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Antibiotika in Bioland-StällenDas merkt fast keine Sau

Der Biolandverband hat Bauern erlaubt, Tieren bestimmte Antiobiotika zu geben – entgegen den eigenen Regeln. Experten sind entsetzt.

Verarschung bei Bioland? Fleisch kann ein Bioland-Siegel haben, auch wenn durch den Verband verbotene Antibiotika zum Einsatz gekommen sind Foto: dpa

BERLIN taz | Deutschlands größter Ökobauernverband Bioland verstößt mitunter gegen seine eigenen Regeln, mit denen er hohe Preise rechtfertigt. „2014 wurden 35 Ausnahmegenehmigungen zur Einzeltierbehandlung für alle Tierarten auf den Einsatz eines nicht zugelassenen Medikaments erteilt“, schreibt Bioland-Sprecher Gerald Wehde auf Anfrage der taz.

Bauern des Verbands durften ihren Tieren also zum Beispiel bestimmte Antibiotika geben, obwohl Bioland diese in seinen Richtlinien ausdrücklich und ohne die Möglichkeit von Ausnahmen verboten hat.

Wehde begründet die entgegen den Regeln erteilten Ausnahmeerlaubnisse damit, dass „der Tierarzt keine Alternativbehandlung aus Sicht des Tierschutzes“ habe vornehmen können. Kritiker wenden jedoch ein, kranke Tiere könnten zwar behandelt werden – sie dürften dann allerdings nur mit dem gesetzlichen EU-Biosiegel und nicht mit dem teureren Bioland-Siegel verkauft werden.

Sogar wenn Bauern die verbotenen Medikamente verwenden, ohne sich eine Ausnahmegenehmigung zu besorgen, wird das Tier meist weiter mit dem Siegel des Verbands verkauft. Denn Wehde ergänzt: „Ein einmaliger Einsatz eines Medikaments aus unserer Verbotsliste führt nicht zu einer Zeichenaberkennung.“

Damit widerlegt er Angaben des Chefberaters für Schweineerzeuger von Bioland in der taz vom 2. Februar. Solche Fälle werden Wehde zufolge aber „über Auflagen und Abmahnungen und im Wiederholungsfall durch eine Vertragsstrafe“ sanktioniert. Auf die Frage nach der Rechtsgrundlage für Ausnahmegenehmigungen verwies der Pressesprecher lediglich auf „interne Anweisung der Qualitätssicherung“ – also nicht auf die maßgeblichen Richtlinien von Bioland.

Noch ein Skandal

Zum wiederholten Mal haben deutsche und niederländische Biotierhalter Futter aus Rumänien verwendet, das konventionell angebaut wurde. Öko-Geflügel und -Rinder hätten im Herbst 2015 Hunderte Tonnen Sonnenblumenreste erhalten, berichtete das Nachrichtenportal bio-markt.info am Montag. Dabei habe der rumänische Farmer einem deutschen Kontrolleur offen gesagt: „Ökologischer Landbau ohne den Einsatz chemischer Hilfsmittel ist nicht möglich.“ Das Unternehmen verkaufte den Angaben zufolge viel mehr, als man auf seiner Biofläche hätte anbauen können. (jma)

„Ich bin erschüttert“, sagt ein langjähriger Brancheninsider der taz, der aus Angst vor „Rache“ von Bioland nicht namentlich genannt werden möchte. Zwar toleriert auch der viertgrößte deutsche Ökoverband Biokreis Verstöße gegen seine Medikamentenverbote, wie die taz vergangene Woche aufdeckte. Aber Bioland ist der bedeutendste Verband für ökologischen Landbau in Deutschland.

Mehr als 6.200 Landwirte, Gärtner, Imker und Winzer haben sich verpflichtet, nach den Richtlinien des Vereins zu wirtschaften. Hinzu kommen über 1.000 Händler und Verarbeiter wie Bäckereien, Molkereien und Metzgereien. Die Richtlinien „gehen weit über den gesetzlichen Mindeststandard für Biolebensmittel hinaus“, wirbt Bioland und erklärt sich zu „einer Wertgemeinschaft zum Wohl von Mensch und Umwelt“.

Zu diesem Selbstverständnis passt, dass Bioland als erster Ökoverband den Einsatz von Antibiotika der Gruppe Fluorchinolone verboten hat. Die Weltgesundheitsorganisation hatte diese Medikamente als „von entscheidender Bedeutung für die Humanmedizin“ eingestuft, die oft als „Reserveantibiotika“ bezeichnet werden. Denn sie gehören zu den sehr wenigen Präparaten, mit denen sich etwa Infektionen mit dem Keim Campylobacter bekämpfen lassen.

Bioland sei eine Wertegemeinschaft zum Wohl von Mensch und Umwelt

Bio nur Etikettenschwindel?

Die Grünen etwa fordern, Reserveantibiotika in der Landwirtschaft gesetzlich zu verbieten. Denn auch der häufige Einsatz in der Tierhaltung trägt dazu bei, dass Krankheitskeime gegen diese Wirkstoffe resistent werden – und die Medikamente irgendwann auch nicht mehr bei Menschen wirken. Schätzungen zufolge sterben in der EU jährlich rund 25.000 Menschen an Infektionen mit resistenten Bakterien.

Für Gegner der Branche wie den Agrarstatistiker Georg Keckl sind Eingeständnisse wie die von Bioland und Biokreis eine Steilvorlage. „Alles was zu Anwendungsverboten oder Anwendungsbeschränkungen in den Richtlinien steht, ist Show für die Öffentlichkeit. Was ist sonst noch Show?“, fragt er. Bio – nur ein Etikettenschwindel?

Und selbst Experten, die Biolebensmittel empfehlen, sind entsetzt. „Es ist schon schwer zu vermitteln, dass überhaupt Antibiotika in der Bio-Tierhaltung eingesetzt werden“, sagt Armin Valet, Ernährungsfachmann der Verbraucherzentrale Hamburg. Umso inakzeptabler sei es, wenn Bioland seine eigenen Medikamentenverbote unterläuft. Dann würde es keinen Sinn machen, solche Vorschriften festzulegen. Die Branche müsse in diesem Punkt offener kommunizieren.

