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Anti-TTIP-Protest in HannoverBreites Bündnis mobilisiert erfolgreich

In Hannover demonstrierten Zehntausende gegen die sogenannten Freihandelsabkommen – und für Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit.

Protest am Samstag in Hannover Foto: dpa

Hannover taz | Für Umweltschützer, Gewerkschafter und Globalisierungskritiker ist es ein riesiger Erfolg: Unter dem Motto „Für einen gerechten Welthandel“ protestierten am Samstag fast 100.000 Menschen in Hannover gegen die sogenannten Freihandelsabkommen TTIP, CETA und TiSA. Die stehen in den Augen der DemonstrantInnen für eine wirtschaftsfreundliche, an Konzerninteressen orientierte Angleichung von Umwelt- und Sozialstandards zwischen Europa und Nordamerika.

„Stoppt TTIP, stoppt CETA“ war auf Fahnen von Globalisierungskritikern von Attac und Campact zu lesen. „Keine Chlorhühnchen, keine Gentechnik, kein Hormonfleisch“, steht auf anderen – und: „Stoppt die Freihandelslüge“. Anlass des Protests ist eine Stippvisite von US-Präsident Barack Obama, der am Sonntag zu seinem letzten Deutschland-Besuch als Staatsoberhaupt in der niedesächsischen Landeshauptstadt erwartet wird.

Zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird er mit der „Hannover Messe“ die größte Industrie-Leistungsschau der Welt eröffnen, deren Partnerland in diesem Jahr die USA sind. Präsident und Kanzlerin werden dabei kräftig Werbung für TTIP machen.

Teil des Obama-Trosses ist nicht nur US-Handelsministerin Penny Sue Pritzker – auch die US-Ressortchefs für Verkehr, Anthony Foxx, und Energie, Ernest Moniz, werden in Hannover erwartet. Merkel wiederum hat SPD-Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel im Schlepp. Auch der Sozialdemokrat will kräftig für das Freihandelsabkommen werben: „TTIP – große Chancen für kleine Unternehmen“ lautet der Titel einer Diskussion mit Gabriel und Pritzker am Montag.

Gesetze als Handelshemmnisse

Auf der Demo-Bühne des schon eine Stunde vor Beginn prall gefüllten Hannoveraner Openplatzes kritisierten RednerInnen dagegen TTIP als Kotau der Politik vor kapitalstarken multinationalen Konzernen. Profitinteressen drohten demokratische Grundrechte auszuhebeln, warnte Hanni Gramann von Attac mit Blick auf die geplanten Sondergerichte für Konzerne, vor denen gegen Gesetze als „Handelshemmnisse“ geklagt werden könnten.

„Pervers“ sei, wie Obama und Merkel mit TTIP Umwelt- und Sozialstandards opfern wollten, für die sie auf dem UN-Nachhaltigkeitsgipfel im Herbst in New noch selbst eingetreten seien, rief der Vorsitzende des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND), Hubert Weiger, unter dem Applaus zehntausender DemonstrantInnen.

„Verlasst den falschen Weg“, appellierte Weiger an die Adresse von Präsident und Kanzlerin: „Ihr habt versprochen, Euch für die Überlebensinteressen eurer Völker einzusetzen. Beachtet diesen Eid!“ Auf dem Opern- und dem angrenzenden Georgsplatz waren die Fahnen der Gewerkschaften Ver.Di und NGG ebenso zu sehen wie die von Umweltschützern von BUND und den Naturfreunden.

Kritik an Sigmar Gabriel

Vertreten waren auch Grüne, Linke, Piraten und DKP. Auch SPD-Banner gab es – dabei mussten die Sozialdemokraten auch von der Bühne aus heftige Kritik einstecken. Gerade SPD-Chef Gabriel nehmen viele DemonstrantInnen noch immer übel, dass er sie auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos als „reich und hysterisch“ bezeichnet hatte.

