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Anti-Covid-19-Impfdosen für die EUImpfschuss ins Blaue

Ingo Arzt
Kommentar von Ingo Arzt

Um das Wettrennen der Forscher um Impfstoffe zu finanzieren, muss öffentliches Geld eingesetzt werden.

Bei der Suche nach einem Impfstoff geht es nicht zuletzt um sehr viel Geld Foto: dpa

D eutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande bestellen bis zu 400 Millionen Impfdosen beim Pharmakonzern AstraZeneca gegen Covid-19. Jetzt könnte man natürlich herumpöbeln: Sind die doof, vielleicht wirkt er überhaupt nicht. Der Wirkstoff AZD1222 ist erst an 1.000 Personen erprobt; und ein derzeit anlaufender Test mit 10.000 Proband*innen könnte eine schlechte Wirksamkeit erbringen oder schlicht keine Aussage liefern, weil sich zu wenige der Testenden überhaupt mit dem neuen Coronavirus infizieren. Oder sind die gar korrupt? BlackRock ist bei AstraZeneca Aktionär. Politik, Pharma, Finanzindustrie – typisch Panikprofiteure. Kennt man schon: Bei der Schweinegrippe 2009 hatte Deutschland Millionen Impfdosen bezahlt und unbenutzt verbrannt.

So etwas, in sozialen Medien gerade viel geäußert, ist Unsinn. Das pandemische Influenzavirus A(H1N1) von 2009, die Schweinegrippe, forderte hierzulande 350 Todesopfer; das neue Coronavirus ist dagegen viel gefährlicher. Gegen das gezwungenermaßen öffentliches Geld eingesetzt werden muss, um das Wettrennen von Forschern und damit Investoren und Konzernen um Impfstoffe und Behandlungen zu finanzieren. Profiteure sind hinzunehmen.

Solche Verträge, wie sie jetzt Bundesgesundheitsminster Jens Spahn im Namen der Impfallianz verkündet hat, sind trotzdem extrem riskant. Sollte das Mittel aus Oxford nutzlos sein, dann wäre der Schaden immens: Weltweit hätten sich Regierungen blamiert, wichtige Produktionsanlagen wären umgerüstet und für andere Impfstoffe möglicherweise vorläufig blockiert.

Ein Problem sind die Vorabverträge auch, weil Impfstoffe ohnehin oft erst an die reichen Länder gehen. Großbritannien hat sich schon im April ein Erstkaufrecht gesichert. Doch sicher ist die Ungleichheit nicht: Patente und Knowhow liegen bei der Universität Oxford und damit in öffentlicher Hand. Bis Ende des Jahres sollen auch 400 Millionen Impfdosen an ärmere Länder gehen. Es gilt zu hoffen, dass AZD1222 wirkt und gerecht verteilt wird. Alles andere ist dummer Zynismus.

Hinweis: In einer früheren Version des Textes war die Rede von 320 Personen, an denen der Wirkstoff AZD1222 erprobt worden sei. Die richtige Zahl ist 1.000. Wir haben den Fehler korrigiert.

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Ingo Arzt
ehem. Wirtschaftsredakteur
Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.
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11 Kommentare

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  • Dass die taz und darin ausgerechnet Ingo Arzt nun schreibt "Profiteure sind hinzunehmen" finde ich dramatisch!

  • Es ist wohl langsam mal an der Zeit, dass gewisse Dinge nicht mehr durch den Markt geregelt werden, sondern in staatlicher Hand sind. So z.B. auch die Forschung nach Impfstoffen.

    • @3009nico:

      Also verabschiedet sich Europa auch aus diesem Feld.

    • @3009nico:

      Genau.

    • @3009nico:

      Genau.

  • Liest man sich die Beschreibungen der Impftheorien durch, stellt man fest, dass diese zum Ziel haben, die "Krönchen" des Virus nachbilden – einmal direkt durch deaktivierten Virus, einmal in den Zellen der Geimpften.



    Aus der Idee, dass das Immunsystem die Krönchen erkennt, erhofft man sich Immunität.

    Nun ist ein Coronavirus aber gar nichts neues für den Menschen. Nur der aktuelle Typus ist es angeblich. Soll heißen: Mit den "Krönchen" hat fast jeder bereits Kontakt gehabt. Wieso soll dann ein Impfstoff schaffen, was natürlicherweise nicht funktioniert – nämlich eine lebenslange Immunität gegen ein Erkältungsvirus zu entwickeln? Bei Testaffen ht es schon einmal nicht funktioniert: www.dailymail.co.u...-experts-warn.html, und von den 15 Probanden der Moderna-Studie erlebten 3 gravierende Nebenwirkungen bis hin zu hohem Fieber mit Ohnmachtsanfällen: investors.modernat...a-its-mrna-vaccine.

