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Antidiskriminierung bei BehördenDiversity ist hier ein Fremdwort

Das Berliner Landeseinwanderungsamt ist bald für Einbürgerungen zuständig. Mehr Sensibilität für Antidiskriminierung wäre essenziell – doch die fehlt.

Wer zu dieser „Willkomensbehörde“ will, muss viel Zeit mitbringen Foto: Britta Pedersen/picture alliance/dpa

Berlin taz | Das Landeseinwanderungsamt (LEA) ist für viele Menschen dieser Stadt eine wichtige Behörde. Je­de*r Ausländer*in, der*­die in Berlin lebt, muss in gewissen Abständen am Friedrich-Krause-Ufer 24 vorstellig werden, um den Aufenthaltstitel verlängert zu bekommen, das Visum oder die Arbeitserlaubnis. Hier wird entschieden, wer bleiben darf und wer nicht. Doch immer wieder ist das Amt in der Kritik – nicht zuletzt, weil die Wartezeit für einen Termin bei drei bis sechs Monaten liegt. Selbst der Chef des LEA, Engelhard Mazanke, spricht in Interviews von einer „Grenze der Dysfunktionalität“, die bald erreicht sei.

Dennoch wird das LEA ab Januar noch mehr Verantwortung bekommen: Als neues zentrales Landeseinbürgerungszentrum (LEZ) wird es auch für alle Einbürgerungen zuständig sein – die bisher zwischen Land und Bezirken geteilte Zuständigkeit soll nun dort gebündelt werden. Allerdings scheint die Behörde auf die neue Aufgabe kaum vorbereitet zu sein. Das meint zumindest die Abgeordnete der Linkspartei Elif Eralp.

Sie hatte bei der Senatsinnenverwaltung angefragt, wie sich das LEA in puncto Antidiskriminierung und Diversität auf seine neue Aufgabe vorbereitet – was bei einer Behörde, die qua Amt nur mit Aus­län­de­r*in­nen zu tun hat, offensichtlich von zentraler Bedeutung ist. Das Ergebnis kommentiert sie so: „Aus den Senatsantworten ergibt sich aus meiner Sicht, dass keine ausreichenden Bemühungen bestehen, das LEA diskriminierungssensibel aufzustellen, auch nicht beim Aufbau der neuen Einbürgerungsabteilung. Außerdem fehlt es an einem ordentlichen Qualitätsmanagement. Die Behörde scheint mit ihren Aufgaben völlig überfordert zu sein.“

Tatsächlich zeigen die noch unveröffentlichten Antworten auf Eralps Anfrage, die der taz bereits vorliegen, dass das LEA dem Punkt Antidiskriminierung keine echte Bedeutung beimisst. Und dies, obwohl nicht nur Rot-Grün-Rot, sondern auch die neue Regierung von CDU und SPD den Anspruch formuliert hat, die Behörden der Stadt diskriminierungssensibel aufzustellen. So steht es jedenfalls im Koalitionsvertrag: „Die Verwaltung öffnet sich konsequent der Vielfalt der Stadtgesellschaft und entwickelt ihre Strukturen diskriminierungskritisch weiter.“

Kaum Schulungen

Beim LEA ist davon nicht viel zu merken: So wurden bei der Behörde mit über 500 Mitarbeitenden in den vergangenen anderthalb Jahren nur 25 Mitarbeitende im Bereich Antidiskriminierung, Diversity und Partizipation geschult. Laut Innenverwaltung gab es 2022 und im laufenden Jahr gerade mal 3 Schulungsangebote an 4 Tagen. Teilgenommen haben nur Mitarbeitende der unteren Tarifgruppen E6 bis E11 – Führungskräfte des Landesamts waren nicht dabei.

„Die geringe Anzahl an Schulungen seit Anfang 2022 und der Umstand dass sich keine einzige Führungskraft im Bereich Antidiskriminierung und Diversität hat schulen lassen, zeigt: Das LEA nimmt seine Aufgabe, eine echte Willkommensbehörde zu sein und Diskriminierungen zu vermeiden, nicht an“, findet Eralp daher.

Dabei gibt es immer wieder Beschwerden gegen Mitarbeitende des Amts. Auf taz-Anfrage erklärte Doris Liebscher, Leiterin der LADG-Ombudsstelle, bei ihr seien seit Anfang 2022 16 Beschwerden gegen gegen das LEA eingegangen. Bei der LADG-Ombudsstelle können sich Menschen melden, die glauben, nach dem Landesantidiskriminierungsgesetz diskriminiert worden zu sein. „Zugleich gehen wir als Ombudsstelle davon aus, dass uns – insbesondere mit Blick auf den hier betroffenen Personenkreis – aufgrund unterschiedlicher Zugangshürden viele Beschwerden nicht erreichen“, so Liebscher.

