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Antilopen Gang mit neuem Album„Kassel ist ein Dorf“

Die HipHop-Crew Antilopen Gang über die destruktive Qualität von Gras, Stress bei Familienfeiern und ihr neues Album „Abbruch Abbruch“.

Von links nach rechts: Panik Panzer, Kolja und Danger Dan Foto: Katja Runge
Interview von Samuel Salzborn

taz: Sie behaupten, Ihr neues Album sei das beste des kommenden Jahrzehnts. Woher diese Ahnung?

Koljah: Ich glaube, dass wir musikalisch viel mehr richtiger gemacht haben als bei den Alben davor. Dass wir keine Gitarren mehr verwenden, sehe ich als großen Fortschritt.

Danger Dan: Darüber lässt sich streiten. Aber das Prinzip ist Wahrheit durch Behauptung. Man muss das den Leuten in den Mund legen und ihnen so zu ihrem Glück verhelfen.

Warum jetzt? Nur das Fehlen von Gitarren macht Ihre Musik nicht gleich zum Nonplusultra!

Koljah: Wir kommen diesmal ohne Lückenfüller aus. Ich könnte Ihnen bei den vorherigen Alben Tracks nennen, die nicht hätten dabei sein müssen, die Alben wären ohne sie besser geworden.

Danger Dan: Du redest uns um Kopf und Kragen!

Koljah: Ist da so? Das ist doch dein Job!

Wenn es nichts Schlechtes gibt auf dem Album, was ist der beste Track?

Antilopen Gang

Antilopen Gang: Die HipHop-Crew Antilopen Gang, ursprünglich aus Aachen und Düsseldorf, heute in Berlin, veröffentlicht in unterschiedlichen Konstellationen seit 2009 Musik, ihr Debütalbum „Aver­sion“ erschien 2014. Ihr neues Werk „Abbruch Abbruch“ erscheint kommende Woche bei JKP/Warner. Am 23. Januar wird es in der Berghain Kantine, Berlin, ein „Symposion mit anschließendem Konzert“ der Antilopen Gang und Gästen geben.

Offizieller Tourstart: ist am 12. Februar mit einem Konzert im Gladhouse in Cottbus.

Panik Panzer: Ich finde, „Der Ruf ist ruiniert“ ist am besten.

Danger Dan: Ich finde, das ist, als würde man einen mehrfachen Vater fragen, welches Kind er am meisten mag. Auf so eine Frage kann ich nicht antworten, ich liebe die Songs alle.

Das beste Lied haben Sie nicht genannt, in „Zentrum des Bösen“ ist sehr viel Wahres. Sie kritisieren damit Dorfromantisierung und die, wie Adorno sagte, „Idiotie des Landlebens“.

Danger Dan: Es ist empirisch belegbar, dass auf dem Dorf nur Scheiße entsteht und in der Stadt eigentlich die guten Dinge. Das Dorf konserviert alles, was schlecht ist, und die Stadt erschafft alles, was gut ist. Wenn man sich Österreich anguckt …

… als Gesamtdorf?

Danger Dan: Österreich besteht nur aus Dörfern und einer Stadt, wobei ich selbst mit Wien Probleme habe. Würde es Wien nicht geben, hätte Österreich eine rechtsextreme Regierung.

Damit verwenden Sie also einen gesellschaftstheoretischen Dorfbegriff: Kassel zum Beispiel wäre somit auch ein Dorf.

Koljah: Kassel ist definitiv ein Dorf!

Panik Panzer: Ich kenne mich in Kassel nicht so aus, aber falls von dort das Kassler kommt, ist es definitiv ein Dorf.

Wo hört das Dorf für Sie auf?

Panik Panzer: Kurz vor Berlin.

Danger Dan: Das Dorf hört da auf, wo das Individuum anfängt. Das Dorf ist eine faschistoide Gemeinschaft.

Koljah: Wichtig ist die Verknüpfung von Ressentiments gegen die Großstadt mit der Glorifizierung des Landlebens: das antisemitische Stereotyp des organischen Dorfs, das so konkret ist und natürlich gewachsen und dagegen steht die künstliche Großstadt, in der alles anonym ist – und diese Freiheit sei etwas Schlechtes. Dabei ist sie die Voraussetzung dafür, dass Individualismus und bürgerliches Glücksversprechen überhaupt möglich sind.

