Angriffe gegen Serie „The Last of Us“: Nicht nur Action
Die HBO-Produktion „The Last of Us“ ist eine der Serien der Stunde. Doch auf Onlineplattformen macht ein homophober Mob gegen zwei Folgen Stimmung.
![Ein junges Mädchen und ein Mann schauen sich um, im Hintergrund eine zerstörte Stadt, im Vordergrund das Wrack eines Autos Ein junges Mädchen und ein Mann schauen sich um, im Hintergrund eine zerstörte Stadt, im Vordergrund das Wrack eines Autos](https://taz.de/picture/6134003/14/32323841-1.jpeg)
Bloß nicht noch eine Zombie-Serie! Das dürften sich viele Serien-Enthusiast*innen gedacht haben, als HBO mit „The Last of Us“ sein nächstes Prestigeprojekt an den Start brachte. Allerdings nur solche, die sich vorab nicht mit der Videospielreihe auseinandergesetzt haben, die hier unter der Leitung von Craig Mazin („Chernobyl“) und Entwickler Neil Druckmann adaptiert wird. Denn die Handlung interessiert sich in erster Linie nicht für den repetitiven Kampf gegen die durch eine Pilzinfektion mutierten Kreaturen.
Natürlich gibt es diese Action auch in „The Last of Us“. Die Rahmenerzählung folgt den Protagonisten Joel (Pedro Pascal) und der gegen die Infektion immunen 14-jährigen Ellie (Bella Ramsey) dabei, wie sie durch die USA streifen. Das Land ist längst in unterschiedlich organisierte Kolonien zerfallen.
Doch das Hauptaugenmerk des Stoffes richtet sich seit jeher auf das Erzählen von sozialen Beziehungen. Damit setzte schon das Spiel im Gaming-Bereich neue Maßstäbe. Mit psychologischem Tiefgang imaginieren sowohl die Videospiele als auch die vorlagentreue Serie, was es heißt, sich in einem neuen, postapokalyptischen Normal einrichten zu müssen.
Diese Mischung aus Survival-Horror und zwischenmenschlichen Betrachtungen sorgt für den enormen Erfolg der Serie. Wie schon der HBO-Megahit „Game of Thrones“ spricht sie ganz unterschiedliche Zielgruppen durch die Mischung aus spektakulär inszenierten Schauwerten und narrativer Raffinesse an.
Reviewbombing bei der dritten Episode
Doch einzelne Folgen der neunteiligen Serie erfahren vor allem online Kritik. Das liegt wohl auch daran, dass sich ein Teil des Publikums in erster Linie für Zombie-Action und den im klassischen Sinne maskulin-heldenhaften Joel interessiert. Folgen, die sich nicht nur Emotionalerem im Allgemeinen, sondern homosexuellem Begehren im Besonderen zuwenden, kommen bei ihnen dementsprechend schlecht an.
Die dritte Episode von „The Last of Us“ erfuhr aus diesem Grund ein Reviewbombing. Das heißt: eine gezielte Negativwertung auf Medienportalen. „Liebe mich, wie ich es will“ funktioniert, als Retrospektive ins Jahr 2003 und dadurch als alleinstehende Erzählung. Bei Ausbruch der Pandemie sind dem eigenbrötlerischen Bill (Nick Offerman) seine Prepper-Fähigkeiten endlich von Nutzen.
Er ist ein Waffennarr und glaubt an Verschwörungserzählungen. Akribisch errichtet er eine durch Stacheldraht, Selbstschussanlage und Fallgruben geschützte Selbstversorgerhochburg. Eines Tages entdeckt er in einer Grube einen Fremden: Frank (Murray Bartlett). Sachte lässt „The Last of Us“ nach und nach hinter Bills abschreckende Fassade blicken – und enttarnt die Abgeklärtheit als Konsequenz seiner lebenslangen Einsamkeit. Durch Franks Zuneigung wird sie schließlich aufgebrochen.
Die sensible Inszenierung dieser Jahrzente umspannenden Liebesgeschichte zwischen den beiden Männern wurde von der Fachkritik in höchsten Tönen gelobt und sogar als womöglich schönste Serienerzählung über queere Liebe bezeichnet.
Vorwurf von „Ideologie“ und „Agenda“
Dennoch fällt die User-Bewertung der Folge auf „Metacritic“ mit nur 5,2 von zehn möglichen Punkten auffallend gering aus. Bei der Online-Filmdatenbank „IMDb“ hat über ein Viertel der Nutzer*innen nur einen von zehn möglichen Sternen vergeben. In den Kommentaren ist wiederholt von „Ideologie“ und „Agenda“ die Rede. Andere werden in ihrer Wut darüber, nicht nur Action-Szenen, sondern auch einer homosexuellen Liebesgeschichte „ausgesetzt“ worden zu sein, noch wesentlich ausfälliger.
Wie verbreitet die geringe Bereitschaft dazu ist, sich selbst an einer meisterlich erzählten Romanze zu erfreuen, sobald sie sich um ein nicht-heterosexuelles Paar dreht, verdeutlicht das Beispiel des Filmemachers Paul Schrader noch besser als der anonyme Internet-Mob. Das „New Hollywood“-Urgestein bezeichnet sie abfällig als „superschmalziges Gay-Bro-Euthanasie-Melodram“.
Als Autor von ikonischen Filmen wie „Taxi Driver“, aber auch in Werken wie „First Reformed“ und „The Card Counter“ kommt er immer wieder auf denselben männlichen Figurentypus zurück: Seine Protagonisten stürzen sich, überzeugt von der Schlechtheit der Welt, in Einsamkeit, werden darin allmählich verrückt – und schöpfen neuen Lebensmut, sobald sich die Hoffnung auf Verbundenheit auftut.
Genauso funktioniert auch Bills Geschichte. Es ist erstaunlich, dass Schrader die Parallelen zu seinem eigenen künstlerischen Schaffen nicht erkennt. Man fragt sich: Wäre Schraders Blick ein anderer, wenn es keine gleichgeschlechtliche Liebe ist, die zur Erlösung aus der Isolation führt?
Leidiges Muster
Ob in der Causa Schrader oder bei besagtem Reviewbombing: Ein Gros der Kommentierenden führt die Ablehnung nicht offen auf ein homophobes Sentiment zurück. Doch die Tatsache, dass sich das Prozedere bei der siebten Episode erneut wiederholte, legt nahe, dass sehr wohl Queerfeindlichkeit dahintersteckt.
In „Zurückgelassen“ wird, ebenfalls in einer Rückschau, von Ellies erster Verliebtheit in ihre beste Freundin Riley (Storm Reid) erzählt. Mit einer ganz ähnlichen Metacritic-Wertung fällt auch diese Episode gegenüber einer insgesamt exzellent bewerteten Staffel ab.
So leidig dieses Muster ist, ist Mitleid doch angebrachter als Aufregung: Wer auf das Zärtliche nur mit Hass zu reagieren weiß, dürfte sich allgemein schwer damit tun, das wahrlich Schöne im Leben zu sehen. Und außerdem ist die zweite Staffel von „The Last of Us“ ohnehin schon bestätigt. Wer mit dem Inhalt der Videospielreihe vertraut ist, weiß, dass sie den Engstirnigen und Ewiggestrigen noch viel mehr „abverlangen“ wird.
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