Demeter weicht aus

„Wer sich solche Regeln gibt, ist den VerbraucherInnen gegenüber verpflichtet, sie konsequent durchzusetzen. Alles andere ist Verbrauchertäuschung“, sagt auch der Vizegeschäftsführer von Foodwatch, Matthias Wolfschmidt.

Eckehard Niemann, Agrarindustrieexperte der ökologisch orientierten Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, warnt gar: „Der Ruf von Bioland geht vor die Hunde.“ Zu fragen sei, warum die Tiere überhaupt diese Antibiotika benötigten. „Die werden ja im Wesentlichen krank durch die Haltungsbedingungen.“ Hier müsse Bioland ansetzen, statt seine Prinzipien zu verraten.

Demeter, wichtiger Bioland-Konkurrent, antwortet ausweichend auf die Frage, ob die inkonsequente Anwendung von Medikamentenverboten bei Biokreis und Bioland die Glaubwürdigkeit von Bio insgesamt und speziell der Bioverbände untergraben könnte. Demeter teilt aber mit: Ausnahmen von Medikamentenverboten „sind bei uns kein Thema“. Allerdings hat Demeter im Gegensatz zu Bioland Reserveantibiotika gar nicht verboten.

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57 Kommentare

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  • Tiere, die krank sind nicht zu behandeln, und zwar so, dass sie schnell gesunden und möglichst wenig Schmerzen erfahren, ist sträflich. Auch hier gilt das Tierschutzgesetz. Dabei ist es egal, ob das Tier in einem konvetionellen oder ökologisch geführten Betrieb steht. Bitte fragt die Tierärzte.

     

    Was wieder nicht berücksichtigt wird (ganz unabhängig von Richtlinien und dem Verhalten der Verbände), ist die wirtschaftliche Situation der Landwirte. Liebe Leser und Redakteure, bitte fragt die Tierhalter. Vielleicht hilft auch ein Blick in fachliche Blätter: http://www.bauernzeitung.de/die-zeitung/kommentar/kommentar-zum-heft-072016/

    Wir haben einen Schwerpunkt zum Thema Bioschweine veröffentlicht. Sicher, die komplette Breite des Themas konnten wir damit nicht abdecken, aber die Beiträge können mehr Sachlichkeit und Wissen in die Diskussion einbringen.

     

    Wer entscheidet darüber, welches Tier im Krankheitsfall behandelt werden darf und welches nicht? Bei den Menschen würde es absolut gegen die Ethik verstossen, eine solche Frage zu stellen. Aber vielleicht verzichten Vetreter bestimmter Lebensphilosophien freiwillig auf ihren Antibiotikakonsum im Krankheitsfall?

  • Leider liegt es im Wesen der Menschen, daß sie erst bei Unglücken und Sandalen aufwachen. Aber wir lernen letztlich auch daraus.

    Was ich schade finde bei vielen Beiträgen ist daß nun Bio grundsätzlich in Frage gestellt wird. Die Biobranche hat längst bewiesen, daß auch ohne Pestizide und Genmanipulation genügend Nahrungsmittel produziert werden können. Ohne katastrophalen Artenschwund. Die geringeren Ernteerträge werden über einen langen Zeitraum aber durch wesentlich wiederstandsfähigere Böden und damit Erntesicherheit wett gemacht.

    Der aktuelle Skandal bezieht sich hingegen auf die Tierhaltung.

    Solange wir es nicht einsehen wollen auf Fleisch und Milchprodukte zu verzichten werden auch in der Biobranche unter dem massiven Verbraucherdruck nach billigen Fleisch- und Milchprodukten Skandale vorkommen. Das eigentlich Skandalöse ist der naive Glaube bei Verbrauchern und Herstellern gänzlich ohne Tierleid Fleisch - und Milchprodukte herstellen zu können. Leider hat die Biobranche stark zu dieser weit verbreiteten Illusion beigetragen.

    Natürlich ist dann die Aufregung groß wenn dieses Kartenhaus zusammenbricht.

  • 3G
    3667 (Profil gelöscht)

    Ich werde glaube ich auch bald Vegetarier ,aber ich hab noch soviel Eingefroren das muss ich erst noch aufbrauchen....

  • Um mal etwas in die Praxis und Forschung zu kommen:

    http://orgprints.org/3153/1/Brodo1_Oel.pdf

     

    "Die Wirksamkeit der in dieser Studie

    angewendeten Homöopathika kann unter

    den gegebenen Betriebsbedingungen in

    der Mastitistherapie als gesichert gelten.

    Es lassen sich im Vergleich zur Antibiose

    befriedigende bakteriologische Heilungsraten

    erzielen, die für die Lieferfähigkeit

    derMilchvonvorrangigem Interesse sind.

    Die insgesamt unbefriedigenden vollständigen

    Heilerfolge lassen sich durch die

    Gabe des Prophylaktikums verbessern,

    insbesondere bei antibiotischer Therapie.

    Auch die Kombination aus homöopathischer

    und antibiotischer Trockenstellprophylaxe

    führt zu weniger Mastitiden in der

    Folgelaktation.

    Dieses Ergebnis erscheint auf den ersten

    Blick aus Sicht der Biolandwirtschaft

    nicht befriedigend, bietet aber Anlass zur

    Diskussion. Offenbar ist die homöopathische

    Behandlung allein nicht immer in der

    Lage, eine latente Mastitis vollständig auszuheilen.

    Die Kombination mit der Antibiose

    führt möglicherweise zu einer

    gleichzeitigen exogenen und endogenen

    Beeinflussung der Euterschleimhaut. Somit

    scheint es notwendig zu sein, in weiteren

    Forschungsprojekten Alternativen zur

    exogenen Therapie (statt Antibiose) zu

    konzipieren. Dies ist die vordringliche

    Aufgabe der Forschungsgruppe am FiBL

    und an der FU Berlin." (2000)

    http://www.landtraum.ch/landtiere/hom%C3%B6opathie/mastitis/

    https://agrarheute.landlive.de/boards/thread/8716/page/1/

    http://scienceblogs.de/frischer-wind/2011/04/29/fdp-gegen-homoopathie-bei-schweinen-fur-homoopathie-bei-menschen/

    • @Hanne:

      Ergänzung:

      http://www.welt.de/print-welt/article527393/Homoeopathische-Mittel-statt-Antibiotika-fuer-kranke-Kuehe.html

       

      "Bei der Tierhaltung haben Biolandwirte jedoch ein Problem: "Die Forschung hat die alternative Tiermedizin lange vernachlässigt", sagt Jörg Spranger vom FiBL. Zwar bestimmen die Richtlinien der Ökolandbau-Verbände, dass vor allem Naturheilverfahren zum Einsatz kommen sollen. Ähnliches steht in einer EU-Verordnung zur ökologischen Tierhaltung, die am 24. August in Kraft treten wird. Doch bislang gibt es nicht für jede Krankheit eine chemiefreie Alternative, deren Wirksamkeit auch wissenschaftlich erwiesen ist." (2000!)

