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Anti-AfD-Demo vor dem Bundestag„Eine Million sollten wir sein“

Rund 10.000 Menschen haben in Berlin gegen „Hass und Rassismus im Bundestag“ demonstriert. Viele fanden deutliche Worte Richtung AfD.

Bunt ist die Demo: gegene „Hass und Rassismus“, insbesondere aus der AfD Foto: dpa

Berlin taz | Ein bisschen enttäuscht ist sie, die ältere Dame, die am Rand der Kundgebung am Brandenburger Tor steht und wie viele andere hier eins der bunten Schilder in der Hand hält, die zu Beginn verteilt wurden, „Mein Herz schlägt für Vielfalt“ steht auf ihrem. „Eine Million sollten wir sein, das wäre das richtige Zeichen“, sagt sie zu ihrer Freundin, um dann gleich achselzuckend einzulenken: „Immerhin, das ist ja mal ein Anfang hier“.

Eine Million sind es nicht, die an diesem Sonntag in Berlin anlässlich des nahenden Bundestagseinzugs der AfD protestieren, aber eine große Demonstration ist es schon. Rund 10.000 Demonstranten dürften es sein, die Veranstalter beziffern die Teilnehmerzahl gar auf 12.000. „Gegen Hass und Rassismus im Bundestag“ ist das Motto der Veranstaltung, zu der unter anderem das Bündnis Aufstehen gegen Rassismus, die Kampagnenmacher von Campact, die Online-Petitions-Plattform Avaaz sowie zahlreiche zivilgesellschaftliche und linke Gruppen aufgerufen hatte.

Die Initiative zu der Demonstration kam von dem 23-jährigen Studenten Ali Can, der als Kind mit seiner Familie nach Deutschland kam und im letzten Jahr mit seiner „Hotline für besorgte Bürger“ Aufmerksamkeit auf sich zog, einem Projekt, das auf eine bessere Verständigung zwischen Rechtspopulisten und dem Rest der Gesellschaft zielte. „Wir möchten uns versöhnen, wir appellieren an alle Menschen, dass sie zur Vernunft kommen und ihre Herzen öffnen“, sagte er auf der Auftaktkundgebung.

Andere fanden klarere Worte in Richtung AfD, etwa der Campact-Chef Christoph Bautz, der die Anwesenden dazu aufrief nicht zuzulassen, „dass Nazis und Faschisten unsere Gesellschaft zersetzen“. Auch Bautz betonte allerdings, es handele sich nicht um eine Demonstration gegen die AfD, schließlich sei diese eine demokratisch gewählte Partei – Rechtsextreme im Bundestag dürften aber nicht unwidersprochen bleiben. Bautz appellierte außerdem an die anderen Parteien, sich nicht „von der AfD nach rechts treiben“ zu lassen und forderte insbesondere die Grünen auf, den Familiennachzug für Flüchtlinge in den laufenden Koalitionsverhandlungen durchzusetzen.

Entsprechend der inhaltlichen Ausrichtung der Demonstration erinnerte auch das Publikum insgesamt stärker an das einer TTIP-Demo als an eine Antifa-Veranstaltung, doch es gab auch jüngere, linksradikale Menschen unter den Teilnehmern. Dass es in den sozialen Bewegungen durchaus Differenzen dazu gibt, wie der richtige politische Umgang mit der AfD aussieht, wurde auch an dieser Demonstration deutlich: Der „demokratische Dialog“ dürfe nicht abreißen, betonte ein Redner, „mit der AfD müssen wir nicht reden, sondern uns ihr entschlossen entgegen stellen“, hieß es hingegen in einem anderen Beitrag.

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10 Kommentare

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  • "Auch Bautz betonte allerdings, es handele sich nicht um eine Demonstration gegen die AfD, schließlich sei diese eine demokratisch gewählte Partei – Rechtsextreme im Bundestag dürften aber nicht unwidersprochen bleiben."

     

    Demokratisch gewählt heißt noch lange nicht demokratisch und nicht rechtsextrem. Um eine Partei in Deutschland zu verbieten, gibt es zu hohe Hürden. Der Verbot der NPD ist z. B. an der Verhältnismäßigkeit gescheitert.

     

    Mehrere Politiker von AfD haben mehrmals öffentlich ausgesagt, dass es in Deutschland noch zum Bürgerkrieg kommen kann. Wer solche Aussagen macht, sollte von Behörden wie Verfassungsschutz genauer unter die Lupe genommen werden!

