Anti-Apartheids-Aktivistin erhält Auszeichnung: Südafrika ehrt Ruth Weiss
Die Aktivistin und Autorin wird für ihren „Beitrag zum Befreiungskampf“ gegen die Apartheid ausgezeichnet. Unser Autor kennt Ruth Weiss persönlich.
Am Freedom Day 2023 wurde Ruth Weiss – im hohen Alter von 98 Jahren – die wichtigste Auszeichnung verliehen, die das Land an Ausländer*innen zu vergeben hat: Den „Orden der Gefährten von OR Tambo“. Oliver R. Tambo war von 1967 bis 1991 Präsident des lange verbotenen African National Congress (ANC), und harrte lange im Exil aus.
Um diese Ehrung entgegenzunehmen, flog Ruth Weiss gemeinsam mit ihrem Sohn aus ihrer heutigen Heimat Dänemark ins südafrikanische Pretoria. Während der Verleihung verließ Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa in einer spontanen Geste das Podium, um ihr – die es mit ihrem Rollator nicht betreten konnte – entgegen zu kommen. Zum Grund der Ehrung hieß es: Ihr „Beitrag zum Befreiungskampf – ihre zahlreichen Schriften brachten die Ungerechtigkeiten in Südafrika ans Tageslicht. Sie war eine Quelle des Wissens für andere Journalist*innen und Aktivist*innen“.
Kurz vor ihrer Reise nach Pretoria schrieb Weiss nahen Freund*innen: „Das ist eine völlig unerwartete Überraschung!“ Und: „Ich denke nicht, dass ich das verdient habe. Ich saß nicht wie meine vom Geheimdienst ermordete Freundin Ruth First 180 Tage in einem Gefängnis und wurde nicht wie Albie Sachs in die Luft gesprengt. Ich war auch nicht wie Denis Goldberg 22 Jahre im Gefängnis. Ich war nur eine von vielen, die ihren kleinen Teil zum Ende der Apartheid beigetragen haben.“
Welche Rolle spielte Weiss im Kampf gegen die Apartheid?
Ruth Weiss, geboren 1924 im bayerischen Fürth in eine jüdische Familie, konnte mit den Eltern 1936 nach Südafrika fliehen. Schon früh empfand sie die Benachteiligung von Menschen mit nicht-weißer Hautfarbe in ihrer neuen Heimat als „schrecklich ungerecht“. Als junge Journalistin schrieb sie gegen die Politik der Apartheid an, wobei die Konsequenzen nicht lange auf sich warten ließen: Ab 1966 wurde sie zur „unerwünschten Person“ erklärt und durfte nach einem längeren Arbeitsaufenthalt in Sambia nicht mehr nach Südafrika zurückkehren.
So blieb sie zunächst länger in Sambia, freundete sich mit Präsident Kenneth Kaunda an und hielt nahen Kontakt mit der südafrikanischen Schriftstellerin Nadine Gordimer, der 1991 der Literatur-Nobelpreis verliehen wurde. Nach der Unabhängigkeit Simbabwes ab 1980 arbeitete sie zunächst in der dortigen Hauptstadt Harare.
Später fand sie Arbeit als Journalistin in England sowie in Deutschland, wo sie drei Jahre lang Leiterin der Afrika-Redaktion der Deutschen Welle in Köln war. Südafrika durfte sie erst 1990 wieder besuchen. Im Jahr 2010 wurde eine Realschule in Aschaffenburg nach ihr benannt und 2014 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Ihr abenteuerliches und mutiges Leben ist auch nachzulesen in ihrer Autobiografie „Wege im harten Gras“. Die nach ihr benannte Ruth-Weiss-Gesellschaft setzt sich für Toleranz und den Kampf gegen Rassismus ein.
Ich hatte das Privileg, sie persönlich erstmals 2005 kennenlernen zu dürfen. Damals kam sie – unangemeldet, ganz bodenständig – zu einer Schullesung, die ich in Münster veranstaltete. Sie hörte lange zu, interessierte sich für die Fragen der Schüler und Schülerinnen, bevor sie sich zum ersten Mal meldete und mit warmer, leiser Stimme zu mir sagte: „Ich bin Ruth Weiss und wollte Sie mal persönlich treffen“.
Einsatz endlich gewürdigt
Seitdem stehen wir in regelmäßiger freundschaftlicher Kommunikation, sie besuchte mehrfach unser Haus für benachteiligte Kinder, das wir vor vielen Jahren mit engagierten Erzieher*innen in einem Township bei Kapstadt gegründet hatten, und schrieb Beiträge für gemeinsame Bücher. Zuletzt gehörte sie zu den Erstunterzeichner*innen einer Petition an den Bundestag, die dafür war, in der Gedenkstunde zum Holocaust auch den Angehörigen sexueller Minderheiten als Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken – was 2023 zum ersten Mal geschah. Sie selbst sprach an dem Tag im NRW Landtag in Düsseldorf.
Nun wurde ihr lebenslanger Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden endlich auch in dem Land anerkannt und geehrt, aus dem sie 1966, vor 57 Jahren, ausgewiesen wurde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter