Querdenker Reiner Fuellmich: Ex-Kanzlerkandidat vor Gericht

Querdenken-Anwalt Reiner Fuellmich bestreitet beim Prozessauftakt, Gelder veruntreut zu haben. Seine Verteidigung gerät reichlich wirr.

Eine Person mit Handschellen.

Der Angeklagte Rechtsanwalt Reiner Fuellmich beim Prozessauftakt im Landgericht Göttingen Foto: Swen Pförtner/dpa

GÖTTINGEN taz | In Handschellen wird der ehemalige Kanzlerkandidat der Partei Die Basis in den Gerichtssaal geführt. Seit Oktober sitzt der Anwalt Reiner Fuellmich in Untersuchungshaft. Ihm wird unter anderem vorgeworfen 700.000 Euro veruntreut zu haben, die als Spenden an die „Stiftung Corona-Ausschuss“ geflossen sind. Den Corona-Ausschuss hatte Fuellmich 2022 selbst mitgegründet, zusammen mit drei anderen Anwälten fungierte er als Gesellschafter und Geschäftsführer. Er galt damals als eines der prominentesten Gesichter der Querdenken-Bewegung.

Sein Fanklub ist seither deutlich geschrumpft. Aber ein paar Unentwegte gibt es noch: Sie halten regelmäßig Mahnwachen vor der JVA Rosdorf ab, wo Fuellmich in U-Haft sitzt und sie sind zum Prozessauftakt gekommen, um ihn zu unterstützen.

Die Anklage hat sich allerdings ein wenig verändert. Als Fuellmich im Oktober festgenommen wurde, nachdem er aus Mexiko ausgewiesen wurde, war noch die Rede von mehr als einer Million Euro, die Fuell­mich unterschlagen haben sollte.

Doch das Gericht ließ nicht alle Anklagepunkte zu: Bei 16 Überweisungen, die auf Fuellmichs Kanzleikonto landeten, ging zwar die Staatsanwaltschaft von gewerbsmäßiger Untreue aus – das Gericht fand aber, hier könnten ja tatsächlich Gegenleistungen erbracht worden sein.

Ex-Kolleg*innen beschimpft Fuellmich als „Idioten“

Übrig bleiben also drei üppige Darlehen, die auf Privatkonten geflossen sind. Auch auf das Konto von Fuellmichs Ehefrau, die davon eine Gartenumgestaltung inklusive Pooleinbau bestritt. Hinzugekommen ist ein weiterer Anklagepunkt: Subventionsbetrug. Fuellmich soll für seine Kanzlei in Göttingen zu Unrecht 15.000 Euro Coronasoforthilfe kassiert haben.

Der 66-Jährige nutzt die Gelegenheit zur Einlassung nach der Anklageverlesung, um eine Stunde lang seine sehr eigene Sicht der Dinge vorzutragen. Dazu holt er erst einmal weit aus: Spricht von seinem Vater, seiner Herkunft, seiner Vergangenheit als Banker und Verbraucheranwalt in Deutschland und den USA.

Dann kommt er zum eigentlichen Kern: Die Vorwürfe seien allesamt von seinen kriminellen Ex-Mitstreitern an den Haaren herbeigezogen worden. Dass er auf der Anklagebank sitzt, verdankt er im Wesentlichen der Anzeige der Ex-Corona-Ausschuss-Mitglieder Antonia Fischer und Justus Hoffmann. Die seien „Idioten“ und hätten nie etwas beizutragen gehabt. Die Darlehen, die er mit der Vierten im Bunde, Viviane Fischer vereinbart hatte, hätten einzig und allein dazu gedient, das Geld des Corona-Ausschusses in Sicherheit zu bringen, rechtfertigt sich Fuellmich.

Damals seien nämlich immer wieder Konten gekündigt oder sogar gepfändet worden, die Spendeneingänge hätten den Verdacht der Geldwäsche ausgelöst. Das Geld „verschwinden“ zu lassen und mit den eigenen Immobilien abzusichern, sei der einzige Weg gewesen, das zu verhindern. Er hätte das jederzeit zurückzahlen können und sei auch dazu bereit gewesen, wenn seine böswilligen Ex-Mitstreiter nicht den Verkauf seines Göttinger Hauses torpediert hätten.

Fuellmich zieht alle Register: Er referiert darüber, warum der Untreue-Paragraf des Strafgesetzbuches 1. ein Nazi-Paragraf und 2. untauglich sei, wirft der Staatsanwaltschaft heimliche und einseitige Ermittlungen vor, beklagt seine Rückführung aus Mexiko sei eigentlich eine Entführung gewesen, seine Haftbedingungen skandalös und der Transport ins Landgericht mit verdrehten Handgelenken Folter.

Das Gericht nimmt das zur Kenntnis. Und dann beginnt der Vorsitzende Richter nachzufragen: Warum denn die Darlehensverträge zinslos vereinbart worden seien? Warum die Eintragung einer Grundschuld auf seine Immobilie, wie sie zumindest im dritten Darlehensvertrag vereinbart worden sei, nie stattgefunden habe? Die Antworten darauf fallen deutlich kürzer aus. Acht weitere Verhandlungstage hat die Kammer angesetzt. Anfang März soll ein Urteil fallen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.