Angeklagt wegen Korruption: Lebenslang droht ihr nur in der Ehe
Eine Agentur richtete die Hochzeit der Ex-Senatorin Dilek Kalayci aus und bekam Staatsaufträge. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Möglicherweise hat die Agentur deren Wünsche in einem Fall etwas zu wörtlich erfüllt. Denn nun hat die Staatsanwaltschaft gleichzeitig gegen den Chef der PR- und Werbeagentur und gegen die ehemalige Senatorin Dilek Kalayci (SPD) Anklage erhoben. Kalayci wird demnach Bestechlichkeit vorgeworfen, dem Agenturchef im Gegenzug Bestechung.
Die Agentur soll Kalaycis Hochzeitsfeier im Mai 2019 geplant und organisiert haben, doch sie habe dafür nie eine Rechnung gestellt und auch kein Geld erhalten. Laut Anklage habe die Agentur die Hochzeit kostenlos ausgerichtet, „in der wechselseitigen Annahme“, dass sie dadurch Aufträge von der Senatsverwaltung erhalten würde.
Kalayci, als damalige Gesundheitssenatorin, habe dann „befördert“, dass die Agentur 2020 einen Auftrag für eine Werbekampagne „Pflege deine Zukunft“ erhielt. Mit der 2021 veröffentlichten Kampagne sollen junge Menschen dafür gewonnen werden, sich zur Pflegefachkraft ausbilden zu lassen.
Auch privater Gewinn
Die Agentur soll dafür von der Senatsverwaltung Zuwendungen von rund 267.830 Euro erhalten haben. Laut Staatsanwaltschaft sprang dabei wohl auch für den Leiter noch etwas heraus: Er soll dabei einen Gewinn von geschätzten 9.450 Euro für sich und gut 7.400 Euro für seine Agentur erzielt haben.
Die Generalstaatsanwaltschaft hatte die Anklage am Sonntagnachmittag öffentlich gemacht, der Tagesspiegel als erstes Blatt berichtet. Kalayci selbst äußerte sich nicht dazu. Eine von ihr beauftragte Anwaltskanzlei erklärte auf Anfrage der dpa, die Ex-Senatorin weise den gegen sie erhobenen Vorwurf nachdrücklich zurück. Die Staatsanwaltschaft hatte bereits im November 2021 das Verfahren gegen Kalayci und zwei weitere Verdächtige eingeleitet – zu einem Zeitpunkt, als sie noch Senatorin war.
Wer als Amtsträger bestechlich ist, kann laut Strafgesetzbuch zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren verurteilt werden, auf weniger schwere Fälle stehen bis zu drei Jahre oder eine Geldstrafe. Demnach ist schon der Versuch von Amtsträger*innen strafbar, einen Vorteil für eine künftige Diensthandlung zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen. Auch strafbar ist, sich als Amtsträger*in einer anderen Partei gegenüber bereit zu zeigen, dass man sich in seinem „eigenen Ermessen“ durch einen Vorteil beeinflussen lassen würde.
Ähnlich verhält es sich mit der anderen Seite – der Bestechung: Auch das Angebot, für eine Diensthandlung einen Vorteil zu gewähren, als Gegenleistung zu versprechen oder anzubieten, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Politisch beheimatet in Tempelhof-Schöneberg
Strahlend ist Kalayci, die damals noch Kolat hieß, bereits 2019 in mehreren von der Agentur verantworteten Videos in Szene gesetzt. Die Agentur begleitete damit einen Wettbewerb zwischen Nachwuchsköch*innen, die Senatorin war Teil der Jury.
Kalayci war ab 2001 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und ab 2011 Senatorin – erst für Arbeit, Integration und Frauen, 2016 bis 2021 für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung. Außerdem war sie von 2004 bis 2018 Kreisvorsitzende der SPD von Tempelhof-Schöneberg – dem Bezirk, dessen Wünschen sich die Agentur mehrfach annahm.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus