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Angebliche Clankriminalität in HamburgDiffamiert und stigmatisiert

André Zuschlag
Kommentar von André Zuschlag

Die Forderung der Hamburger CDU nach mehr Razzien in Shishabars ist Unsinn. Es entbehrt der Realität und fördert noch Vorurteile.

Razzia in einer Shishabar in Bochum voriges Jahr: Die CDU will auch in Hamburg mehr davon Foto: Bernd Thissen/dpa

D as Bild hat sich festgesetzt: Da sitzen sie, die kleinen und großen Gangster, nuckeln an ihren Shishas und besprechen derweil ihre illegalen Machenschaften. Nur: Das sind Bilder aus Serien wie „4 Blocks“ oder „Dogs of Berlin“, die anscheinend eine Menge Leute für die Realität halten. Mit schauriger Erregung wird die angebliche „Clankriminalität“ hochgejazzt, als gäbe es keine anderen Probleme. Vielmehr sind genau diese Vorstellungen das Problem.

Immer mehr wird am vorurteilsbeladenen Bild von kriminellen Ausländer*innen gebastelt. Jede Razzia in einer Shishabar, die öffentlichkeitswirksam aufbereitet wird, festigt das Bild. Die Hamburger CDU spielt das Spiel nun mit: Es sei doch klar, dass die Shishabars Aufenthalts- und Rückzugsort krimineller Clanmitglieder seien.

Dabei stellen selbst Veröffentlichungen der Polizei heraus, dass „Clankriminalität“ in Bezug zur Gesamtkriminalität kaum ins Gewicht fällt. Dagegen trifft sie das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung aber besonders stark. Mit Forderungen nach Razzien in Shishabars soll der Öffentlichkeit signalisiert werden, alles im Griff zu haben und für Ordnung sorgen zu können.

Was bei den Razzien, wie sie besonders in Nordrhein-Westfalen und Berlin seit einiger Zeit stattfinden, meist herauskommt, sind ein paar Ordnungswidrigkeiten: unverzollter Tabak, Hygienemängel und ähnliche Verstöße werden als Erfolg und Bestätigung für eine Razzia gewertet.

Was bei solchen Razzien meist herauskommt: ein paar Ordnungswidrigkeiten

Für die Beitreiber*innen ist es eine klare Ansage, die transportiert wird: Ihr und eure Gäste seid kriminell, das wird euch schon noch nachgewiesen. Diffamiert und stigmatisiert werden sie, ohne sich ernsthaft wehren zu können.

Es gibt auch in Hamburg einige Shishabar-Betreiber, die sich von der Polizei schikaniert fühlen. Doch die wenigsten wollen das öffentlich sagen. Ihre Befürchtung: Als Reaktion gibt es kurz darauf eine weitere Razzia, in der Dutzende Beamt*innen das Lokal stürmen. Wer hat darauf schon Bock?

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André Zuschlag
Redakteur taz nord
Jahrgang 1991, hat Politik und Geschichte in Göttingen, Bologna und Hamburg studiert. Von 2020 bis August 2022 Volontär der taz nord in Hamburg, seither dort Redakteur und Chef vom Dienst. Schreibt meist über Politik und Soziales in Hamburg und Norddeutschland.
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21 Kommentare

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  • Wer hat auf solche taz-Artikel schon Bock? Dieser Beitrag ist ein Paradebeispiel für Nicht-Journalismus. Ich fasse zusammen: Clan Kriminalität? Die gibts doch gar nicht. Sind alles nur rassistische Vorurteile. Außer ein paar Ordnungswidrigkeiten ist da nix. Sagt doch sogar die Polizei ... Letzteres kann der Autor sicher belegen, oder? Muss ich seinen Job machen? Ein paar Quellen findet man hier: de.m.wikipedia.org...-Kriminalit%C3%A4t



    Was passiert, wenn man diese Form der organisierten Kriminalität dauerhaft unterschätzt, kann man hier nachlesen:



    www.fr.de/panorama...smus-90051482.html

    • @Running Man:

      "Wer hat auf solche taz-Artikel schon Bock?" Der Teil der Leserschaft ,welcher u.a. an die Taz gerichtet schreibt:"Hören Sie auf mit der rassistischen Berichterstattung unter dem Vorwand der „Clan-Kriminalität“! "( Hier im Thread zu finden:



      rostrotrostrock heute 1:16 Uhr)



      Es geht doch gar nicht um neutrale objektive Informationen und Fakten zu einem Thema,sondern man möchte seine(einzig wahre) Weltsicht bestätigt haben.Amen.