„Herr Gabriel: Wir machen hier, was eigentlich ihr Job wäre: Demokratie und Rechtsstaat verteidigen“, rief Cristoph Bautz vom Vorstand der Bewegungsplattform Campact, bevor sich die Demo gegen 13:00 Uhr in Bewegung setzte. Die Spitze des Protestzuges bildeten Landwirte mit Dutzenden Traktoren. Schon gegen 10 Uhr am Morgen hatten sie vor dem grün geführten niedersächsischen Verbraucherschutzministerium demonstriert – und dem grünen Landwirtschaftsminister Christian Meyer als Symbol für ihr Höfesterben ein paar alter Gummistiefel überreicht.

„Allein im vergangenen Jahr haben in Deutschland 3.500 Milchbauern ihre Existenz verloren, haben ihre Stiefel in die Ecke gestellt“, erklärte der Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Martin Schulz, die Aktion. „TTIP dient allein den Interessen großer Agrarkonzerne“, so Annemarie Volling, Gentechnikexpertin der AbL. „Landwirte spielen in dem Vertrag keine Rolle.“

Schon jetzt sorge die Überproduktion in den USA und der EU für fallende Preise: „Auf dem Weltmarkt können wir nicht konkurrieren, wenn wir Qualität anbieten wollen.“

Elf Verbraucherschutzminister hätten sich auf ihrer Konferenz in Düsseldorf gegen TTIP ausgesprochen, revanchierte sich Minister Meyer: „Als Agrarland Nummer 1 in Deutschland hat Niedersachsen besonders viel zu verlieren.“ Am Samstagnachmittag zogen nach Veranstalterangaben mehr als 90.000 Menschen über Hannovers Innenstadtring. Die Polizei sprach von mehr als 35.000 Teilnehmern.

Begeisterung weckte besonders ein Groß-Transparent, das Greenpeace-Kletter am DGB-Haus entfaltet hattet. „Yes, we can – stop TTIP“ stand darauf. „Der komplette Stadtring ist voll“, freute sich Demo-Sprecher Christian Weßling. „Das übertrifft alle unsere Erwartungen.“

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42 Kommentare

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  • NEIN zu TTIP ! Die, seit Jahren neu entstehende Kultur von BIO/ÖKO Produktens´Vielfalt in BRD und EU, alles sehr regional.. die kulturelle Vielfalt vieler kleiner Firmen mit ihren diversen Produkten... die Vielfalt der "Fairtrade" Siegel... das muss lustig weitergehen! Die Reklameindustien der grossen, internationalen Konzerne, mit ihren nonstop spots im internet, tv und radio und presse.. gehen mir echt auf den keks! Mit TTIP wird m.E. die soziale Idee der "Vielfalt" der BRD/EU Marktwirtschaft ruiniert! TTIP is´ n Ding der grossen Konzerne und deren Aktionäre..! Ich mag dies TTIP nicht!

  • Ich kann allen Bürgern nur empfehlen, sich auch nur 1 Stunde Zeit zu nehmen und sich mit den Inhalten der kritischen Bürgerstimmen zu beschäftigen - im Internet kann man diese Informationen schnell finden. Die Vielfalt der Bürger, die hier informieren und die sich hier aus wirklicher Sorge um die Werte unserer Gesellschaft zusammengetan haben und das engagierte unbezahlte Handeln dieser Bürger ist für sich selbst ein Beweis dafür, dass hier wirklich einiges im Argen liegt. Lasst euch nicht durch die plumpen Pro-TTIP-Stimmen verunsichern - nach dem ersten Satz des plakativen findet sich entweder vorsätzliche Desinformation, dummes Nachplappern oder Unwissen.

  • Es gibt 221 Freihandelsabkommen. Sind die jetzt alle schrecklich? Mit TTIP werden weltweite Standards gesetzt. Alles was in Europa Norm ist, wird gesichert, im Umweltbereich, im Verbraucherschutzbereich.

