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Anarchismus bei RundfunkreformBei der Medienpolitik geht es derzeit zu wie im Zoo

Trotz Diskussionen der Mi­nis­ter­prä­si­den­t*in­nen im Leiziger Zoo bleibt der Streit um die Rundfunkreform ungelöst. Ein tierisches Spektakel.

Der Leipziger Zoo grüßt die Länderchefs: „Ministerpräsidentenkonferenz, Herzlich willkommen“ Foto: Hendrik Schmidt/dpa

E ne Besuch im Zoo, oh, oh, oh, oh // Nä, wat is dat schön, nä, wat es dat schön! Das hatten sich letzte Woche ja auch die Mi­nis­ter­prä­si­den­t*in­nen der Länder gedacht und deshalb in der Kongresshalle am Zoo Leipzig mal so richtig Medienpolitik gemacht. Bloß nicht gesagt, wie’s bezahlt werden soll.

Denn die so gut wie geklärte und fast schon unterschriftsreife Einigung über Beitrag & Co wurde bei der Konferenz der hohen Tiere auf die nächste Runde kurz vor Jahresende vertagt. Bis dahin gibt es erst mal nichts. „Da wäre es wirklich gelungener, wenn Elefant, Löwe und Giraffe die Politik übernehmen, bis sie zur Vernunft kommen“, sagt die Mitbewohnerin.

Was natürlich an so putzigen Frohnaturen wie den Beitragsstabilitäts-Stinktieren Söder und Haseloff liegt. Dass der Beitrag wie vorgesehen zum 1. Januar 2025 um die schwer umkämpften 58 Cent steigt, ist ausgeschlossen. Bis dahin kriegen die Länder nie das Kamel namens Beitragsstaatsvertrag durch ihre 16 Landtagsnadelöhre gepeitscht. Da ist sogar wahrscheinlicher, dass die Ampel noch was in Sachen gemeinnütziger Journalismus auf die Kette kriegt.

Kulturkanäle schreddern

ARD, ZDF und Deutschlandradio bereiten intern längst ihre Karawane vom Leipziger Godwana-Land zum Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe vor. Auch wenn ihre Ober­hirsch*in­nen das nicht so laut rausröhren. Söder hatte den Anstalten letzte Woche bei den Medientagen München ja noch mal den Grizzly gemacht und gedroht, dass so eine Klage beim Bundesverfassungsgericht der Popularität und Legitimation des ÖRR in der Gesellschaft garantiert nicht auf die Sprünge hilft und wir beim Beitrag eh ein „komisches System in Deutschland“ hätten.

Pläne, liebgewonnene Kulturkanäle wie 3sat zu schreddern und/oder bei Arte unterzustellen, zeugen auch von einer komischen Systematik und helfen weder Popularität noch Legitimation beim Publikum auf die Sprünge. Sie sorgen für noch mehr Hektik bei den Erdmännchen von ARD bis ZDF.

Auch die Kultur reagiert vergangene Woche in Leipzig, indem Ton­künst­le­r*in­nen inklusive des MDR Rundfunkchors und Orchesters den Tieren im Zoo wie den Mi­nis­ter­prä­si­den­t*in­nen ein Ständchen brachten. Darunter war auch der alte Luther Gassenhauer „Aus tiefer Not schrey ich zu Dir“.

Ein Karneval der Tiere

Nur war die ganze Reform-Menagerie schon mal viel weiter. Die possierlichen MPs waren sich beinah einig, doch Problembär Söder und Nasenbär Haseloff waren dagegen.

Weshalb die Medienreferenten der Länder beim Vers „Es ist doch unser Tun umsonst, auch in dem besten Leben“ ganz inbrünstig mitgesungen haben. So sehr, dass die Murmeltiere im Zoo ganz laut pfiffen.

Denn bei diesem Karneval der Tiere gilt auch in Leipzig das Kölsche Grundgesetz: Janz am Äng, do kütt mer zu de Aape // Nä, wat sin dat vell, nä, wat sin dat vell // Un die sieht mer der janzen Daag römhöppe // Un bei däne mäht jo jeder, wat e well!

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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2 Kommentare

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  • Der Protest aus den ÖR-Sendeanstalten, begleitet vom Chor der Kultur- und Medienschaffenden, ist ökonomisch motiviert: ohne Moos lässt sich keine Kohle machen.

    Die Hoheit der Programmgestaltung bleibt bei den Verantwortlichen in den ÖR-Sendeanstalten. Es liegt daher an ihnen, ob und wie sie ihre Programme so neu aufstellen, dass der ÖRR eine allgemeine Beitragsfinanzierung auch verdient. Ein buntes Infotainment, aus viel gleichförmiger Unterhaltung, die in Dauerschleife auf verschiedenen Programmplätzen und Kanälen wiederholt wird, und mit privaten Sendern konkurrieren will, braucht es nun wirklich nicht. 2024 ist nicht mehr 1945.

    Die MedienpolitikerInnen sollten ihren Mut zusammennehmen und der ausufernden Selbstbedienungsmentalität bei den ÖR-Sendern, die immer mehr Unternehmen gegründet oder sich an ihnen beteiligen haben und die alle neuen Medienkanäle besetzen wollen, Schranken setzen. Auch wenn dabei die Unabhängigkeit des ÖRR gewahrt wird, gibt es trotzdem ein klare Einschnitte, die möglich sind: Begrenzung der Beitragshöhe, Werbeverbot und Konsolidierung der Geschäftsmodelle als jeweils eine Anstalt, die für Programm, Technik, Personal usw. verantwortlich sind.

  • Also der öffentliche Rundfunk muss sparen.



    Gefühlte 200 Dudelsender laufen den ganzen Tag mit den immer gleichen Endlosschleifen vor sich hin, mit eine paar lustlos vorgelesenen Nachrichten, die man alle halbe Stunde bekommt, obwohl sich nichts tut.



    Genau mein Humor:



    An den Kultursendern und Hintergrundmagazinen soll jetzt gespart werden. Gedudel und Spielshows bleiben. Das wofür man wirklich einen öffentlichen Rundfunk braucht wird "geschreddert".