Laut den Antworten der Innenverwaltung an Eralp gingen zudem seit Anfang 2022 fünf Beschwerden nach dem LADG beim LEA direkt ein, zudem gab es 50 Dienstaufsichtsbeschwerden gegen die Behörde. Letztere hätten meist die langen Wartezeiten für einen Termin beziehungsweise die Nichterreichbarkeit der Behörde betroffen, so die Innenverwaltung.

So genau will man das mit den Beschwerden aber auch gar nicht wissen: So gibt die Senatsverwaltung zwar an, einen „unabhängigen Ombudsmann“ am LEA eingerichtet zu haben, bei dem sich Kun­d*in­nen beschweren können, die sich durch Mitarbeitende diskriminiert fühlen. Auf Eralps Frage, wie viele Beschwerden dort eingegangen seien, heißt es nur lapidar: „Hierzu erfolgt keine statistische Erfassung.“

„Aus eigener Kompetenz“

Angesichts von Wartezeiten bis zu einem halben Jahr, der hohen Zahl von Dienstaufsichtsbeschwerden sowie der Tatsache, dass Beschwerden beim eigenen Ombudsmann nicht einmal ausgewertet werden (und folglich daraus keine Rückschlüsse und Konsequenzen struktureller Art gezogen werden können), fordert Eralp, dass eine externe Einrichtung die Behörde, ihre Arbeitsabläufe und -strukturen unter die Lupe nehmen und Optimierungsvorschläge machen soll. „Das Qualitätsmanagement ist katastrophal und das LEA braucht dringend eine unabhängige Qualitätskontrolle!“

Was die neue Einbürgerungsabteilung angeht, so Eralp, sollte diese von Beginn an so eingerichtet werden, dass es dort nicht zu massiven Antragsstaus kommt und Diskriminierungen verhindert werden. Dazu wäre allerdings ein Antidiskrimierungs- und Diversitätskonzept und eine entsprechende externe Begleitung nötig. So sah dies auch der Senat, der in seiner Vorlage zu dem im Juli verabschiedeten Gesetz zur Einrichtung des LEZ schrieb: „Die Einrichtung einer neuen Abteilung „Staatsangehörigkeitsangelegenheiten“ im LEA wird durch eine diversitätsorientierte Organisationsentwicklung und –beratung begleitet.“

Auf Eralps Frage, ob es ein solches Konzept und eine entsprechende Beratung der Behörde denn nun gebe, heißt es nun in der Antwort, dies mache das „LEA aus eigener Kompetenz“. Hintergrund sind wohl Unstimmigkeiten in der Koalition, welche Verwaltung eine solche externe Beratung finanzieren müsste. Im Ergebnis sei offenbar also kein Konzept erstellt worden, schlussfolgert Eralp.

Da das neue Zentrum in knapp fünf Monaten eröffnen soll, darf wohl auch bezweifelt werden, dass vorher noch eines fertig wird. Eralp: „Das Verständnis, wie Behörden arbeiten und aufgestellt sein sollten, scheint sich leider komplett verändert zu haben. Auch hier zeigt sich die Rolle rückwärts von Schwarz-Rot.“

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8 Kommentare

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  • "Laut den Antworten der Innenverwaltung an Eralp gingen zudem seit Anfang 2022 fünf Beschwerden nach dem LADG beim LEA direkt ein, zudem gab es 50 Dienstaufsichtsbeschwerden gegen die Behörde. Letztere hätten meist die langen Wartezeiten für einen Termin beziehungsweise die Nichterreichbarkeit der Behörde betroffen, so die Innenverwaltung."

    Und was soll eine "Diversity-Schulung" daran ändern?

    • @Tom Tailor:

      ""...meist die langen Wartezeiten für einen Termin beziehungsweise die Nichterreichbarkeit der Behörde ..."



      Und was soll eine "Diversity-Schulung" daran ändern?"



      Ganz einfach: Mehr Schulungen bedeuten weniger Erreichbarkeit der beschulten Mitarbeiter.



      Über den Sinn solcher Maßnahmen in diesem Kontext kann man diskutieren, aber ein Effekt wird auf alle Fälle eintreten.

  • "Auch hier zeigt sich die Rolle rückwärts von Schwarz-Rot.“

    Nee.



    Hier zeigt sich eine traurige Kontinuität in Berlin.

