Antifaschismus und rechte Ideologie: Trump gegen Antifa

Der US-Präsident verunglimpft legitimen Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt. Dabei nutzt er alte und neue Strategien von rechten Populisten.

Frauen demonstrieren gemeinsam und heben ihre Hände

Laut Trump auch „Terroristen“: Frauen in Portland, die gegen Rassismus demonstrieren Foto: Caitlin Ochs/reuters

Sind die Aussagen von Trump gegen die Linke wirklich ernst zu nehmen? Als er die von den Polizeiübergriffen und Morden erschütterten Demonstranten gegen den Rassismus Anfang Juni als „Antifa“ bezeichnete und diese als „terroristische Organisation“ charakterisierte, blieb es nicht dabei. Am Unabhängigkeitstag setzte er noch einen drauf: „Wir sind dabei, die radikale Linke, die Marxisten, die Anarchisten, die Agitatoren und die Plünderer zu besiegen“, erklärte er. Und in den letzten Tagen organisierte er sogar den Aufmarsch von Paramilitärs gegen die Protestbewegung.

Zumindest Kommunisten gibt es nicht mehr, also bedrohen jetzt Marxisten, Anarchisten und die Antifa die USA. Man könnte vermuten, Trump verfüge nur über wenige historische Kenntnisse und schlage angesichts der sich ausbreitenden antirassistischen Demonstrations- und Bürgerbewegung nur wild um sich und will das Thema für den Wahlkampf funktionalisieren.

Trump hat sich zwar davor gehütet, von „Antifaschismus“ zu sprechen, sondern bewusst die „Anarchisten“ und die „Antifa“ angegriffen, die gemeinhin als schwarzer Block assoziiert werden. Die antirassistische Bewegung soll mit diesem Bild als „linksradikal“ und „terroristisch“ abgestempelt werden. Der Präsident will somit die gesamte Opposition und damit letztlich auch die Demokratische Partei in den Geruch des Terrorismus bringen.

Trump steht damit nicht allein. Seine Denke ist auch bei der radikalen Rechten in Deutschland und sogar bei Konservativen in Europa verbreitet. Er ließ in seiner Begriffswahl „Antifa“ eine Diskussion anklingen, die in der radikalen Rechten seit Ende der siebziger Jahre auf beiden Seiten des Atlantiks geführt wird. Rechte Zirkel in den USA und Europa befassten sich mit dem Konzept des Anti-Antifaschismus.

Konzept des Anti-Antifaschismus

Noch ist er vorsichtig. Hätte er die Demonstranten in den USA als Antifaschisten bezeichnet, hätte er an die Kriegskoalition im Zweiten Weltkrieg, an den gemeinsamen Kampf der USA, Großbritanniens und der Sowjetunion und mit den Partisanen- und Widerstandsbewegungen in Europa erinnern müssen. So weit ist er doch nicht gegangen. Gehört der Sieg im Zweiten Weltkrieg doch immer noch zur US-amerikanischen Identität. Aber seine Äußerungen deuten darauf, dass er oder seine Berater durchaus Kenntnisse über die Diskussion innerhalb der Neonaziszene über den Anti-Antifaschismus haben.

Diese Diskussion hat zum Ziel, den historischen Antifaschismus zu diskreditieren. Die Erinnerung an die Verbrechen der Nazis wird zum Hindernis für die Durchsetzung des eigenen geschichtsrevisionistischen Weltbildes.

Die rechte Diskussion über den Anti-Antifaschismus war in den letzten Jahrzehnten nicht besonders publikumsrelevant und wurde von den meisten Linken auch in Deutschland ignoriert. Doch zeigen die von Rechtsradikalen organisierten Angriffe auf KZ-Gedenkstätten und Friedhöfe schon seit Langem, wie ernst es den Organisatoren ist, den Kampf gegen den „Antifaschismus“, gegen die Erinnerung an die Gräueltaten der Nazis also, zu führen.

Totalitäre Denkmuster

Der Widerstand gegen die Diskreditierung des Begriffs ist schwach geblieben, weil in der breiten Gesellschaft der „Antifaschismus“ ein mehr oder weniger verbrauchter Begriff geworden ist. Der „antifaschistische Schutzwall“ war 1989 verschwunden und damit die Vereinnahmung des Antifaschismus durch die kommunistische Staats­ideologie, die selbst totalitären Denk- und Handlungsformen verhaftet war.

Die mit der Studentenbewegung der sechziger Jahre einsetzende Radikalisierung von Teilen der damaligen Jugend forderte zwar die damals immer noch von Nazis durchsetzte westdeutsche Gesellschaft heraus, der damals jedoch übliche Sprachduktus, auch konkurrierende Gruppen und Persönlichkeiten innerhalb der Linken als „faschistisch“ zu brandmarken, führte ins Nichts. Nur zur Sinnentleerung des Begriffs „Antifaschismus“.

Der Begriff „Antifaschismus“, der über den (Partisanen-)Kampf gegen Hitler und Mussolini, gegen Franco und gegen deren totalitäre und rassistische Herrschafts- und Denkformen entstanden ist, erscheint also heute selbst in den liberalen Demokratien fast verbrannt zu sein. Und das zu einer Zeit, in der neofaschistische und neonazistische Bewegungen dabei sind, sich wie eine Hydra auszubreiten.

Zerstörung demokratischer Institutionen

Der Faschismus von heute kommt nicht mehr im selben Kleid wie unter Hitler und Mussolini daher. Der Angriff der jetzt schon regierenden Populisten zielt aber wie bei den historischen Vorbildern vor der NS-Machtergreifung auf die Zerstörung der demokratischen Institutionen, um mit der Unterstützung durch rechte Massenbewegungen totalitäre Staatsformen durchzusetzen.

Auf der Gegenseite sind jene, die dagegen ankämpfen, bisher nicht in der Lage, sich als Antifaschisten neu zu definieren. Wie die USA zeigen, ist die Reduktion oppositioneller Politik auf die Verteidigung der demokratischen Institutionen zu kurz gegriffen. Der notwendige Kampf gegen den Rassismus in den USA und anderswo wird zwar sicherlich in einer breiten Bürgerbewegung münden. Doch der Widerstand muss politisch ideologisch tiefgründiger werden, um erfolgreich zu sein. Ernsthafter Widerstand ist kein Spiel und muss historisch reflektiert werden.

Die Partisanen des Zweiten Weltkrieges sind nicht leichten Herzens in den Krieg gezogen. Die neue Widerstandsbewegung gegen den sich abzeichnenden neuen Faschismus muss ein offenes Gesicht zeigen. Sie darf sich nicht hinter schwarzen Masken verstecken, muss aber bereit sein, Konsequenzen auf sich zu nehmen. Sie muss sich glaubwürdig abgrenzen von jeglichem Totalitarismus, auch gegenüber den populistischen Autokraten vom Schlage eines Putin oder Erdoğan oder des totalitär regierten chinesischen Staats.

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Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.

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