Es steht nicht zu befürchten, dass Antilopen-Fans sich darüber empören, wenn Sie die Dorfmentalität dissen, aber Ihr „Lied gegen Kiffer“ könnte auch bei Ihren Fans für Kontroversen sorgen!

Koljah: Beim Kiffen gibt es die weit verbreitete Ansicht, dass es natürlich sei, und synthetische Drogen seien das Böse, weil sie zusammengesetzte Chemie wären. Solche Widersprüche führen Kiffer ins Feld, um ihr Tun zu verteidigen. Da sind die Gleichen, die denken, dass Dorfleben per se toll wäre …

Danger Dan: … und dann so merkwürdige Vorstellungen davon haben, wie weit entwickelt die Inkas sind und dass man denen glauben muss. Wobei man auch gar nicht wissen will, wie viele Antilopen-Fans heimlich …

auf dem Dorf wohnen?

Danger Dan: Vielleicht sogar das! Zumindest glauben sie, dass nun ausgerechnet ihr Dorf als einziges noch in Ordnung sei, während im Nachbardorf bereits alles verloren ist. Die Steigerung ist dann Kiffer auf dem Dorf. Wobei Kiffer sich aufregen, weil sie labile Persönlichkeiten haben, cholerisch sind, aggressiv und dünnhäutig. Man muss Kiffer ja gar nicht kritisieren, es reicht schon, dass im Nachbarhaus eine Stecknadel runterfällt, dann greifen die sofort zur Heugabel.

Und werden zu Neurechten, wie es bei Ihnen heißt?

Koljah: Kiffen geht oft einher mit einer kruden Weltsicht, in der man sich schnell in ­wahnhafte Gedankengebilde verirrt. 9/11-Verschwörungideologien erfreuen sich etwa großer Beliebtheit, weil Kiffer sich in ihre psychotische Wahnwelt hineinkiffen und sehr empfänglich sind für solche Erklärungsansätze. Man kann vielleicht sagen, nicht alle Neurechten sind Kiffer, aber alle Kiffer werden zu Neurechten.

Panik Panzer: Einmal in meinem Leben habe ich die Wirkung von THC wirklich gespürt und …

Koljah: … und hast dich direkt auf einer Montagsdemo wiedergefunden?!

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Lied gegen Kiffer

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Panik Panzer: Ich war jedenfalls überrascht, wie psychoaktiv es wirkt. Und habe gemerkt, dass Gedanken, die vorher relativ klar waren, zum Irrgarten wurden. Wenn ich mir vorstelle, jemand brezelt sich täglich so zu, dass er nur noch im Irrgarten ist, wird klar, dass er mit komplexen Themen nichts anfangen kann. Es mag total banal sein, aber meine eigene Kifferfahrung trägt dazu bei, dass ich die These aufstelle, dass Kiffer schneller bei komischen Gedanken landen.

Als Sozialwissenschaftler würde ich sagen, das ist eine dünne Datenbasis.

Panik Panzer: Ja, das ist nicht so richtig empirisch …

Danger Dan: Doch, teilnehmende Beobachtung!

Panik Panzer: Deutschland sollte viel mehr auf mein Bauchgefühl vertrauen!

Koljah: Abgesehen von Taxifahrern gibt es niemanden, der mir häufiger von antisemitischen Verschwörungstheorien erzählt hat, als wirre Grasdealer.

Der Link zu den Taxifahrern überzeugt. Wo bleibt Ihr Song über Taxifahrer?

Koljah: Stimmt! Ich setze mich im Taxi immer nach hinten rechts und schweige.

Panik Panzer: Ich schreibe das mal direkt auf, die Songidee!

Danger Dan: Ich fuhr neulich erst wieder mit einem, der über E-Roller geschimpft hat – und am Ende waren die Juden schuld, dass es E-Roller gibt, weil die an die persönlichen Kundendaten der Leute kommen wollen würden.

Dorf, Kiffer, Geburtstag – selbst der sei schlimm, wie Sie in „Keine Party“ singen. Erst dachte ich, nun kommt ein musikalischer Abklatsch von „Enkeltrick“, dann aber erklingen starke Klavierakkorde. Und ich konnte das Gefühl sofort fassen, wie schlimm Geburtstage sind. Sind diese Feiern wirklich so schlimm?