       

      "Es zeigten sich aber auch die Grenzen der Alternativtherapie: Sie wirkt nur, wenn für die Kuh auch das Umfeld stimmt. Nur dann können die Mittel die Selbstheilungskräfte des Tieres anregen. "Ein Bauer kann nicht einfach die Antibiotika durch homöopathische Präparate ersetzen, er muss oft auch die Haltungsbedingungen verändern", sagt Spranger. Fast immer könne man dabei mit wenig Aufwand sofort etwas verbessern."

      http://www.lwk-niedersachsen.de/index.cfm/portal/1/nav/226/article/21417.html

       

      Es geht meist um Kühe, weil die ökonomisch gesehen je "Stück" recht "wertvoll" sind. Interessant wäre es doch mal zu schauen, was es aktuell an Forschungen dazu gibt und auch für andere Tierarten.

       

      Was unternimmt z.B. Bioland, damit das Thema immer weiter untersucht, erprobt und event. auch als (Pflicht-)Fortbildungen angeboten wird? Gibt es gar die Möglichkeit dieses Gebiet politisch gewollt auch finanziell unterstützen zu lassen - für alle Nutztiere und ihre Halter?

  • So wenig Fleisch wie möglich zu essen ist die Devise:

    Tiere verbrauchen so viel Ressourcen, das ist eine Veredelung.

    Pflanzen brauchen keine Antibiotika.

    Aber insgesamt ist die Ausbildung von Resistenzen auch dort beobachtbar.

    Also weniger Konkurrenz und Dumping, das Problem heißt Kapitalismus.

  • @Jost Maurin Ich habe ein großes Verständnis für Ihre - berechtigte - Wut, die sich in diversen Artikeln zu dem Thema biologische Landwirtschaft / Verbraucherschutz Bahn bricht.

     

    Ich darf dennoch anregen, dass Sie Ihre Artikel vor der Veröffentlichung einer abschließenden redaktionellen Kontrolle unterziehen?

    Aussagen wie (in diesem Artikel)

    "Denn auch der häufige Einsatz in der Tierhaltung trägt dazu bei, dass Krankheitskeime gegen diese Wirkstoffe resistent werden – und irgendwann auch nicht mehr bei Menschen wirken. "

    sind nicht nur falsch, sie sind geradezu sinnentstellend. Natürlich wirken sie, die "Krankheitskeime", beim Menschen. Das ist ja genau das Problem (bzw. dass sie, trotz einer antibiotischer Behandlung, überleben).

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @MaxM:

      Danke für den berechtigten Hinweis. Wir haben das oben korrigiert.

  • Hier sind doch einfach die Maßstäbe verrutscht! Um deutschlandweit 35 (sic!) Bioschweine, die auf tierärztliche Anordnung mit Antibiotika behandelt wurden. Ein Verstoß im Einzelfall gegen die Verbandsrichtlinien. Aber daraus den großen Bioskandal zu machen, ist völlig maßlos und eine blinde Skandalisierumg, die nur eines befördert, nämlich den Irrglauben, alle Katzen seien grau, und damit im Endeffekt die Massentierhaltung. Damit ist nicht gesagt, dass Verfehlungen nicht aufgedeckt werden sollen, im Gegenteil. Aber guter Journalismus liefert Maßstäbe und betreibt nicht Panikmache. Das Fehlverhalten war, dass in einigen Fällen Reserveantibiotika verschrieben wurden, die eigentlich nicht hätten verschrieben werden sollen. Das muss korrigiert werden, klar. Aber lasst doch um Gottes willen die Kirche im Dorf. Niemand spricht davon, dass tagtäglich in für unsere Augen verschlossenen Ställen in der konventionelle Großtierhaltung hunderttausende Viecher für das Billigfleisch an deutschen Supermarktheken leiden. Aber 35 arme Bioschweine haben Antibiotika bekommen und die narzistisch besorgte Bio –Wohlstandsklientel läuft Amok . Huch...das mag der taz-Leser gar nicht, lieber soll die Biosau, wenn sie krank ist, den selbstgewählten Heldentod sterben, mit ökologisch erhobenem Haupte untergehen.

    Der angebliche Skandal wurde maßgeblich von der sog. SOKO-Tierschutz aufgedeckt, die jede Art von Tiernutzung verabscheut und denen damit auch die ökologische Tierhaltung ein Dorn im Auge ist. (Das erinnert an die Kommunisten in Weimar, die auch lieber auf die ihnen eigentlich nahestehenden Sozialdemokraten einprügelten als sich mit dem eigentlichen Gegner, den Nationalsozialisten zu beschäftigen). Diesem Fundamentalismus sekundiert die taz auf eine reißerische Art, indem sie Einzelheiten zu Totschlägern aufbläst. Dabei ist ökologische Landwirtschaft keine reine Lehre, sondern eine praktischer Gesamtansatz, anders und nachhaltig zu wirtschaften.

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @viola334:

      Die geringe Zahl von Ausnahmegenehmigungen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Bioland bereit ist, den Bruch von Richtlinien offiziell zu legitimieren und das auch noch öffentlich zu verteidigen. Das schafft ein Klima, das Missbrauch Tür und Tor öffnen könnte. Deshalb legen diese Ausnahmegenehmigungen ein grundsätzliches Problem bei Bioland offen.

    • @viola334:

      Danke!

       

      Die sinnvolle Antwort wäre wohl zu sagen: Wenn ihr den Tieren Antibiotika genutzt habt, darf ihr Fleisch kein Bioland-Siegel mehr tragen (was die Bauern Geld kostet, so dass sie den Antibiotika-Einsatz minimieren).

  • Was geschieht denn hier gerade? Es bricht ein Wolkenkuckucksheim zusammen, an das die Mehrheit ohnehin nicht geglaubt hat, auf das aber vor allem grüne Politik aufbaut - und darüber sind die getäuschten Verbraucher zu Recht entsetzt. "Bio ist machbar und mit Bio können wir die Welt ernähren - und das zu günstigen Preisen" ist das Credo einer neuen guten Welt. Da schmerzt die Realität. Vielleicht sollten wir einmal darüber diskutieren, was überhaupt machbar ist. Und das sollten die tun, die etwas davon verstehen. Mit romantischen Vorstellungen von einer heilen Welt wird das nix.

    • @Krick Friederike:

      Völlig zusammenhangslos! Selbstverständich ist Bio machbar und mit Bio kann man die Welt ernähren. Zu welchen Preisen hängt nicht von der Machbarkeit ab, die bedingt Sorten/Böden/Klima. Hier geht es darum, daß auch bei Bio kranke Tiere optimal behandelt werden müssen und wenn es nicht anders geht auch mal mit Reserveantibiotika. Aber man sollte die verschweigen, daß die Menge eingesetzter Antibiotika je erzeugter Einheit bei Bio immer noch ein Vielfaches geringer ist und Prophylaxe, welche die Konvis als Metaphylaxe tarnen oder Dinge weix Kexxtone eben bei Bio zu Recht verboten sind. Bio muss sich ehrlich machen und wird dann JEDEN Vergleich zu Konv. bestehen

      • @Andreas Fendt:

        Mit Bio die Welt ernähren ist kaum möglich. Durch die 20 bis 60% niedrigeren Erträge verbraucht Biolandbau deutlich mehr Fläche um die gleiche Menge Nahrung anzubauen. D.h. es muss noch mehr unberührte Natur durch Agrarflächen zerstört werden, als das sowieso der Fall ist.

         

        Dazu kommt noch die ungenaue Düngung mit Tiermist, die oft Überdüngung. Der Einsatz von Schwefel, Kupfer und anderer Gifte gegen Schädlinge ist auch nicht gerade umweltfreundlich.

        • @Nase Weis:

          Das eigentliche Problem ist, dass über 90 % der weltweiten Sojaernte (http://www.zeit.de/wirtschaft/2013-11/soja-bilanz/komplettansicht) sowie ca. 50 % der weltweiten Getreideernte für die Fütterung der sogenannten Nutztiere verwendet werden, während jeden Tag alleine 6 000 bis 34 000 Kinder an Hunger sterben. Um 1 Kilo Fleisch zu produzieren, benötigt man durchschnittlich 7 kg Futtermittel.

          • @Christina de Havilland :

            Auch wenn Sie das bei jeder Gelegenheit gekonnt pointiert vorbringen, so ganz stimmt es doch nicht:

             

            "(...) Soja wird gepresst. Das Sojaöl geht in den menschlichen Verzehr oder in die Biodieselproduktion. Der Abfall, der für den Menschen kaum brauchbar ist, geht als Sojaschrott in die Tiermast.

             

            Wenn weniger Soja angebaut wird, muss das Öl wo anders herkommen.

            Palmöl ? Rapsöl ? und was macht man mit dem Presskuchen ?

            Wegschmeissen ? (...)

             

            so hat es ein ZEIT Forist nicht unzutreffend formuliert.

             

            Das ist zwar auch etwas einseitig und es wird so einiges ausgeblendet, z.B. das die Möglichkeit auch die Abfälle lukrativ als Tierfutter zu verwerten den Anbau von Soja auf vielen Grenzertragstandorten erst rentabel macht und somit tatsächlich zu einer Ausweitung der Anbauflächen führt.

             

            Dennoch, wenn man Ihre Aussage von wegen 90%... dagegensetzt würde ich vorschlagen:

             

            treffen wir uns in der Mitte.

             

            Sicherlich ist es, nicht zuletzt auch aus ethischen Gründen sinnvoll den in den Industrieländern übermäßigen Konsum von Produkten tierischer Herkunft zu reduzieren denn Übermaß ist immer auch Recourcenverschwendung.

             

            Im Kampf gegen den Welthunger ist das aber nicht das alleinige Patentrezept, es sei denn Sie wollen z.B auch das Gras welches Kühe, Ziegen und Schafe weltweit fressen direkt an die notleidende Bevölkerung ausgeben.

            • @Waage69:

              Der entscheidende Punkt der Debatte liegt ganz einfach in der Frage, welche Art von Nachfrage die Sojaproduktion in den letzten Jahren so stark vorangetrieben hat (mit all ihren negativen Auswirkungen). Und da lässt sich klar aufzeigen, dass es definitiv nicht etwa die Nachfrage nach dem Öl zum simplen Kochen oder Backen war (es bestand eine Nachfrage danach, doch die hielt sich in Grenzen), sondern die Nachfrage nach billigen, verwertbaren Futtermitteln zur Steigerung des Tierkonsums. Auch beim WWF heißt es: "War die Sojabohne ursprünglich wegen ihres Öls und als alternative Proteinquelle für Fleisch als Lebensmittel geschätzt, ist die Ausweitung der heutigen Anbaufläche vor allem auf einen Faktor zurückzuführen: die zunehmende Nachfrage von Soja als Futtermittel für die Viehhaltung" http://www.wwf.de/themen-projekte/landwirtschaft/ernaehrung-konsum/fleisch/soja-als-futtermittel/).

              • @Christina de Havilland :

                Vom Trend her stimmt das, habe ich Ansatzweise aber auch schon in meinem Beitrag weiter oben angesprochen.

                 

                In dem Artikel von Jost Maurin, der diesen LeserInnenkommentaren zugrunde liegt geht es aber um intransparenz beim Medikamenteneinsatz in der Biotierhaltung.

                 

                Mal abgesehen davon, das mir bei ihrem ersten Beitrag der direkte Bezug zum Thema fehlt, fehlt mir sogar der indirekte da in der Biolandwirtschaft als Eiweißträger die heimische Ackewrbohne eine viel größere Rolle spielt als das Sojaschrot.

