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Andrej Holms Stasi-VergangenheitGelogen oder fehlinterpretiert?

Berlins Baustaatssekretär Andrej Holm gerät weiter unter Druck: Er räumte ein, dass er bei seinem früheren Uni-Job eine Stasi-Tätigkeit verneinte.

Stasi-Verpflichtung. Wie war noch mal die Frage? Foto: dpa

Berlin taz | Die Debatte um Andrej Holm, Staatssekretär für Stadtentwicklung in der neuen rot-rot-grünen Landesregierung in Berlin, hat eine neue Wendung genommen. Im Mittelpunkt steht nicht länger, ob ein Regierungsmitglied mit Stasi-Vergangenheit tragbar ist, sondern ob Holm diese Tätigkeit gegenüber der Berliner Humboldt-Universität (HU), seinem bisherigen Arbeitgeber, geleugnet hat. Am Mittwochabend hatte Holm vor Journalisten gesagt, dass er 2005 in einem Fragebogen der HU auf die Frage nach einer Stasi-Tätigkeit mit „Nein“ antwortete.

Die Linkspartei hatte den parteilosen Stadtsoziologen vergangene Woche als Staatssekretär vorgeschlagen, der Senat, die Berliner Landesregierung, beschloss seine Ernennung am Dienstag. Holm gilt als einer der bekanntesten Gentrifizierungsgegner – mit ihm wollte die Linkspartei ein klares Zeichen setzen, wohin die Bau- und Mietpolitik der rot-rot-grünen Koalition in den nächsten fünf Jahren gehen soll.

2007 hatte Holm in der taz öffentlich gemacht, dass er sich für eine hauptamtliche Tätigkeit beim Ministerium für Staatssicherheit (MfS) verpflichtete. Damals, wie bis vor einigen Tagen, aber will er gedacht haben, dass seine tatsächliche Arbeit bei der Staatssicherheit erst nach einer Grundausbildung im Stasi-Wachregiment „Feliks Dzierzynski“ 1989/90 beginnen sollte. Erst durch Einblick in Dokumente der Stasi-Unterlagenbehörde, veröffentlicht durch die B.Z. und Bild zu Wochenbeginn, soll ihm klar geworden sein, dass das anders war.

Die „Nein“-Antwort im Fragebogen bewertet Holm nicht als Lüge. „Ich habe keine falschen Angaben gemacht“, sagte er. Er habe aber, nicht wissentlich und vielleicht aus fehlender Detailkenntnis, falsche Angaben gemacht. Sein „Nein“ sah er dadurch relativiert, dass er in Klammern hinzugefügt habe: „siehe Wehrdienst“.

Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linkspartei) als seine Chefin sieht bislang keinen Grund, nicht an Holm festzuhalten. Er habe „glaubhaft machen können, dass er niemandem geschadet und niemanden bespitzelt hat“. Zudem wolle sie „das Vorliegen weiterer Unterlagen abwarten“. Zum „Nein“ zur MfS-Tätigkeit sagte sie: „Das zu bewerten – ist das eine Falschaussage oder nicht? – würde ich gern Juristen überlassen.“ Mögliche arbeitsrechtliche Konsequenzen festzustellen, sei Angelegenheit der HU.

Die rot-rot-grüne Koalition ist moralisch am Ende

Stefan Evers, CDU

Deren Pressesprecher Hans-Christoph Keller sagte der taz, man habe eine Anfrage bei der Stasi-Unterlagenbehörde gestellt: „Solange die Auskunft nicht vorliegt, wird sich die HU zu möglichen Konsequenzen nicht äußern.“

Die Berliner CDU sieht die neue rot-rot-grüne Koalition dagegen bereits „moralisch am Ende“. Das Schweigen von Regierungschef Michael Müller (SPD) nannte ihr Generalsekretär Stefan Evers „eine Zumutung“. Und die Grünen hätten „ihre Verwurzelung in der DDR-Bürgerrechtsbewegung offenbar über Bord geworfen“.

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13 Kommentare

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  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    18 Jahre alt und im Stasihaushalt aufgewachsen. Kurz danach war Schluß. Ende Gelände, 27 Jahre später !

  • Grüß Gott,

    ist es korrekt den Bundespräsidenten Lübke, der doch seinerzeit lange inhaftiert war, als NSDAP-Mitglied zu bezeichnen oder gibt es neue "Erkenntnisse" ? gerard

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Kommentar entfernt. Bitte verzichten Sie auf überzogene Polemik. Danke, die Redaktion

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @849 (Profil gelöscht):

      Hinweise, Lob und Kritik an der Moderation können Sie gerne an kommune@taz.de richten. Danke, die Redaktion

  • Der grösste Lump im Land,ist und bleibt der Denunziant

  • Die CDU, die sonst immer von Augenmaß redet, macht hier auf Identität und Blockade.

     

    Jedenfalls müssen die Mieten gesenkt werden und die Verdrängung der Armen muss aufhören.

    • @nzuli sana:

      Dann vermieten sie doch eine Wohnung für wenig Geld.

      Es hindert sie niemand daran - im Gegenteil, die Zinsen sind billig.

       

      Aber Parolen gröhlen und eine Wohnung im Szeneviertel zum "Menschenrecht" hochjubeln ist einfacher.

      Und man muss selber nicht machen - nur reden.

      • 2G
        25726 (Profil gelöscht)
        @Thomas_Ba_Wü:

        Sind Sie auch zu Beiträgen in der Lage, die über das "Dann geh' doch nach drüben!"- Krakeele von Altrechten hinausgeht?

         

        Mich wundert's, daß Sie noch nicht das im Filbingerländle gern genutzte "Auf der Flucht, erschiessen, auf der Flucht erschiessen!" ausge pack t haben.

  • Gelogen oder fehlinterpretiert?

     

    Das dürfte der falsche Aufhänger sein.

    Führt man sich seine Kaderakte zu Gemüte http://static.bz-berlin.de/data/uploads/2016/12/andrej-holm-kaderakte_1481453629.pdf

    So dürfte die Ankreuzerei - eher bedeutungslos sein.

    (kenn ich post WK II - "Waren Sie Berufssoldat?" - "Nein" -

    Als aber via G 131 - Milch&Honig floß - alles ein Irrtum/falsch Beraten etc.....)

     

    Nein das ließt sich alles sehr bekannt - von einigen kundigen Weggefährten

    So oder ähnlich mehrfach kolportiert:

    Der Alte (mein Jahrgang;) - Genosse & seit ewig Zeiten bei der Firma.

    Na & Sohnemann eilt zu den Fahnen - aber zügig.

    (Gab ja auch gut Kohle 675 -- DM - ja ja das arme Schwein im Arbeiter&Bauernstaat

    War bekanntlich der Arbeiter mit nüscht anne Hacken - wa!)

    Der Rest dröge & erwartbar. Kollektivpanadiger Stubenältester usw usf.

    Schlicht - Honnis Weltniveau!

     

    Nee nee - was ich als Laie so nicht aus der Akte rauslesen kann - aber -

    Knackpunkt dürfte sein - das was Hubertus Knabe - sicherlich fachlich kompetent benennt:

    „Anders als Die Linke behauptet, hat Herr Holm nicht nur tatenlos in einer Schreibstube gesessen, sondern war Mitarbeiter der Auswertungs- und Kontrollgruppe in der Berliner Bezirksverwaltung der Stasi“, so Knabe. Hier seien im Herbst 1989 alle Informationen über den Widerstand gegen die SED in der Hauptstadt der DDR zusammengeflossen." http://www.bz-berlin.de/berlin/die-stasi-akte-andrej-holm

     

    Wenn Andrej Holm dazu - also zum inhaltlichen seiner ja offensichtlichen

    Tätigkeit! für die Firma! nix sagt oder nichts Erklärend-akzeptables -

    Sagen kann - wird´s mehr als eng.

     

    Denn dann dürfte -

    „Ich habe keine falschen Angaben gemacht“, sagte er. Er habe aber, nicht wissentlich und vielleicht aus fehlender Detailkenntnis, falsche Angaben gemacht. Sein „Nein“ sah er dadurch relativiert, dass er in Klammern hinzugefügt habe: „siehe Wehrdienst“."

    Schlicht nicht reichen.

    Schade wär´s allemal & dennoch.

  • "Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein" - da denkt Herr Evers (ChristlichDU) er müsse mal einen fetten Felsbrocken werfen.... ! Trotzdem sollte Herr Holms alles für eine schnelle Aufklärung liefern - auch Joschka ist für seine Steinwürfe damals gerade gestanden. Herr Holms wäre sicher der Richtige, um den Berliner Filz auszukämmen; aber seine Läuse im Pelz müssen nun mal zuerst raus!

    • @Rufus:

      "auch Joschka ist für seine Steinwürfe damals gerade gestanden" - Wann genau?

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    Dieser, von der rechten, reaktionären CDU initiierte 'shit-storm' gehört auf den Müllhaufen der Geschichte und gut is'.

    • @81331 (Profil gelöscht):

      Wieso sollte der gegen DIE LINKEN aufhören? Die Geschichte Holm ist nunmal Tatsache. Tatsache ist leider auch, das DIE LINKE für die Entwicklung Berlins leider viel zu viel gegen alles ist und ein modernes, aufstrebendes Berlin verhindert.