    • @Gabriel Renoir:

      Ich kann es nicht mehr hören - ein paar arrogante Menschen stellen sich hin und behaupten Sachen, die anscheinend alle eingehalten werden und wenn man das prüft stellt es sich als falsch heraus - lügen diese Leute oder wissen sie es nicht besser? Lesen Sie die Kritikpunkte der Kritischen Bürger und geben Sie konkrete Antworten und bleiben Sie nicht in Sprachblasen, die die Diktatur und den Egoismus der Wirtschaft mit Gewalt aufrechterhalten wollen! Die Leute sind nicht so dumm!

      • @Georg Marder:

        Kritische Bürger? Ja dann ok, ich verstehe.

    • @Gabriel Renoir:

      Warum hat sich trotz 221 segensbringenden Handelsabkommen weltweit die Wirtschaftskrisen vermehrt, sind Armut und Hunger angestiegen, sind immer mehr Länder in bewaffnete Konflikte verwickelt?

       

      Und wie kommen Sie darauf, dass innerhalb der Freihandelszone europäische Normen als Standard vereinbart werden? Nicht mal Hardcore-TTIP-Propagandist Siegmar Gabriel hat solches bisher zu behaupten gewagt.

  • Die Frage ist: Sind wir Bürger die ein Recht darauf haben darüber informiert zu werden was in unserem Namen verhandelt wird? Oder sind wir rechtlose Untertanen die nach belieben vor vollendende Tatsachen gestellt werden können?

     

    Da offensichtlich das zweite zutrifft sollte man auch den Schneid haben die Sache beim Namen zu nennen.

    Im Mittelalter hatte man doch auch keine Schwierigkeit damit. Da war die Situation klar: Die Herrscher oben das Volk unten.

     

    Warum müssen den Leuten jetzt mit einem mal Bürgerrechte vorgegaukelt werden? Ist am Ende die Demokratie nur erfunden worden um sich der Verantwortung für seine Untertanen zu entziehen? Nach dem Motto: Selbst in Schuld - ihr habt die korrupten Politiker gewählt.

    • @Fritz B.:

      Fest steht nur, dass der Kapitalismus alles andere unterordnet und pervertiert.

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Es ist ja keine Perversion. Es ist vielmehr Zweck der Veranstaltung.

         

        Wenn auf der Demo gefordert wird die Politiker sollten sich an ihren Amtseid halten, dann verkennt das eben ihre Funktion.

         

        Kapital muss verwertet werden und die Politik hat nicht mehr zu tun, als dafür die besten Rahmenbedingungen zu schaffen.

         

        Deswegen wird eben u.a. TTIP installiert.

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Nein ist es nicht, lieber Sam Knopf. Das wär denen viel zu kompliziert, da müssten sie ja glatt was arbeiten, um das zu organisieren. Es wird halt in Kauf genommen.

  • @Rainer Seiferth: Bei solchen Beiträgen frage ich mich schon, ob das nicht die sicher zu erwartenden "Konzern-Trolle" sind, mit der Aufgabe, anstatt mit Fakten mit Unterstellungen Stimmung gegen die TTIP-Gegner zu machen. Die EU-Oberen fürchten Volkes Stimme wie der Teufel das Weihwasser (man schaue sich nur das Verhalten gegenüber der Europäischen Bürgerinitiative gegen TTIP an), und dann werden ein paar halbseidene Umfragen, die hauptsächlich zeigen, dass viele Leute noch immer nicht genug über diese Abkommen wissen (wie denn auch, weil sie so lange wie möglich geheim gehalten werden?) zur Begründung der Popularität von TTIP in der EU herangezogen.