                 

                Die Rindviehcher von Biobauer Herrn Fendt bekommen selbst kaum bis gar kein Zusatzfutter aus Getreide und eiweißträgern sondern Ernähren sich in erster Linie aus dem "Grundfutter" also Gras (ja die essen das...;-)) und Heu.

                 

                Bei den Bioschweinen kommt man natürlich nicht umhin fast ausschließlich mit Getreide/Eiweißträgermischungen als zu arbeiten, höchstens die Sauen schnappen sich ab und zu mal als Ergänzung eine Schnauze Gras auf der Wiese und nehmen davon auch nicht wirklich zu.

                 

                Das Getreideanteil in der Bioschweinehaltung ist daher der eigentliche Knackpunkt stehen die Schweine hier doch mit dem bioaffinen Verbraucher in Konkurrenz um das knappe und teure Biogetreide und verteuern die Bioschweinehaltung zusätzlich zu den Kosten des höherern Platzangebotes etc.

                 

                Billigeres Biofuttergetreide wird daher oft aus Osteuropa und z.B. aus Rumänien importiert.

                Das ist noch mal ein Thema für sich wo man genauer hinschauen müsste - und Sie kommen hier mit der Sojaproblematik die ja der intensiven konventionellen Tierhaltung zugeordnet werden muss.

                 

                Ohne Trennschärfe in der Diskussion kommt man eben bei keinem Thema wirklich weiter.

      • @Andreas Fendt:

        @Andreas Fendt, nennen Sie es halt zusammenhanglos. Ich sehe es so: Konventionelle Tierhaltung wird gerade immer besser, es wird zum Tierwohl geforscht und in den Ställen wird schon einiges umgesetzt, die Unterschiede zu Bio verschwimmen, zumal es ja wohl so zu sein scheint, dass auch die Bio-Tierhalter zu Eingeständnissen gezwungen sind, aus welchen Gründen auch immer. Wenn Bio sich ehrlich machen soll, muss Bio auch die eigenen Probleme benennen, die innerhalb der Branche längst ohnehin bekannt. sind.

        • @Krick Friederike:

          > Konventionelle Tierhaltung wird gerade immer besser, es wird zum Tierwohl geforscht und in den Ställen wird schon einiges umgesetzt

           

          Und sobald konventionelle Tierhaltung so gut ist, dass die Produkte ein Biosiegel tragen können, hat Bio einen großen Sieg eingefahren: Die Art von Bio wie sie im EU-Biosiegel festgelegt ist, wird dann zum Standard der Landwirtschaft.

        • @Krick Friederike:

          Das stimmt schon, wo konv. sich verbessert und Bio sich immer mehr konventionalisiert (Fütterung, Haltung, Leistungen, Rassen) dann schwinden die Unterschiede. Wenn Bio beweisen können will, daß es signifikant besser ist, dann wird man eingestehen müssen, daß es ein Fehler ist einigen der konv. Entwicklungen einfach hinterherzudackeln und man wird sich wieder auf die Grundideen (regionale Kreisläufe, Weidegang, Zweinutzungsrassen, usw) besinnen müssen. Das wollen aber jene Bioverbände eher nicht, die ihr Heil einzig in Marktanteilen bis hinein in die Discounter suchen. Dann braucht es keine Bioverbände mehr, das können die Discounter selber nämlich besser und vor allem transparenter, wie man an "Zurück zum Ursprung" der österr. Aldi Tochter Hofer sieht.

  • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt

    Ich habe nie gesagt, dass man wieder konventionell kaufen kann. Im Gegenteil, s. z.B. hier: http://www.taz.de/Kommentar-Skandal-beim-Oekopionier/!5270857/

     

    Aufgabe der taz ist es nicht nur, Missstände in der konventionellen Landwirtschaft zu kritisieren (tun wir sehr oft), sondern auch Probleme bei Bio. Wenn die Bios solche Probleme nicht lösen, werden sie nicht vom Fleck kommen.

    • @Jost Maurin:

      Ein wenig relativieren würde ich das schon. Die 98% Verbraucher, die heute KEINE Bio-Produkte kaufen, tun das in aller Regel nicht, weil sie dem Zeug misstrauen, sondern weil es ihnen schlicht zu teuer ist. Diesen 98% so eine hochpublike Steilvorlage zu geben, weiter billig und konventionell zu kaufen, wirft die Bio-Anbieter im Zweifel stärker zurück als die wenigen unter den 2% heutigen Bio-Konsumenten, die auch ohne eine derart ausgeprägte Berichterstattung das Vertrauen verlieren.

       

      Es ist sicher richtig, dass auch Bio-Anbieter langfristig sich selbst schaden, wenn sie ihre angeblich hohen Standards verwässern. Aber sie mit einer ganzen Serie von "Enthüllungsartikeln" (komme gerade aus dem Karneval zurück und wundere mich, dass das Thema in der taz IMMER noch so breit beharkt wird) zu traktieren, ist vielleicht doch etwas zuviel des Guten - zumal in dem Tempo, dass Ihr vorlegt, niemand nachhaltig mit Verbesserungen reagieren kann. Bei den Hermannsdorfern kommt jeder nächste Artikel einfach nur als weiterer Tritt auf den am Boden Liegenden an.

       

      Die Bio-Szene mag ja aus so etwas gereinigt hervorgehen, aber möglicherweise auch fatal geschwächt.

      • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
        @Normalo:

        Ich berichte jetzt schon seit einigen Jahren über die Biobranche und meine Erfahrung ist: Ohne öffentlichen Druck bewegt sich weder bei Behörden noch Verbänden viel.

        Mein Mitleid mit den Herrmannsdorfer Landwerkstätten hält sich in Grenzen. Das ist ein millionenschweres Unternehmen mit finanzkräftigen Beteiligten und einer Reihe von Zulieferbetrieben.

        Die Sache mit den falschen Angaben auf der Homepage lässt tief blicken...

      • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
        @Normalo:

        Ja, es sind nur 35 Ausnahmegenehmigungen. Aber dass Bioland diesen Richtlinienbruch so offensiv verteidigt, zeigt, dass das Verhältnis der Biolandfunktionäre zu ihren Richtlinien irgendwie gestört ist. Aber nur wenn Bioland sich an die Richtlinien hält, wird es auf Dauer das Vertrauen der Verbraucher genießen. Deshalb hat dieser Fall - auch wenn er zahlenmäßig klein sein mag - grundsätzliche Bedeutung.

      • 6G
        64938 (Profil gelöscht)
        @Normalo:

        ... Sehr richtig!!

      • @Normalo:

        "Bei den Hermannsdorfern kommt jeder nächste Artikel einfach nur als weiterer Tritt auf den am Boden Liegenden an."

         

        Gut formuliert!

  • Kommentar entfernt. Bitte bleiben Sie sachlich.

    • @OhWeh:

      Kommentar entfernt.

  • Bio ist gut, konventionell ist schlecht, genau so will die Gesellschaft das lesen, hören, und wissen.... Und wehe jemand kritisiert die Bio-Landwirtschaft das darf selbst nicht einmal die taz. Nein auch in der Bio-Landwirtschaft sind die Tiere ein Wirtschaftsgut, ja und auch der Bio-Bauer verdient mehr, wenn die Sau mehr Ferkel großzieht, die Kuh mehr Milch gibt und das Huhn mehr Eier legt und die Tiere nicht an irgendwelchen Krankheiten leiden oder gar sterben. (ja auch in der Bio-Landwirtschaft werden Tiere krank)

  • 6G
    64938 (Profil gelöscht)

    Hallo Hr Maurin,

     

    kann es aber sein, das sie das Kind mit dem Bade ausschütten? Bei aller Enttäuschung über Bioland halte ich die Relationen (35 + x) für sehr wesentlich. Und der Vorwurf, gerade die Biobranche wäre schuld an der Antibiotika-Resistenz ist hier wohl ziemlich fehl am platze. Damit werden dann schon demnächst die Boulevardpresse und die Bauernverbände um die Ecke kommen.

    Auch wenn ihre Kritik grundsätzlich berechtigt ist, wirkt es, als ob Sie den Ökolandbau kaputtschreiben wollen.

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @64938 (Profil gelöscht):

      Bioland bricht hier ganz offiziell seine Richtlinien und verteidigt das auch noch öffentlich. Das ramponiert die Glaubwürdigkeit von Bioland, auch wenn es "nur" 35 Richtlinienbrüche sind.

  • Kranke Tiere sollte ganz ideologiefrei mit den notwendigen Arzneimitteln behandelt werden.

     

    Insgesamt ist der Einsatz von Reserveantibiotika bei Tieren in der Landwirtschaft gering. Liegt so zwischen 1 - 2%. In der Humanmedizin bei rund 50% der Verornungen. Kann man im Arzneimittelverordnungsreport oder bei den Krankenkassen (AOK) nachlesen.

    • @Manfred Stein:

      Tiere sollten ganz ideologiefrei gar nicht zum Verzehr gehalten werden. Dann werden auch keine unnötigen Antibiotika verabreicht, aufgrund derer sich Resistenzen bilden. Überhaupt ist die chemische Medizin am Ende der Fahnenstange angelangt.

    • @Manfred Stein:

      Man kann aber dennoch über das Wie der Haltung und des Gesundheitsstallmanagements inkl. Verabreichung von (klassischen) Medikamenten sehr unterschiedlicher Ansicht sein.

       

      Ich bin ganz und gar nicht für den Einsatz von Antibiotika und mir wird der Begriff "Notfall" einfach in diesem Zusammenhang (Landwirtschaft) zu inflationär verwendet. Und diesbezüglich bin ich mit großer Sicherheit ganz anderer Meinung als Sie.

       

      Es gibt eine sehr große Bandbreite von "notwendigen" Arzneimitteln und Möglichkeiten, aber die sind leider weder Gegenstand der Ausbildung von Veterinärmedizinern noch von Landwirten (studiert oder "nur" ausgebildet).

       

      Hier sollte meiner Meinung nach endlich sowohl bei der Human- wie auch Veterinärmedizin endlich mal was geschehen. Das würde ALLEN gut tun, auch den Krankenkassen! Nur eben nicht der hier nicht unwichtigen Pharmaindustrie...

      • @Hanne:

        Guten Tag Hanne, Sie sind also ganz und garnicht für den Einsatz von Antibiotika? Frage: Lehnen Sie auch Antibiotika ab, wenn Sie z.B. an einer bakteriellen Hirnhautentzündung erkranken. Glaube ich nichr. Wenn der Sensenmann an die Tür klopft wird man flexibel.

        • @Manfred Stein:

          Hier geht es aber darum, dass Tiere völlig unnötigerweise fabriziert werden, nur damit die Leute ihrem Fleischabusus fröhnen und andere einen ordentlichen Reibach machen können. Auf die geschundene Kreatur nimmt dabei niemand Rücksicht. Derjenige, der sie dann noch profitabel mit Chemie vollpumpt, am allerwenigsten: Er verdient an einem Leid, das nicht sein müßte.

           

          Wenn Ihnen Tiere am Herzen liegen, Herr MANFRED STEIN, dann richten Sie Ihr Leben danach aus. Vegetarische Ernährung ist ein erster Schritt und noch dazu ziemlich lecker, wenn nicht ein Stümper am Herd steht, der ohne Speck keinen Geschmack in den Eintopf kriegt.

        • @Manfred Stein:

          Hirnhautentzündung ist definitiv ein Notfall, wie ich ihn auch ansprach (und damit eine der wenigen Ausnahmen). Es gibt aber auch viele Indikationen, für die nicht gleich (!) ein Antibiotikum nötig ist, sofern man andere Methoden in petto hat.

           

          Aber ob Sie es glauben oder nicht, selbst bakterielle Infektionen kann man auch anders sehr gut behandeln, möglichst auch schon mit dem Ziel, dass es z.B. gar nicht zu einer Meningitis kommt.

           

          Im Stall aber auch zuhause in der Familie wird Antibiotika gerne quasi-prophylaktisch gegeben, der anfängliche, eher harmlose Infekt könnte ja zu einer schlimmeren xy..itis führen. Klassisches Beispiel ist da in der Landwirtschaft auch die Euterentzündung (Mastitis).

