Juden „als Juden“ gelten—camouflierte, kulturelle und institutionelle Formen fallen so aus dem Blickfeld. Diffuse Verweise auf „Identitäten“ und vermutete „Intentionen“ ersetzen dabei zusätzlich klare Kriterien, um Antisemitismus als solchen zu erkennen. Zudem verschwindet die Besonderheit von Antisemitismus als Verschwörungsmythos sui generis in einem antiquierten Verständnis der Judenfeindschaft als Vorurteil"



      www.belltower.news...sforschung-116093/

      Sprich jeder Antisemit kann sich moderner sprachl. Kodes bedienen (z.B zionistisch statt jüdisch sagen) und ist damit frein raus.

  • Danke für diesen Artikel. Sie geben genau meine Gedanken wieder wenn ich, auch hier in der taz, sonst nur von Kritik an Resolution lese.

  • Vielen Dank für diese unideologische Stimme der Klarheit.

    Kaum ein Text wird so oft und so schlampig verunglimpft und diskreditiert.

    Davon abgesehen ist es Trauerspiel, wie lange der Bundestag gebraucht hat, um eine Resolution zum Schutz jüdischen Lebens in Deutschland zu formulieren.

    Gleichzeitig passt diese Verschlepperei in die allgemeine Gemengelage, was diese Thematik anbelangt.