    Würde verantwortungsvoller Umgang mit Steuergeldern und der Beweis, aus den Hysterien und Fehlinvestitionen hinsichtlich Schweine- und Vogelgrippe gelernt zu haben, nicht viel eher darin bestehen, erst zu kaufen, wenn ein Medikament auf Sicherheit und Wirksamkeit getestet wurde?



    Ich sehe hier in der Tat ein Wiederholen der vergangenen Fehler.

    Ja, es sind in diesem Jahr laut offiziellen Zahlen mehr Menschen gestorben, bei denen ein ungeprüfter Test positiv gemeldet hat. Eine Übersterblichkeit seit Anfang des Jahres gab es nur in wenigen Ländern – die allermeisten europäischen Länder haben weniger Tote als im Jahresschnitt zu verzeichnen.

    Und, was interessanterweise nie aufgegriffen wird: Wie viele Todesfälle durch die ganz normale Grippe haben wir zu verzeichnen? Bitte mal beim RKI nachschlagen. Wunderbarerweise hat Corona offenbar die Grippe besiegt. Ein Wunder? Oder einseitige Interpretation?

    • @BvW:

      Danke!

    • @BvW:

      Krudes Cocktail, das Sie da verabreichen:

      (1) Krönchen. Die sind anders, als die der uns bekannten Coronaviren. Sonst wären wir, wie Sie sagen, immun.

      (2) Daily Mail link: der deutet darauf hin, dass der Test bei den Rhesusaffen keine nachweisbare Immunität hergestellt hat: gut möglich, vielleicht funktioniert die Oxford-Impfung (ChAdOx1) gar nicht. Hat mit (1) aber rein gar nichts zu tun.

      (3) Die Moderna-Studie zeigt keine Nebenwirkungen für die Kohorte mit der 10µg-Dosis, einmal bei der 25µg-Kohorte und dreimal bei der 100µg. Wo Sie das mit dem "hohen Fieber" und den "Ohnmachtsanfällen" her haben... ist mir ein Rätsel.

      (4) Das mit der Schweinegrippe hätte durchaus anders ausgehen können. Hier [1], falls Ihnen mal langweilig ist. Jedenfalls ärgern sich die Französ*innen darüber, dass sie erst kürzlich die knappe Milliarde Masken, die sie 2005 nach SARS gebunkert hatten, verbrannt haben.

      (5) Was zum Kuckuk ist ein "ungeprüfter Test"?

      (6) Untersterblichkeit in europäischen Ländern? Das widerspricht so sehr den meisten Nachrichten da draussen, dass ich es Ihnen nur glaube, wenn Sie was handfestes liefern. Einfach behaupten is' nich.

      (7) Grippe. Kann gut sein, dass die Anzahl an Influenzafällen etwas abgesenkt ist, das habe ich nicht überprüft. Schliesslich sind die Massnahmen, die gegen Corona helfen dieselben. Andererseits werde ich, nachdem ich durch Ihren Post durch bin eher auf Probleme mit Ihrem Leseverständnis tippen. Zeigen Sie also erst, wo Sie das her haben. Pics or it didn't happen.

      Empfehlung: bleiben Sie bei einer Sache. Gehen Sie ihr auf den Grund. Mixen Sie nicht.

      [1] www.zdf.de/kinder/...geparadox-100.html

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @BvW:

      "Wunderbarerweise hat Corona offenbar die Grippe besiegt. "

      Nicht nur das! Ich war diese Jahr noch kein einziges Mal erkältet.

      Was Kontaktbeschränkungen und Abstand doch so positives mit sich bringen!

      Das erinnert an Zeiten, als die Menschheit noch pumperl gesund war. Als man das Tier erlegt und schnell gegessen hat - und nicht mit ihm zusammengelebt hat.

      Wer hätte gedacht, das durch Schweine und Hühner mehr Menschen ums Leben kommen als durch Wölfe, Bären und Säbelzahntiger.

      Aber gottseidank gibt es Impfstoffe - die sie nicht nehmen brauchen, aber bezahlen müssen. Damit auch sie durch uns geschützt sind.

    • @BvW:

      Ich empfehle den Film, Profiteure der Angst von ARTE auf you tube.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Bei Pharmaindustrie bekommen die Meisten Schnappatmung.



    Weil, wenn es da korrupt zugeht, profitieren wenige.



    Bei der Bauindustrie oder der Autoindustrie, sind die Summen, die für Korruption oder Staatshilfen aufgewendet werden ungleich höher. Aber es profitieren Heerscharen davon.