           

          Ihre "Argumentation" ist jetzt wieder die klassische Schulmedizinerkeule: "Kein Antibiotika bei...? Sie lassen leiden und sterben?" Das ist nicht das Niveau, auf dem ich mich unterhalten möchte.

          • @Hanne:

            OK, dann werden wir mal konkret. Ein Ferkel mit einer Gelenksentzündung durch Streptokokken. Welche nicht-antibiotischen Therapievorschläge haben Sie?

            • @Manfred Stein:

              Darum geht es nicht. Es geht vielmehr um die Frage, ob so ein mit gegen das Leben gerichteten Mitteln (wörtliche Bedeutung von Anti-bio-tika) vergiftetes Ferkel überhaupt noch in irgendeinen Kochtopf gehört. Notschlachtung ist besser.

              • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

                Das ist eine Frage.

                Allerdings wurde das Ferkel ja nicht vergiftet sondern ist durch eine geziehlte und vom Tierarzt verordnete Antibiotikagabe dem Tod z.B. bei einer sehr schmerzhaften Gelenkinfektion oder z.B. einer viral ausgelösten aber durch bakterielle Sekundärinfektionen überlagerte akute Lungenentzündung vorerst von der Schüppe gesprungen.

                 

                Die Frage ist natürlch auch, was passiert mit dem Bioferkel nach der Antibiose. Nun ist es ja so das das Tier ja nicht nach der erfolgreichen Behandlung direkt im Kochtopf landet. Es sind je nach Medikament Wartezeiten einzuhalten von 7 bis 28 Tagen und länger die danach Bemessen sind das nach dieser Zeit bei den Schlachthofproben keine Rückstände mehr nachgewiesen werdn können. Die Wartezeiten sind von den Medikamentenherstellern mit Sicherheitszuschlag bemessen da sich Niemand bei einer positven Schlachthofprobe (Glaben Sie mir: dann ist wahrlich dei Hölle los!) in die Haftung nehemn lassen will.

                 

                Wenn man jetzt davon ausgeht das das Ferkel mit meinetwegen 12kg bis zur Schlachtung mit 100kg im Biobereich noch ein halbes Jahr vor sich hat ist da nichts mehr.

                 

                Andererseits möchte der Biokunde aber eben grundsätztlich kein Tier das in seinem Leben irgendwann mal eine Antibiose verordnet bekommen hat, wie Rückstandsfrei es auch immer ist, auch wenn es nur Einzelfälle sind.

                 

                Nun haben die Bioleute zwei Möglickeiten:

                 

                1) sie gehen offensiv mit dem Thema um, werben offen für Verständnis und überzeugen ihre Kundschaft von der Notwendigkeit und letztlich auch Verantwortbarkeit dieser Maßnahmen im Einzelfall.

                 

                Wenn dies nicht gelingt

                 

                2) Müssen sämtliche irgendwann in ihrem Leben antibiotisch behandelten Tiere werden in eigenen Gruppen zusammengefasst und, selbstverständlich unter Einhaltung der gesetzlichen Wartezeiten konventionell vermarktet.

                 

                Was keine Lösung ist:

                1)Nichtbehandeln in Fällen wo auch keine Krautwickel helfen und einfach totgehen lassen.

                2) den Biokunden zu vereimern.

            • @Manfred Stein:

              wenn ein Ferkel akut krank ist, dann werde ich es als verantwortlicher Biobauer behandeln lassen, wenn es nicht anders geht, dann auch mit ReserveAB. Wenn das aber öfter oder gar regelmässig vorkommt, werde ich meine Haltungsbedingungen ändern müssen oder die Art der Tierhaltung ganz aufgeben. Und genau das ist der entscheidende Unterschied von Bio zu konventionell. Ohne standardmässigen Einsatz von Medikamenten ist konventionelle Tierhaltung im Schnitt nicht machbar.

            • @Manfred Stein:

              quod erat demonstrandum - Danke für diese Frage :-)

               

              Ein kleiner Tipp: Es gibt z.B. auch diverse pflanzliche Antibiotika, so als einfacher Einstiegsversuch. Auch ohne Wartezeiten.

               

              Insgesamt ist die ganzheitliche Naturheilkunde allerdings sehr komplex und Bedarf etwas mehr als der Frage "Welches Mittel für/gegen was?" Das ist der Punkt. Daher meine Forderung nach guter Ausbildung in diesem so wichtigen Bereich Tier- und Menschgesundheit.

              • @Hanne:

                Ok, bitte nennen Sie ein oder zwei zugelassene pflanzliche Präparate für diese Indikation.

                • @Manfred Stein:

                  So letzte Antwort:

                   

                  Sie zeigen sehr schön auf, wie die klassische Veterinärmedizin arbeitet und wie sich die Katze in den Schwanz beißt. Zugelassen wird nur das, was man möchte und die Zulassung gilt dann als Argument für die einzig wahre Therapie. Hingegen wird die Therapiefreiheit oftmals eingeschränkt und wird gerne auch mal mit Sanktionen von Veterinärbehörden gegen "unangenehme" Kollegen blockiert.

                   

                  Weitere Ausführungen siehe hier http://www.taz.de/Tierschutzskandal-bei-Herrmannsdorfer/!5272180/

                   

                  Landwirte und Ärzte, die es hingegen drauf haben anders zu arbeiten und das auch gut können, bekommen jedoch, wenn sie Glück haben, keine Schwierigkeiten, weil es keiner mitbekommt und alles gut läuft.

                   

                  Alternative Heilbehandlungen sollten jedoch auch gesetzlich klar legitimiert werden, sonst kommen auch die Bio-Landwirte, aber auch andere Landwirte, nicht von ihren Antibiotika-Gaben los.

                  • @Hanne:

                    Verstehe ich das richtig, dass "Landwirte ... , die es drauf haben" auch mit gesetzlich nicht zugelassenen Mitteln arbeiten und Ihrer Meinung nach auch arbeiten dürfen?

                     

                    Mitteln, die natürlich auch von den Bio-Verbänden nicht zugelassen sind.

