Antisemitischer Terror: Juckt Sie das?
Zu Besuch in New York am 11. September tritt die Monstrosität des islamistischen Terrors unverhüllt vor Augen. Die Überlebenden bleiben allein.
A m Tag, bevor ein österreichischer Islamist bei einem Anschlagsversuch auf das israelische Konsulat und das NS-Dokumentationszentrum in München von Polizisten erschossen wird, besuche ich das 9/11 Memorial Museum in New York.
Ich bin das erste Mal in der Stadt, und das Museum ertrage ich kaum. Zu viel erinnert mich an das Massaker vom 7. Oktober in Israel. Der Vergleich zwischen den Anschlägen wurde immer wieder bemüht; Parallelen gezogen im Ausmaß des Terrors, in dem Angriff auf das Sicherheitsgefühl beider Nationen und in der Absicht, Bilder der Gewalt zu produzieren. Ihr Kern, ein kohärentes Weltbild der Islamisten, wurde als Parallelität weniger beachtet.
Die Kriegserklärung der Islamisten am 11. September vor 23 Jahren war nicht nur eine gegen die USA und westliche Demokratien. 9/11 war auch ein antisemitischer Anschlag, wie Samuel Salzborn vor einigen Jahren ausführte.
Wenige Tage vor meinem Museumsbesuch, ich stehe gerade am Berliner Flughafen, bergen israelische Soldaten die Leichen von sechs durch die Hamas ermordeten Geiseln: Hersh Goldberg-Polin, Carmel Gat, Eden Yerushalmi, Almog Sarussi, Ori Danino und Alexander Lobanov. Ihre Gesichter begegnen mir später auf Stickern im New Yorker Stadtbild. „Bring them home“, steht oft darunter, ein Satz, der unausgesprochen das Adjektiv „lebend“ beinhaltet und nun nur noch als Beweis für das Versagen, die Geiseln nicht lebend nach Hause gebracht zu haben, gelesen werden kann und für das Ausmaß des Terrors.
Geteilte Zeit
Der vereitelte Anschlag auf Taylor-Swift-Konzerte, Solingen, dann München, am Freitag ein vereitelter Anschlag auf Bundeswehrsoldaten in Hof. Ein Anschlag auf ein jüdisches Zentrum in Brooklyn, New York, wird während meines Aufenthalts ebenfalls verhindert: Ein pakistanischer Islamist aus Kanada habe „ein Blutbad“ verüben und „so viele Juden wie möglich“ töten wollen. Kurz zuvor habe ich in Brooklyn Tacos gegessen und mich durch Vintageläden geshoppt.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst sprach nach dem Anschlag von Solingen von einer Zeit vor und einer Zeit nach dem Attentat. Für die Betroffenen von Terror trifft das zu: Für sie teilt sich die Zeit. Es gibt den Tag, an dem ihr Zuhause noch nicht von Raketen angegriffen wurde, den Tag, an dem sie ihre Liebsten noch umarmen konnten, an dem sie sich noch sicher fühlten, und den Tag danach, an dem all das zerstört ist, nicht mehr gilt.
Mittlerweile frage ich mich, wie viele Davor-und-danach-Sätze wir noch vor uns haben. Drei, fünf, zehn? Spätestens seit dem 7. Oktober ist mir, als ob ich mich in einem ewigen Danach befände, als ob das Davor längst in der Erinnerung verblasst wäre. Das ist das Perfide an Terror, selbst wenn er verhindert wird: Er macht dich als Teil einer Gruppe, die angegriffen werden sollte, einsam. Weil für den überwiegenden Teil der Gesellschaft, nach einem Anschlag wie in München, alles wie bisher ist.
Wie viele Danachs sind wir davon entfernt, dass die Bedrohung von Juden nicht nach wenigen Tagen wieder vergessen ist? Wie viele Intifada-Rufe auf deutschen Straßen braucht es noch, bis verstanden wird, dass die Gewöhnung an diese Form der Terrorverherrlichung eine Gefahr darstellt?
Juden machen sich öffentlich Gedanken über Emigration, sie kalkulieren den Ernstfall; sie haben Sorge, ihre Kinder in diesem Land nicht mehr schützen zu können.
Juckt das jemanden? Empört Sie das? Und wenn ja, was leiten Sie daraus ab?
Der islamistische Terror in Deutschland war nie weg, es war einige Jahre ruhig, doch diese Ruhe war trügerisch. Manchmal brauche man Abstand, um die Dinge besser begreifen zu können, heißt es. Mit dem Atlantik zwischen mir und Deutschland ist mir eines klarer geworden: Die Einsamkeit ist sichtbar, und wegschauen muss man sich leisten können.
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