     

    Außerdem: Die Osteuropäer sind deswegen relativ klar für TTIP, weil sie ähnliche, nur noch deutlich schlimmere Investorenschutzabkommen bilateral mit den USA geschlossen haben und sich nun davon Erleichterung erhoffen, dass sie andere Länder mit in einen nur weniger tiefes Schlamassel ziehen, nach dem Motto: Geteiltes Leid ist halbes Leid! Eigentlich ist das eine Mordsschweinerei seitens dieser Länder. Aber (fast) jeder denkt eben immer zuerst an sich selbst.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @XXX:

      Sie meinen, wenn jemand nicht Ihrer Meinung ist, dann kann das was nicht stimmen?

       

      Eigentümliches Demokratieverständnis.

  • Selbst wenn der Wirtschaftsminister Gabriel behauptet, durch TTIP würden die "Standards nicht verschlechtert" könnten wir uns es nie leisten, die Standards zu verbessern, falls neue Erkenntnisse zur Gesundheit etc. eine Verbesserung anzeigen würden!

    Darüber hinaus ist der Export der Arbeitsplätze, die grösste Gefahr, gegen die wir uns nicht wehren können! Die Amerikaner haben mit diesem "Kapitalismus" bereits selbst sehr schlecht Erfahrungen gemacht. Dazu berichtet Bernie Sanders in seiner Präsidentschaftskandidatur: Bernie Sanders

    "We Must Stop Outsourcing Jobs https://www.youtube.com/watch?v=pbF9nYfIOlQ

    Veröffentlicht am 05.03.2016

    We must put an end to the disastrous trade deals like

    NAFTA, CAFTA, and the TPP that

    outsource American jobs to countries like Mexico, China and Vietnam. Instead of paying American workers a fair wage, corporations can pay the citizens of those countries fifty cents an hour."

    Heute besucht der US Präsident mt Frau Merkel bezeichnender weise die Industrie Messe Hannover IV.0 (die Null steht für die Zielgrösse der Arbeitsplätze)

    Der letzte, der Eine Arbeit hat, muss dann bis 70 Jahre arbeiten, meint der Jurist Dr. Wolfgang Schäuble. Ein Mensch soll die ganze Familie ernähren. Das kenne ich aus Griechenland.

  • Bin sicher, dass die meisten Demonstranten gar nicht wissen, um was es bei TTip geht. Wer die Thematik auf Chlorhühnchen o.ä. reduziert, der ist nicht Ernst zu nehmen.

    • @Hans-Georg Breuer:

      Sie schließen wohl von sich auf andere?

    • 8G
      889 (Profil gelöscht)
      @Hans-Georg Breuer:

      Sie sind der einzige hier, der nur über Chorhühnchen redet.

    • @Hans-Georg Breuer:

      Sie sollten an Ihrer Sicherheit zweifeln! Es reicht zu wissen, dass es hier geheime Verhandlungen gibt, von denen die Bürger bewusst ausgeschlossen werden und in die die Wirtschaftsvertreter bewusst einbezogen werden. Das reicht aus, zu wissen worum es bei TTIP geht! Es geht um undemokratisches Vorgehen. Ein Demokrat darf das ablehnen - und er weiß genug, wenn er um diesen Sachverhalt weiß - mehr ist nicht nötig. Aber die meisten TTIP-Gegner wissen viel viel mehr - das ist die KÜR des Demokraten! Ihre Sicherheit trügt.

    • @Hans-Georg Breuer:

      das war anfangs sicher so, mittlerweile gehe ich aber davon aus, dass die meisten Demonstranten genau wissen, warum sie gegen TTIP sind

      Als es im öffentlichen Diskurs nur um Chlorhühnchen ging, waren es auch noch deutlich weniger Demonstranten

  • Jeder Bürger mit gesundem Menschenverstand, der versucht für sich selbst eine Position zu TTIP zu erarbeiten, wird zwangsläufig zur Entscheidung kommen, dass er TTIP nicht verantworten kann. Allein die Geheimhaltung dessen was verhandelt wird ist eine Entmündigung und damit schon für sich ein Ablehnungsgrund. Dann die vorsätzlichen nachgewiesenen Lügen des BDI, die zeigen, dass hier gelogen und betrogen wird. Es ist der Versuch der Wirtschaft, die Kräfte der Demokratie zu versklaven. Wohlgemerkt - ich bin nicht gegen Angleichung von Blinkergrößen und ich bin nicht gegen Freihandelsabkommen an sich - aber gegen TTIP und der Art und Weise wie Menschen hier für dumm verkauft werden, dagegen bin ich schon - das muss aufhören!