    Frau Erapl weiß das, sie war bis vor kurzem Regierungspartei.

    Nur 16 Beschwerden in anderthalb Jahren bei der LADG-Ombudsstelle ist aber wirklich erstaunlich wenig.

    Anscheinend ist das LEA im Vergleich zu anderen Berliner Behörden gar nicht so schlecht.

  • Ich arbeite auch bei einer Einbürgerungsstelle - beim Landkreis im eher ländlichen Raum.

    Bei uns ist die Bearbeitungszeit mindestens 12 Monate. Und das hat rein gar nichts mit "Diskriminierung" zu tun, warum sollte es?



    Es liegt daran, dass bis April EIN (!) Mitarbeiter für 400 Anträge im Jahr verantwortlich war. DAs klingt nicht viel, aber jeder Antrag bedeutet mindestens 45 Minuten Antragsannahme - bei Familien kann sich das über mehrere Stunden hinziehen! -; Abfragen bei anderen chronisch unterbesetzten Ämtern und Behörden - alleine bei unserem kleinen Jobcenter fehlen derzeit mindestens 6 zusätzliche Sachbearbeiter - und im Falle von Irakern müssen wir laut Dienstanweisung die Papiere zur Überprüfung ans LKA schicken. Bearbeitungszeit dort: 29 Monate.

    Ich habe vor 2 Monaten eine Akkte nach Berlin geschickt, weil eine Antragstellerin dorthin verzogen ist. Als ich im Bezirksamt angerufen habe und gesagt habe, laut AS liefe irgendeine Frist ab, lachte der Mitarbeiter - "dieses Jahr wird dit eh nix mehr!"

    Es ist im ÖD überall das gleiche - es fehlen Mitarbeiter, gerade bei den stressigen und ja - undankbaren - Stellen wie Ausländerbehörde und Jobcenter.

    • @VonKindernFernhalten:

      Nein, nicht nur Perasonalmangel. Die Berliner Bezirke bearbeiten seit März 2023 erklärtermaßen (rechtswidrig) garnichts mehr, weil sie den Übergang der Einbürgerungsakten ans LEA vorbereiten (Akten scannen..). Beim LEA ist ein Großteil der Stellen für die Einbürgerung ab 2024 noch unbesetzt... Giffey wollte eine zentrale Behörde, warum das bereits zuvor kollabierte LEA das machen soll weiß niemand ...

    • @VonKindernFernhalten:

      Korrekt. Ich habe zeitweise in einem Berliner Bezirk in der Einbürgerung gearbeitetund bin aktuell im Amt für Soziales - Bereich Asylbewerbende.



      Sicher gibt es hier und da einige Kolleg_innen, bei denen solche Nachschärfungen durch Schulungen dringend geboten wären. Das ist unstrittig. ABER es war gerade erst gestern (?) in den Medien wie viel TAUSEND Stellen allein in der Berliner Verwaltung fehlen. Da hat noch keiner einen Gedanken daran verschwendet, wie viel in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen.



      Da glaubt wirklich jemand (Gruß an die Redakteurin) dass man auch nur ansatzweise Kapazitäten hat, sorry für die Direktheit, für zwar wichtige aber doch zweitrangige Schulungen? Es gibt nichtmal Kapazitäten, dass ich in meinem Arbeitsgebiet anständig eingearbeitet oder gar geschult werde. Das muss ich mir im Selbststudium zu Hause auf der Couch oder im Urlaub drauf schaffen!



      Ich lade jede_n dazu ein, hier einfach mal ne Woche im Amt mit zu laufen um sich einen Eindruck zu verschaffen. Und danach wird NIEMAND mehr auf die Idee kommen, solche - ich muss mich wieder entschuldigen - dämlichen Artikel zu verfassen.



      Ja es ist schade, dass es so ist wie es ist. Aber so lange ich mir schon schlecht dabei vorkommen muss, meinen mir zustehenden Jahresurlaub zunehmen weil mir dadurch wichtige Arbeitstage "fehlen", stehen solche Themen bei mir und sehr vielen anderen Kolleg_innen wahrlich GANZ WEIT HINTEN auf der Agenda.

      • @Weniger_ist_mehr:

        Da hast Du leider leider sehr sehr Recht...

  • Die Behörde hat augenscheinlich mehr zu tun als sie bewältigen kann, anstatt die möglichen Mittel für Personalaufwuchs zu nutzen, soll lieber Papier produziert werden. Das die Dysfunktionalität des LEA damit behoben wird kann glauben wer will, ich tue es nicht.