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Ich finde auch, dass die Clankultur eine Bereicherung für die Gesellschaft ist. Muss man hat mal einfach mit klarkommen.

  • Guter Artikel! Nur müsste es in derÜberschrift lauten: Die Forderung der Hamburger CDU nach NOCH mehr Razzien in Shishabars ist Unsinn.



    Die Stuation in NRW beschreibt ein unveröffentlichter Leserbrief aus dem VVN an die Ruhrnachrichten, den ich hier zitiere:



    "Es wird gegen Personen wegen Straftaten ermittelt, sie werden überführt, verurteilt, geraten in den Strafvollzug. Das ist meist keiner besonderen Erwähnung wert. Nicht so, wenn es sich um „türkisch- oder arabischstämmige“ Menschen handelt. Dann wird ihre ganze Familie oder ihre vermeintliche Familie in Mithaftung genommen. Für sie hat sich unser NRW-Innenminister den Namen Clan ausgedacht.

    Am Dienstag berichtet Ihre Zeitung (Ruhrnachrichten) an drei prominenten Stellen z. T. halbseitig über die Clan-Kriminalität. Das Kriminelle dieser „Clans“ besteht offenbar darin, bestimmte Namen zu tragen, die Sie auch nennen – ein ungeheuerlicher Vorgang. (Bei Nazis schriebt man immer Marco.G. oder so). Was meinen Sie wie es den Kindern, die solche Namen tragen, nun in den Schulen ergeht? Hören Sie auf mit der rassistischen Berichterstattung unter dem Vorwand der „Clan-Kriminalität“! Und schließlich: Wie wäre es mal mit einer Berichterstattung über „deutschstämmige“ Clans, über die Krupps, die Quandts, die Flicks? Es gibt Träger dieser Namen, die hatten nachweislich Vorfahren, welche aus Sklaven, genannt Fremdarbeiter, ungeheure Summen herauspressten. Das Kapital daraus ging an die Erben mit den genannten Namen – und es wurde nie eingezogen.



    Ulrich Sander, Dortmund"

    • @rostrotrostrock:

      Danke für den Beitrag. Ich hatte auch direkt an deutschstämmige "Clans" gedacht, über die ich in der Mainstreampresse noch nie etwas gelesen habe.



      Aber dann kommen eher solche Schlaumeier, wie der dieser "Running Man", der überhaupt nicht auf das eingeht, worum es in dem Artikel geht und stattdessen meint, er hätte besser recherchiert. Ich kann auch ausholen und mit der stillen Nazifizierung Deutschlands kommen, aber das hat keinen direkten Bezug zum Artikel.



      Deshalb Danke für Ihren Kommentar.

      Freundliche Grüße aus Hamburg

      Daniela Steup

      Kommentar bearbeitet. Bitte bleiben Sie sachlich.



      Die Moderation

    • @rostrotrostrock:

      "Das Kriminelle dieser „Clans“ besteht offenbar darin, bestimmte Namen zu tragen, die Sie auch nennen – ein ungeheuerlicher Vorgang."



      "Das Kriminelle" besteht in den Straftaten,die begangen werden. Nun ist auch nicht unbedingt jeder Angehörige der weit verzweigten Familien an daran beteiligt. Allerdings sind doch sehr sehr viele miteinander Verwandte "einschlägig tätig" , halten eng zusammen gegenüber Außenstehenden( Polizei,etc.) und in manchen Familien hat gibt es eine "Delinquentenkultur". Da gilt der Gefängnisaufenthalt der männlichen Mitglieder als obligatorisch und wichtige Stufe um ein "richtiger Mann" zu werden.



      Die Namensnennung bzw. Nichtnennung in der Berichtserstattung ist,wie der restliche "Pressekodex",eine freiwillige Angelegenheit und keine gesetzliche Verpflichtung. Ausgerechnet der TAZ "rassistische(n) Berichterstattung" vorzuwerfen ,ist etwas überzogen (hüstel).



      Was die deutschstämmigen Clans betrifft: Ich glaube in der Zeit der Existenz dieser Zeitung hat es schon so einige Berichte über diese gegeben.



      Ansonsten waren und sind diese Familien einfach besser in die Gesellschaft integriert- haben einfach die bessere "Vernetzung" - zudem geben sie sich nicht mit Peanuts ab,sondern es geht um Milliarden. Bei solchen Dimensionen gelten andere Gesetze und Vorstellungen. In Kürze: Die dürfen das ,solange es nicht zu offensichtlich ist.Man hat einfach bessere Manieren,während es bei den Clans in Sachen Benimm noch eine Menge Luft nach oben gibt.

  • "Dabei stellen selbst Veröffentlichungen der Polizei heraus, dass „Clankriminalität“ in Bezug zur Gesamtkriminalität kaum ins Gewicht fällt."

    Was wird da miteinander verglichen?



    Reine Zahlen ungeachtet ihrer Qualität? Mord mit dem Diebstahl eines Comic Heftes? Ist das eine Interpretation von Zahlen oder Wiedergabe einer Aussage einer Veröffentlichung der Polizei?

    Könnte der Autor hier bitte nachlegen und die Aussage überprüfbar machen?

  • Laut Antwort des Senats Hamburg auf eine Anfrage der CDU ist die organisierte Kriminalität kein Pappenstiel.

    "Die Strukturen der OK bedrohen die Wirtschaft und die öffentliche Sicherheit in erheblicher Weise; die Bandbreite der Geschäftsfelder beziehungsweise Delikte, die durch konspirativ und teilweise international vernetzte Banden begangen werden, wird immer größer. Es handelt sich vorwiegend um Taten aus den Bereichen Rauschgifthandel beziehungsweise -schmuggel, Krimina- lität im Zusammenhang mit Prostitution, Eigentumskriminalität, Geldwäsche, Kriminalität im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben, Steuer- oder Zoll- delikte, aber auch aus dem Deliktsbereich der Gewaltkriminalität.



    Die OK verursacht massive Schäden. Nach dem vom BKA veröffentlichten Bundeslagebild Organisierte Kriminalität betrug die für das Berichtsjahr 2018 von OK-Gruppierungen verursachte Gesamtschadenssumme in Deutschland rund 691 Millionen Euro (Hellfeld); es ist davon auszugehen, dass die tat- sächliche Schadenssumme noch weitaus höher ist.

    Gerade von der sogenannten Clankriminalität geht ein erhebliches und über einen sehr langen Zeitraum nicht ausreichend betrachtetes Gefährdungs- potenzial aus. Aus diesem Grund haben die Bundesländer Berlin, Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, in denen es seit Jahren zahlreiche kriminelle Großfamilien gibt, die es mit ihren illegalen Geschäften zu Macht und Reichtum gebracht haben, den Clans seit einiger Zeit verstärkt den Kampf angesagt. Nordrhein-Westfalen war dabei das erste Bundesland, das im Mai 2019 ein umfassendes Lagebild zur Clankriminalität vorlegte. Danach waren zwischen dem 1. Januar 2016 und dem 31. Dezember 2018 6.449 Tatverdächtige aus 104 türkisch-arabischstämmigen Großfamilien in NRW für 14.225 erfasste Straftaten verantwortlich."

  • Ich sach's mal so: Die CDU muss es ja schließlich wissen, hat sie doch seit Jahrzehnten immer schon die weitaus meisten vorbestraften Abgeordneten im Bundestag gehabt und war maßgeblich an politischen Weichenstellungen beteiligt, die von führenden Kriminalisten als Förderung der organisierten Kriminalität eingeordnet werden. Stichwort: Geldwäsche.

  • RS
    Ria Sauter

    Beuteland. Clans in Deutschland



    Lief bei der ARD.



    Sehr zu empfehlen zwecks Meinungsbildung.



    Es ist schon ein Land zum gut und gerne leben, angesichts des Zustandes unseres Justizsystems., für Kriminelle.



    Da bestätigt sich ein Vorurteil!

  • 7G
    75787 (Profil gelöscht)

    "Gebt mir ein Vorurteil, und ich werde die Welt bewegen." Gabriel Garcia Marquez

  • Ich wusste gar nicht, dass die CDU dafür zuständig ist. Dann aber auch Durchsuchungen in Pfarrhäusern und Kirchen.

  • Fakten/Berlin

    “Ein Fünftel aller von den Berliner Behörden geführten Verfahren zur Organisierten Kriminalität betreffen arabischstämmige Clans. Kriminelle Mitglieder bestimmter libanesisch- und arabischstämmiger Großfamilien waren in den vergangenen Jahren wegen diverser Straftaten verurteilt worden. Dazu gehörten Überfälle auf Schmuckabteilungen etwa im Luxuskaufhaus KaDeWe sowie spektakuläre Einbrüche in das Bode-Museum mit dem Diebstahl einer riesigen Goldmünze und in eine Sparkasse.