    • 1G
      1714 (Profil gelöscht)
      @Georg Marder:

      Genau so ist es!!

  • Wenn man sich die aktuellen Umfragen anschaut, lehnen die Deutschen TTIP überwiegend ab - nur knapp 20 Prozent befürworten TTIP. Da stellt sich die Frage, wer die Regierung legitimiert, dieses Abkommen voranzutreiben, bzw. für wen die Regierung TTIP vorantreibt.

    • @Georg Marder:

      Die Regierung ist durch die deutschen Wähler legitimiert. Die Mehrheit dieser Wähler macht erstaunlicherweise ihr Kreuzchen immer wieder bei Parteien, die seit vielen Jahren diametral andere Positionen vertreten als ihre eigenen. Warum das so ist, kann ich Ihnen leider auch nicht erklären – vielleicht liegt es daran, dass wir in Deutschland leben?!?

       

      An dieser Stelle nur ein einziges historisches Beispiel: Vor der Bundeswahl 2005 forderte die CDU/CSU eine Anhebung der Mehrwertsteuer um 2%, die SPD lehnte jegliche Anhebung rigoros ab. Im nach der Wahl geschlossenen Koalitionsvertrag dieser Parteien einigte man sich schließlich auf eine Anhebung um 3%.

       

      Als ich damals diese Episode meinem Freund in Frankreich erzählte, fragte er mich, ob die SPD zur Bundestagswahl 2009 überhaupt noch antreten wolle. In Frankreich hätte nämlich ein derart eklatantes Brechen von Wahlversprechen unweigerlich den Verlust von mindestens 90% der Wähler zur Folge.

       

      Ich vermute daher, dass ein großer Teil der deutschen Wähler offensichtlich nicht verstanden hat, wie Demokratie wirklich funktioniert. Und das dies letzten Endes auch erklärt, warum bei den Themen TTIP, aktuelle Türkei-Vereinbarungen, Banken-Rettungspolitik, u.v.a.m. die Regierung rigoros ihren Kurs durchziehen kann, ohne wirklich einen Machtverlust befürchten zu müssen.

      • @Urmel:

        Ja - hier zeigen sich die Grenzen der Demokratie auf - vor allem, wenn Parteien einen demokratischen Auftrag zur Regierung als Blankoschein fürs Handeln missbrauchen. Eine Partei zu wählen heißt eben nicht, sie zu legitimieren die nächsten 4 Jahre alles zu tun, was sie will. Auch mehr direkte Demokratie kann nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein, um das Problem zu lösen. Was es braucht, ist, dass sich Volksvertreter ständig darum bemühen, ihr Vorgehen im Spiegel der Bürgerinteressen verständlich zu erklären und im Interesse der Bürger zu handeln - das ist eine Frage des Bewusstseins und das lässt sich leider nicht erzwingen - vielleicht läuft die Evolution in diese Richtung.

  • Teilnehmerzahlen:

    Die Polizei spricht von 35.000, unabhängige Beobachter von 90.000, Sie runden großzügig auf auf 100.000. Was darf ich denn nun glauben?

    • @Lühr Bernd:

      Die Angaben der Polizei sind realitätsfern (vielleicht politisch motiviert?); das weiß jeder, der vor Ort war.

       

      Dazu noch ein "Indiz": Ein Bekannter von mir hat geholfen, 5 000 Gratis-Exemplare einer linken Tageszeitung an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Das würde bei Zugrundelegung der Angaben der Polizei bedeuten, dass jeder siebte (!) Demonstrant ein Exemplar "ergattert" hätte.

