Angela Merkel vor dem EU-Parlament: Unter Beifall und Buhrufen
Die Kanzlerin fordert in Straßburg, die Pläne einer EU-Armee weiter zu verfolgen. Noch-Kommissionschef Jean-Claude Juncker regiert begeistert.
Sie verwies auf die über 160 europäischen Waffensysteme, die nicht mehr zeitgemäß seien. Neben gemeinsamen Waffensystemen sei auch eine gemeinsame Rüstungsexportpolitik nötig. Außerdem betonte die Noch-CDU-Vorsitzende die symbolische Bedeutung: „Eine gemeinsame europäische Armee würde der Welt zeigen, dass es zwischen den europäischen Ländern nie wieder Krieg gibt.“ Wie die EU-Armee geschaffen werden könnte, ließ Merkel offen.
Die Debatte über eine europäische Armee hat in den vergangenen Tagen an Fahrt aufgenommen und für Streit mit US-Präsident Donald Trump gesorgt. Trump hatte es am Rande der Feierlichkeiten zum Ende des 1. Weltkriegs als „sehr beleidigend“ bezeichnet, dass Macron ein europäisches Militär aufbauen will, um sich von den USA unabhängig zu machen. Russlands Präsident Wladimir Putin hingegen reagierte gelassen: Es sei „ganz normal, dass es (Europa) unabhängig, selbstständig und souverän in Sachen Sicherheit und Verteidigung sein will“.
Macron möchte zunächst eine schlagkräftige Interventionstruppe aufbauen, außerhalb EU und Nato. In einem zweiten Schritt könnte daraus eine europäische Armee entstehen. Demgegenüber versucht Merkel, die militärische Integration innerhalb von EU und Nato voranzutreiben – und der Bundeswehr dabei eine zentrale Rolle zu sichern.
Merkel will Einstimmigkeitsprinzip aufgeben
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker reagierte begeistert auf den Vorstoß der Kanzlerin. „Ich bin massivst einverstanden“, sagte der Luxemburger. Juncker lobte Merkel auch für ihre Flüchtlingspolitik. „Die Geschichte gibt Ihnen recht, dass Sie die Grenze nicht geschlossen haben“, sagte er.
Allerdings wünsche er sich mehr Einsatz für die Reform der Eurozone. „Dann wären Sie noch größer“, sagte Juncker, der Merkels Politik auch im Schuldenstreit um Griechenland oder während der Flüchtlingskrise 2015 unterstützt hat.
Um ihre Militärpläne voranzutreiben, möchte Merkel das Einstimmigkeitsprinzip in der EU-Außenpolitik aufgeben. „Wir müssen unser Schicksal stärker in die eigene Hand nehmen und auf Einstimmigkeit verzichten, wo immer das möglich ist“, sagte sie. Vor allem kleine EU-Staaten sind aber strikt gegen den Übergang zu Mehrheitsentscheidungen in der Außen- und Sicherheitspolitik. Auch deshalb dürfte es über die europäische Armee noch viel Streit geben.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Der Jahrestag der Ukraine-Invasion
Warum Russland verlieren wird
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Sieger des rassistischen Wahlkampfes
Rechte Parolen wirken – für die AfD
Alles zur Bundestagswahl
Grüne Manöver vor dem Wechsel
Alles zur Bundestagswahl
Lindner und die FDP verabschieden sich aus der Politik
Nach der Bundestagswahl
Jetzt kommt es auf den Kanzler an