Koljah: Andere Feiern haben den Vorteil, dass man nicht im Mittelpunkt steht. Nix gegen Geburtstagsfeiern, wenn ich selbst nicht betroffen bin.

Danger Dan: Ich überlege gerade, ob es Feiern gibt, die mir gefallen. Das meiste, was durchritualisiert ist, finde ich schwierig. Es gibt große Erwartungen, etwa an Weihnachten, so dass man sich ständig von dem Besonderheitsgefühl emanzipieren muss. Die Erhabenheit des Moments, an den man glaubt, erfüllt sich nie.

Panik Panzer: Feiern als Ritual sind meistens schlimm, zumindest bis zu dem Punkt, an dem alle genügend berauscht sind.

Danger Dan: Es gab auch gute Weihnachten …

Panik Panzer: Nein! Ganz, ganz ernsthaft: Gab es nicht.

Danger Dan: Ich muss an dieser Stelle Panik Panzer widersprechen, auch weil unsere Eltern bestimmt taz-Leser:innen sind.

Panik Panzer: Oh ja! Weihnachten war immer schön!

Aber es geht doch auch um eine Institution der Moderne: den Geburtstag – bei dem man das Individuum so hoch hängt, die Idee des Individuums ist ja überhaupt erst in der Moderne entstanden, der Einzelne war vorher faktisch irrelevant. Das ist auch die Dialektik des Geburtstags: einerseits das Individuum in den Mittelpunkt zu rücken und es zugleich durch ritualisierte Feiern zu korrumpieren.

Koljah: Stimmt, Geburtstag ist eigentlich der Hammer. Aber damit meine ich, dass ich mit meiner Freundin zusammensitze und es ist schön. Das sind aber eben nicht die Feiern, die bleiben blöd.

Danger Dan: Wenn man ständig dieselben Formen abarbeitet, „Und, was machst du heute noch?“, geht es nicht ums Individuum, sondern es wird kaputt gemacht, in den Telefonaten, die wir alle einmal jährlich x-mal führen müssen: „Mach dir einen schönen Tag!“

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11 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Was ist Ironie? Nun, zum Beispiel, wenn einer der Interviewten von Menschen spricht, "die denken, dass Dorfleben per se toll wäre" – und die Band das dann einfach nur ebenso plump spiegelt, indem sie das Gegenteil behauptet. Das Dorf ist der Mikrokosmos der Volksgemeinschaft, Kiffer sind oder werden Neurechte – pauschaler und einfacher geht es nicht (und nein, ich fühle mich weder vom einen noch vom anderen angesprochen). Hinzu kommt angesichts der Aussage "Feiern als Ritual sind meistens schlimm, zumindest bis zu dem Punkt, an dem alle genügend berauscht sind" die Doppelmoral – auf Feiern ist der Rausch dann wohl okay? Oder ist Alkohol akzeptabel und Gras nicht? Und wenn dann einer der Interviewten auch noch davon spricht, dass ein Kiffer "mit komplexen Themen nichts anfangen kann", dann setzt das dem Ganzen die Krone auf. Mit ihrem simplen Gut-Böse-Weltbild haben diese Typen das ganz offensichtlich auch ohne Drogen geschafft ...

  • Ha ha, ich verabsolutiere meine eigene kleine Welt!



    Das kann man natürlich witzig finden - oder einfach nur provinziell.

  • Never trust a Hippie!



    Selbst als Kiffer kann ich den Grundgedanken stützen xDxDxD

    Das beste Rap-Album des nächsten Jahrzehntes wird wohl mal wieder Waving the guns raus bringen.



    Schon immer ohne Gitarren und trotzdem Punk!

  • Oh my god. Bis heute wusste ich nicht was für Spießer das wirklich sind.



    Es gibt also vemeintlich linke, nicht kiffende Großstadtbewohner die auf der Spießerskala auf einer Stufe mit dem Gartenzwergbesitzer stehen. Das nenne ich mal eine Leistung, oder habe ich die Ironie in dem interview nicht verstanden?

    • @charly_paganini:

      AntiDs eben...

  • Druffies die über Kiffer lästern. Was ne Promo. Wenn jemensch seine Erfahrungen auf alle anderen projiziert ist das dialektisch stereotypisch.



    Ein Hoch auf alle Dorfkiffer die konventionellen und traditionellen Strukturen mit Weltoffenheit und Antinationalismus entgegentreten.