  • Ich gehe davon aus, dass die Spaßpartei um Boris Höcke uns mit allerlei unfreiwilligen Clownerien und Fremdschamexponaten beglücken wird und freue mich bereits auf deren satirische Aufarbeitung.

     

    Ich vermute mal, dass der Arbeitsethos und -output der AfD im Bundestag ebenso hanebüchen sein wird wie in den Landesparlamenten und hoffe, dass das in den "Mainstreammedien" dann auch adäquat dargestellt wird.

     

    Schade nur, dass diese Gurkentruppe wahrscheinlich viel mehr Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird als nötig. Und davon profitiert dann die Regierung, von der ja auch viel Unfug zu erwarten sein wird.

  • Bunt ist die Demo nicht wirklich. Alle Schilder, Buchstaben, Sätze, Farben sind streng genormt. Sie kommen vermutlich alle aus derselben Druckerei. Dazwischen Jamaika-Flaggen als Werbung für die zukünftige Royal Family.

    http://www.deutschlandfunk.de/media/thumbs/0/0d89da4550c53da9b7f05a9eecbcef09v1_max_720x405_b3535db83dc50e27c1bb1392364c95a2.jpg?key=57ba2e

  • Eine Demonstration der Selbstvergötzer. Risikolos, mutlos, selbstgerecht. Mainstream eben. Bloß nicht mit den Rechten streiten. Vielleicht auch argumentationslos?

    • @Rolf B.:

      Es erfordert in D nun mal keinen Mut, seine Meinung öffentlich auf der Straße kundzutun. Dafür haben wir ein Demonstrationsrecht. Das ist eine feine Sache, und ich sehe nicht, was es daran rumzumäkeln gäbe.

       

      Mainstream finde ich, seine Meinung per Mausklick auf Petitionsseiten zu hinterlassen und ansonsten den Hintern nicht hoch zu kriegen.

    • @Rolf B.:

      Als Teilnehmer habe ich die Demonstranten als bunt, kreativ und charismatisch wahrgenommen. Ich finde es eher mutig, wenn Menschen für die eigene Überzeugung auf die Strasse gehen und demonstrieren. Die Agenda von heute war exakt eine Kampfansage - wir suchen gezielt die Auseinandersetzung und die Argumente lieferte heute unter anderem ein noch lebender Zeitzeuge. Diese Botschaft wurde direkt vor dem Bundestag verkündet. Ist es heute nicht eher Mainstream, zu Hause zu bleiben, leichtfertig zu urteilen und respektlos zu kommunizieren? Machen Sie sich doch selbst ein Bild - live vor Ort, bei einer der nächsten Demos, denn es wird weitere geben. Das war erst der Anfang!

  • "Auch Bautz betonte allerdings, es handele sich nicht um eine Demonstration gegen die AfD, schließlich sei diese eine demokratisch gewählte Partei..."

     

    Und da kann man ziemlich schnell in die Bredouille kommen. Wir leben in einer Demokratie, die sich selbst den Auftrag auferlegt hatte, sich den extremistischen politischen Umtrieb zu entledigen - es gibt Zulassungen und wenn es sein muss wird man vom Verfassungssschutz beobachtet oder sogar vom VerfG verboten. Gleiches gilt für Programmatik, mediale Äußerungen, Zeichen etc.

    Wenn wir jetzt alles bekämpfen, nicht auf der Bühne der politischen Konkurrenz, sondern auf der Straße, was nicht den 80% unter der Gaußschen Glocke des zugelassenen politischen Spektrums passt, dann machen wir uns und unser System der Heuchelei verdächtig.

  • 4G
    4225 (Profil gelöscht)

    Hat die Legislaturperiode denn überhaupt schon begonnen ? Wenn ich richtig gehör habe, will niemand neben der AfD sitzen ! Bei uns ins der Schule gehörte zur Integration, dass der Lehrer gute und schlechte Schüler in eine Bank gesetzt hat.

  • Und das schönste daran:

    Die Leute die da demonstrieren kehren nach der Veranstaltung zurück in ihre fast ausländerfreien Bildungsbürgermilieus in ihren Einfamilienhaussiedlungen, humanistischen Gymnasien, im Skiurlaub, im Geigenunterricht, auf Journalistenpreisverleihungen, in der Kreativszene und sonst wo.

     

    Köstlich...

    • @Sorsha:

      Und das wissen Sie jetzt woher? Oder behaupten Sie das einfach mal frech, ohne auch nur ein Krümelchen Beweis zu haben?