      Hinzu kommt, dass die Info-Stände sowohl von der Bühne als auch von der Marschroute relativ weit entfernt lagen, und somit das Gros der Leute gar nicht erreicht werden konnte.

      Trotzdem sind immer noch unzählige Interessenten leer ausgegangen.

       

      Die "Braunschweiger Zeitung" hat Ihre Frage übrigens wie folgt beantwortet: "Jene 90 000 Teilnehmer hatte ein eigenes Zähl-Team ermittelt, die Polizei verließ sich ganz auf ihre Erfahrung und schätzte."

    • @Lühr Bernd:

      Polizei und Teilnehmer widersprechen sich eigentlich immer, weil sie unterschiedliche Interessen haben. Da beides nur Schätzungen sind, würde ich getrost den Mittelwert bilden.

       

      Immerhin ist die Spanne von 35-90 Tsd. deutlich höher als selbst bei der größten Pegida-Demo (25-40 Tsd.). Wäre schön wenn die Regierung die Sorgen der TTIP-Gegner daher auch noch ernster nehmen würde als die Sorgen der Ausländer-Gegner.

      • @ShieTar:

        Stimme Ihnen hundertprozentig zu!

        Tolles, starkes Argument!

  • TTIP wird kommen, und das ist auch gut so. Dabei ein wenig länger und mit europäischem Selbstbewusstsein verhandeln kann gewiss nicht schaden. Insofern haben die Anti-TTIP-Proteste eben auch etwas Gutes an sich, zumindest teilweise. Ein Blick auf die Zustimmungsgeographie Europas zeigt, dass in allen Mitgliedsstaaten die positive Sicht auf TTIP überwiegt, selbst im traditionell US-skeptischen Frankreich, nur eben nicht in Deutschland und Österreich. Warum ausgerechnet die beiden Länder, die am meisten von der europäischen und transatlantischen Nachkriegsordnung profitiert haben (und hauptverantwortlich für den II. Weltkrieg waren), sich am meisten gegen TTIP erregen und sperren erschließt sich mir nicht wirklich. Das lässt viel Raum für Spekulationen über nationale Befindlichkeiten.

    • @Rainer Seiferth:

      "Warum ausgerechnet die beiden Länder, die am meisten von der europäischen und transatlantischen Nachkriegsordnung profitiert haben ..... sich am meisten gegen TTIP erregen und sperren erschließt sich mir nicht wirklich." - Vielleicht ist genau das der Grund, dass die Bevölkerung beiden Länder, die schon so viel Handel treiben, auch am meisten Nachteile zu befürchten hat. Die USA einen Verlust von Arbeitsplätzen, weil deutsche Produkte noch einfacher zu importieren sind und Deutschland vor allem den Verlust von strengen Umweltschutz- und Verbrauchernormen und den massenhaften Import amerikanischer Landwirtschaftsprodukte. Ganz nebenbei werden derzeit auch immer öfter skurrile Fälle von "Investitionsschutz"-Klagen bekannt.

      http://www.phoenix.de/content/phoenix/die_sendungen/1033498

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Rainer Seiferth:

      Es kommentierte der TTIP-Lobbyist?

       

      Politischen Sachverhalten und Zusammenhängen ohne neoliberale Brille auf den Grund zu gehen, scheint nicht Ihre Stärke zu sein.

      Dafür bemühen Sie den "Raum für Spekulationen über nationale Befindlichkeiten", Herr Seibert.

    • @Rainer Seiferth:

      In ihrer "Einschätzung" fällt der qualitative Aspekt leider völlig unter den Tisch - das saloppe "das ist auch gut so" sagt leider nichts aus.