    Und auch ein Hoch auf alle Stadtkokser die völligen Bezugsverlust erleiden und wahrscheinlich nicht mal wissen wie Mächtig die Kokapflanze ist ohne das Kokain aus ihr “herauszuvergewaltigen”.



    Und natürlich ein Hoch auf alle indigenen Andenvölker für ihren respektvollem Umgang von Mutter Naturs Gaben.

  • 0G
    09139 (Profil gelöscht)

    Was ist das für ein sinnfreies Gequatsche? Lasst doch die Leute rauchen,was sie wollen und wohnen, wo sie wollen (das geht an die A.-Gang).



    Diese Boys scheinen bereits ohne Kiffen schon äußerst merkwürdige Gedankengänge zu haben. Wobei es schon auch ziemlich gestörte Kiffer/innen gibt von der Marke antisemitische Esoteriker, das will ich gar nicht abstreiten. (Sogar in der Stadt! Was nun?) Aber wie immer, es gibt halt solche und solche....



    PS: ist das einfach Partymukke oder sehen die sich irgendwie als politische Band (ich hoffe ja nicht...) ?



    PPS: hat der Typ links n Shirt von New Kids STP an? Why?

    • @09139 (Profil gelöscht):

      Soweit ich das als Fastrentner richtig mitbekommen habe, galten die mal vor ein paar Jahren tatsächlich als der geilste heisseste Scheiss bei den undogmatischen Linken. Mein damaliger Azubi hat die sehr gemocht.



      Für meinen Geschmack hatten die schon immer zu wenig Gitarren und zu viel Sendungsbewustsein.

    • 9G
      91655 (Profil gelöscht)
      @09139 (Profil gelöscht):

      TAZ-Leser kennt die Antilopengang nicht, eine der bekanntesten und besten politischen HipHop-Crews ... Schande!

      Die Lieder gegen die Keimzelle des Faschismus und den Extremismus der Mitte, Antisemiten usw. sind zu Recht legendär!

      • @91655 (Profil gelöscht):

        Mag ja sein. Aber quatschen tuen sie ein Haufen dummes Zeug. Peinliches Interview.

        • 2G
          2284 (Profil gelöscht)
          @Andreas J:

          Ja natürlich. Das ist halt deren Geschäftsmodell als Band. Du machst steile etwas dümmliche ironisch verbrämte Aussagen, die besonders in der linken Zielgruppe kontrovers diskutiert werden, und dadurch bekommst du Aufmerksamkeit und Klicks. Bevor du drauf festgenagelt wirst, kannst dich halt immer noch mit dem ironischen doppelten Boden retten, damit du nicht wie der Volldidiot dastehst, als der du dich in Interviews gibst.



          Da sagste halt was peinlich unreflektiertes übers kiffen und dann gehen alle die kiffen und das doof finden, brav zu spotify und hören sich da den Song an, was Klicks gibt, und regen sich überall darüber auf, was deren Namen ins Gespräch bringt. Vor paar Jahren wars "antideuscth sein" und "als linke hurensohn sagen", jetzt halt das.



          Wenn du nix relevantes zu sagen hast, was die drei erzlangweiligen Berlin Hipster Hanseln definitiv nicht haben, machste halt das, verkauft sich sowieso besser und ist bequemer, als mal vor der eigenen Tür zu kehren und sich zu fragen, wie man zu Warnermusic als Vertriebsstruktur steht, oder sich zum Beispiel dazu zu äußern, wie man es denn findet, dass Beteiligte (Naja vielmehr Repräsentative) des eigenen Labels besoffen auf dem Oktoberfest rumturnen und sich für peinliche Prestigeprojekte wie LiveAid hergeben (JKP ist das Label der Toten Hosen).



          Das könnte ja wirklich Ärger geben und das wollen die drei mit Sicherheit nicht risieren. Also wird irgendwo draufgehauen wos niemadem wirklich wehtut und sich weiter als Band, die krass den Finger in die Wunde legt abgefeiert. Alles nix neues und eher mäßig aufregend. Promosturm im Wasserglas.



          Solche Bands muss es halt auch geben, und solange sie gelegentlich ihre Berühmtheit nutzen um Neurechts in die Suppe zu spucken solls für mich ok sein.



          Was musikalisch relevant ist, findet sowieso seit eh und je im DIY Untergund statt.