                     

                    Das wäre dann allerdings ein sehr größerer Skandal als ein paar Fälle, in denen der Tierarzt sich nicht anders zu helfen wusste als mit Antibiotika-Gaben. (Wenn das Fleisch allerdings anschließend über Bioland in den Umlauf kam, dürfte das Betrug zu Lasten des Verbrauchers sein und damit juristisch auf derselben Stufe wie der VW-Betrug liegen.)

                  • @Hanne:

                    Ok, besser so. Leider können sie nichts konkretes beitragen.

                     

                    Ich wünsch Ihnen auch noch ein schönes Leben.

  • Soweit sicher alles richtig und auch Demeter-Landwirte nutzen definitiv (leider) Antibiotika.

     

    Aber wieder: Was wollen Sie mit dieser Art der (sensationellen) Berichterstattung erreichen?

     

    Und btw: Was verabreichen viele ihren Kindern, wenn sie krank sind, oder was nehmen sie selbst doch eher regelmäßig, auch obwohl man es eigentlich anders möchte, weil man ja schnell wieder bei der Arbeit im Büro sein muss/will? Weshalb wird mittlerweile auch gegen Windpocken geimpft?

     

    Warum können Kinder nicht einfach ihre Bronchitis/Ohrenentzündung u.a. zuhause wohl versorgt auskurieren und noch drei Tage länger zuhause bleiben? Geht nicht? Ja, weshalb denn nicht?

    • 6G
      64938 (Profil gelöscht)
      @Hanne:

      Hallo Hanne,

      sorry, aber Milchkühe sind nun mal KEINE Kinder! sondern Nutztiere.

      • @64938 (Profil gelöscht):

        Und wer von beiden soll jetzt Ihrer Meinung nach eher Antibiotika erhalten? Die Milchkuh als Nutztier oder das Kind als Schüler/in?

         

        Mir geht es darum, dass viele bio-Käufer es auch für sich selbst bzw. für die Familie nicht auf die Reihe bekommen, ohne regelmäßigen Antibiotikaeinsatz, zu leben. Es gibt so viele "Ausnahmegründe" wie Zeit, Urlaubsplanung oder eben auch der fehlende vertrauensvolle Arzt, der auch anders behandeln kann, oder die eigene Beschäftigung mit dem Thema und letztendlich auch die Geduld.

         

        Es geht um den Antibiotika- und Hormoneinsatz etc. bei MENSCH und TIER! Da finde ich es anmaßend, wenn man nur auf die Biobauern schaut, die angeblich auch gut ohne Antibiotika auskommen. Dass sie das wollen, ist mir klar, aber es geht um die Frage, ob sie es auch können und nicht nur damit werben.

        • @Hanne:

          Hallo Hanne,

           

          das verdutzt mich... Ich selber habe in meinem Leben erst ein mal Antibiotika bekommen müssen, bei einer schweren Entzündung. Auch meine Kollegen hier im Büro (mehrere mit Kindern) sind weit davon entfernt regelmässig Antibiotika einzusetzen. Wie kommt also Ihr Eindruck zustande das wäre die Normalität?

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
      @Hanne:

      Was ich damit erreichen will, schreibe ich einen Kommentar, der morgen in Print erscheint.

      Hier nur soviel: Bioland muss wieder sauber werden, d.h. sich konsequent an das Verbot halten, das es erlassen hat - oder das Verbot abschaffen.

      • @Jost Maurin:

        Ich bin durchaus für Aufklärung. Wenn es im Bio-Bereich Missstände und Rechtsverstöße gibt, muss dies medial aufgegriffen werden. Daher begrüße ich die Berichterstattung der letzten Tage. Dennoch folgende Anmerkungen: Statt nun einfach „draufzuhauen“ und die Einhaltung der Richtlinien anzumahnen, sollte meines Erachtens vielmehr Ursachenforschung betrieben werden. Warum genau benötigen auch Bio-Tiere so viele Medikamente? Selbst in der Öko-Branche sind Qualzuchten, die extrem krankheitsanfällig sind, gang und gäbe. Und spielen eventuell auch die hohen Besatzdichten eine Rolle? Bei 4 800 „Masthühnern“ und 3 000 „Legehennen“ in einer Gruppe nicht von Massentierhaltung zu sprechen, wäre sicherlich Augenwischerei. Aber die Abkehr von Qualzuchten und mögliche weitere effektive Maßnahmen bedeuteten zugleich geringere Erträge und (noch) höhere Preise, die der Verbraucher vermutlich nicht bereit wäre zu zahlen.

        Vielleicht könnten Sie diesen Fragen einmal auf den Grund gehen? Gibt es eventuell Bio-Insider, die hierüber, ggf. auch ungenannt, Auskunft geben würden?

         

        Noch eine abschließende Bemerkung: Wem die Tiere wirklich am Herzen liegen, dem bleibt nur Folgendes: den Konsum an tierischen Produkten drastisch zu reduzieren oder sich gleich rein pflanzlich zu ernähren.

      • @Jost Maurin:

        Da stimme ich mit Ihnen überein Hr. Maurin. Dennoch muss die öffentliche Debatte viel weiter gehen als vielleicht eine Bioland-Regel, die nicht eingehalten werden kann, nur zurück zu nehmen.

         

        Es geht um den Medikamenteneinsatz vom Grundsatz her und um gute Alternativen, die auch die Tiere nicht zusätzlich leiden lassen. Im Fall der Fälle einfach nichts tun, ist eben auch gegen den Tierschutzaspekt.

         

        Wir können auch nicht gegen Atomkraft sein, ohne uns intensiv mit Alternativen der Stromerzeugung zu beschäftigen. Atomkraftwerke aus oder Antibiotikaverbot reicht leider nicht aus.

      • @Jost Maurin:

        Nur der Einsatz von Arzneimitteln nach rein medizinischen Kriterien ist ehrlich. Ich würde von einem Ökolandbau, der Tierschutz auf seine Fahnen geschrieben hat, eine besonders vorbildliche Betreuung der Tiere erwarten. Lungen-, Hirnhaut-, Gelenks- und Darmentzündungen sind hochschmerzhaft und belastend. Das darf man nicht wegen irgendwelcher Vorschriften hinnehmen. Aber da habe ich wohl nicht die richtige ideologische Sichtweise. Da mache ich nicht mit.