    Die Behörden gehen auch gegen den Versuch vor, die Erlöse aus Straftaten zu legalisieren. 2018 wurden 77 Immobilien von Angehörigen des Remmo-Clans mit einem Gesamtwert von 9,3 Millionen Euro sichergestellt (...)

    Weitere Einnahmequellen der Clans sind neben Drogenhandel und Koks-Taxis der Steuerbetrug beim Verkauf von Shishatabak, aber auch das Rotlichtmilieu. Und Rivalitäten zwischen Clan-Mitgliedern werden schon mal gewaltsam auf offener Straße mit Schusswaffen, Messern, Holzlatten und Macheten ausgetragen.

    Die Straftäter und die kriminellen Strukturen nutzen bei ihren Machenschaften auch ‘ihre Verbindungen zu speziellen Szenen wie Rockern, Türstehern, Rappern und Boxern sowie gewerbliche Aktivitäten, wie das Betreiben von Shisha-Bars, An- und Verkaufsgeschäften, Barber-Shops, Juweliergeschäften und Autovermietungen’, heißt es in dem Bericht. Die Clans seien in ‘ziemlich allen Betätigungsfeldern unterwegs’, sagte GdP-Landeschef Norbert Cioma. Über kriminelle Machenschaften ‘werden Milliarden Euro erwirtschaftet’.

    Es geht aber auch um Jugendkriminalität, verbotene Autorennen und ‘Tumultlagen’. Und wenn es zu Strafverfahren kommt, stellen die Ermittler fest, dass Zeugen und Opfer bedroht, eingeschüchtert oder mit Geld zum Schweigen gebracht werden. Zudem fällt den Ermittlern ‘konspiratives und dreistes Verhalten der Straftäter’ auf, wie etwas ‘das Ausspähen von Polizeiliegenschaften oder die Vernichtung und Entwendung von Beweismitteln’.”

    (Tagesspiegel 25.5.2020)

  • @ Lulu Schlawiner: In den 90er "wusste niemand", was Clankriminalität ist - das "wussten" nur die verschiedenen Familien der Mafia, die für das allgemeine Weggucken sehr dankbar waren. Wenn wir damals schon hingeguckt hätten, hätten wir heute die nötigen Rechtsmittel und Erfahrungen, um gegen Bandenkriminalität wirksamer vorgehen zu können. Shisha-Bars zu ärgern gehört eher nicht zu den wirksamen Maßnahmen.

  • @ Lulu Schlawiner: In den 90er "wusste niemand", was Clankriminalität ist - das "wussten" nur die verschiedenen Familien der Mafia, die für das allgemeine Weggucken sehr dankbar waren. Wenn wir damals schon hingeguckt hätten, hätten wir heute die nötigen Rechtsmittel und Erfahrungen, um gegen Bandenkriminalität wirksamer vorgehen zu können. Shisha-Bars zu ärgern gehört eher nicht zu den wirksamen Maßnahmen.

  • "Razzia"ist auch so ein Begriff, wo man mal darüber nachdenken sollte, ob man seinen Wortschatz nicht dekolonialisieren sollte.

    Der Begriff stammt aus dem Arabischen und bezeichnet einen Überfall - insbesondere von Sklavenjägern, um Sklaven zu erbeuten.

    Diesen Begriff bei rechtmäßigen Kontrollen der Polizei in einem demokratischen Staat zu verwenden, verharmlost Sklaverei.

    Vielleicht könnte die Taz da etwas sprachsensibler werden.

    • @rero:

      Man kann aber auch einfach Begriffe so verwenden, wie sie üblich sind. Egal woher sie stammen.

      • @Fabian Wetzel:

        Es geht doch danach ob sich irgendwer von einem Begriff diskriminiert fühlt. Ist das Zeitalter der Schneeflöckchen!

    • 0G
      06360 (Profil gelöscht)
      @rero:

      Respekt!



      You made my day.

  • "Dabei stellen selbst Veröffentlichungen der Polizei heraus, dass „Clankriminalität“ in Bezug zur Gesamtkriminalität kaum ins Gewicht fällt. "

    Wenn ich bedenke, dass niemand in den 90gern wußte was Clankrimminalität ist, finde ich den genannten Text wenig Aufschlussreich. Ist da nicht ein wenig Blauäugigkeit dabei?