Querdenker*innen vor Gericht: Videobotschaft an die Fangemeinde
Einige Stars der Querdenken-Bewegung müssen sich vor Gericht verantworten. Sie machen daraus ein neues Thema für ihre Anhänger*innen.
I n der Querdenken-Bewegung hat sich der Fokus verschoben. Bei den Kundgebungen und Demonstrationen protestieren die Teilnehmenden längst auch gegen die Sanktionsmaßnahmen gegen Russland. Seit dem Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober richten sie sich auch gegen Israel. Seit Kurzem bewegt sie noch ein weiteres Thema: Die Strafverfolgung der eigenen Mitstreiter*innen. Die Vorwürfe der Strafverfolgungsbehörden reichen von missbräuchlichen Spendenverwendungen über falsche Atteste bis zu volksverhetzendem Reden.
Vor dem Amtsgericht Duderstadt in Niedersachsen muss sich Carola Javid-Kistel im kommenden Jahr verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft der Ärztin vor, 16 Atteste über Maskenbefreiung und zahlreiche Impfunfähigkeitsbescheinigungen ausgestellt zu haben.
Die Impfgegnerin mit großer Fangemeinde berichtete in einer Videobotschaft von weiteren Vorwürfen: Nach der Rückkehr aus einem Hochrisikogebiet habe sie sich nicht in Quarantäne begeben. Sie hätte zwar von der Pflicht gewusst, sagte sie, aber diese für unsinnig gehalten. „Warum sollte ich mich in Quarantäne begeben? Ich bin fit“, sagte sie in dem Video. Statt zu Hause zu bleiben habe sie mehrere Veranstaltungen besucht und Patient:innen behandelt.
Einem Gerichtsprozess hatte sich die 57-Jährige entzogen und war nach Mexiko geflohen. Bei der Einreise in die Schweiz nahm die Polizei sie am Flughafen fest, da ein europäischer Haftbefehl gegen sie vorlag.
In Frankfurt am Main setzte die Polizei den Querdenken-Anwalt Reiner Fuellmich fest. Der Göttinger Anwalt und Bundestagsspitzenkandidat für Die Basis war zuvor aus Mexiko abgeschoben wurden.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem ehemaligen Szenestar gewerbsmäßige Untreue in 18 Fällen vor. Der 65-jährige Fuellmich soll insgesamt mehr als eine Million Euro veruntreut haben. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft bestreitet der Angeklagte strafrechtlich relevantes Handeln.
Der Rechtsanwalt soll Gesellschafter und einer von vier Geschäftsführern der Mitte 2020 gegründeten Stiftung „Corona-Ausschuss“ gewesen sein, die sich durch Spenden finanzierte. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, 16 Einzelüberweisungen im Gesamtwert von mehr als 350.000 Euro auf sein Kanzleikonto veranlasst und intern verwendet zu haben. Zudem soll er 700.000 Euro auf sein privates Konto überwiesen haben.
Einen Antrag auf Entlassung aus der Untersuchungshaft lehnte das Amtsgericht Göttingen im November ab. Der Grund: Fluchtgefahr. Der Anwalt wurde schon mehrfach bestraft: Ein Amtsgericht verurteilte ihn wegen Beleidigung in drei Fällen und Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen. Das Landgericht Göttingen sprach ihn in einem Berufungsverfahren wegen Beleidigung in zwei Fällen schuldig.
Die Ärztin Javid-Kistel kam unter Auflagen aus der Haft frei. Sie musste eine Kaution von 30.000 Euro hinterlegen, Personalausweis und Reisepass abgeben. Bei dem Prozess gegen sie könnte auch eine Anklage wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung verhandelt werden. In Herzberg soll sie auf einer Kundgebung ausgeführt haben, dass die Coronamaßnahmen „schlimmer als der Holocaust“ seien. Einem Ärzte-Kollegen soll sie vorgeworfen haben, Patienten „krank- und totzuimpfen“. Bei der Durchsuchung ihrer Naturheilpraxis soll sie zu den Polizisten:innen gesagt haben: „Das ist Faschismus, ihr seid doch alle bekloppt“, berichtete der NDR.
Im kommenden Jahr muss sich auch der pensionierte Professor für Mikrobiologie, Sucharit Bhakdi, einem Berufungsverfahren stellen. Er hatte die Pandemiemaßnahmen mit dem Holocaust verglichen. Die AfD hat ihn trotzdem zu einem „Corona-Symposium“ in den Bundestag eingeladen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“