       

      Die Nachkriegsordnung ist mit Reagan und Kohl definitiv zu Ende gegangen und es läßt sich aus ihr nichts deduzieren. Was zur Debatte steht sind die konkreten Folgen dieser Abkommen deren Inhalte auf verdächtige Weise geheimgehalten werden.

       

      Sorry, Mr. Seiferth: zero points.

    • 2G
      27741 (Profil gelöscht)
      @Rainer Seiferth:

      Beim Thema TTIP noch die Verantwortlichkeit des zweiten Weltkriegs unterzubringen gelingt auch nicht jedem. Müssen wir auf ewige Zeiten den Verstand ausschalten und uns unterwerfen. Wollten sie das andeuten.

      Was hat uns denn die transatlantische Nachkriegsordnung gebracht? Konsum über alles, auf dass dieser Planet eine riesige Müllhalde werde und die nachfolgenen Generationen Probleme en masse zu bewältigen haben. Alles dem Konsum unterworfen, Freiheitsrecht beschnitten. Europa bekommt noch nicht mal ein gemeinsames Sozial- oder Finanzrecht hin, aber wir brauchen TTIP! Ich fasse es nicht.

    • 1G
      1714 (Profil gelöscht)
      @Rainer Seiferth:

      Es fehlt hier nur noch das weinerliche Statement, dass gerade wir Deutschen den Amerikanern für die Befreiung von den Nazis dankbar sein müssen. Aber im Ernst: wenn diese Abkommen doch soooo toll für uns alle sind, warum werden dann die Texte so streng geheim gehalten???

    • @Rainer Seiferth:

      Dort wo gesellschaftlich engagierte Gruppen, wie Umweltverbände, Gewerkschaften usw. sich mit TTIP auseinandersetzen, ist der Widerstand groß. Da wo keine solche Auseinandersetzung stattfinde, da folgen die Lämmer noch den Lügen der Hirten.

      • @Georg Marder:

        Ein großer Handelsblock von 800 Mill. wird Standards definieren gegen die Umweltsünder in China und Indien.

        • @Gabriel Renoir:

          Ach, die Amis und Europäer sind die Umwelt-Heiligen, Indien und China die Sünder. Sie vergessen dabei, dass auch die westlichen Industrieländer irgendwann mal an dem Punkt waren, wo auf die Umwelt keine Rücksicht genommen wurde und nur intensiver Bürgerprotest hat eine Änderung bewirkt. Wenn nun gegen die sich entwickelnden Staaten eine Front gebildet wird mit dem Ziel, sie zu übervorteilen, werden die nicht unbedingt die Möglichkeit haben, ihre Umweltstandards zu verbessern, sondern im Gegenteil, unter dem Druck der Konkurrenz doch eher wieder zurückfallen, auch was Löhne und Arbeitnehmerrechte betrifft.

        • @Gabriel Renoir:

          Erst mal vor der eigenen Haustür kehren. Größte Umweltsünder sind die USA & Willige.

          • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

            Größter Umweltsünder ist China.

        • @Gabriel Renoir:

          Mit dieser Art von Handelsverträgen, für die TTIP steht, geschieht genau das nicht. Das einzige, was TTIP will, ist die Macht der transatlantischen Wirtschaft gegenüber CHINA aufrechtzuerhalten - dabei spielen Umweltstandards nun wirklich keine Rolle! Das Denken ist es, das krank ist. Es braucht eine andere Art von Handelsvereinbarungen, die eben auch die Bürgerinteressen nach gesunder Umwelt, nach Absicherung der Mitwirkungspflichten, nach fairen Arbeitsbedingungen etc. einbeziehen. Aber TTIP ist Stellvertreter für eine Handelspolitik, die alle diese Interessen mit den Füßen tritt. Weg damit, radikal umdenken und dann neu anfangen!

        • @Gabriel Renoir:

          wenn es nur darum ginge wäre ja alles ok

          • @Co-Bold:

            Wäre es nicht. Man kann nicht anderen verbieten, was man selber seit Jahrhunderten massivst betreibt.