Amtsenthebungsverfahren gegen Trump: Politischer Prozess
Trump tritt mit zweitklassigen Verteidigern zum Amtsenthebungsverfahren an. In einem normalen Verfahren hätte er schon verloren.
W enn das Impeachmentverfahren gegen Donald Trump ein normales Gerichtsverfahren wäre, müsste man sich Sorgen um den Angeklagten machen. Die US-Gefängnisse sind voll mit Häftlingen, die vor allem wegen inkompetenter Verteidiger einsitzen.
Hätten sich die juristisch, rhetorisch und emotional perfekt vorgetragenen Plädoyers der demokratischen Ankläger und die stotternden, inkohärenten Erwiderungen von Trumps Verteidigern am Dienstag vor einem normalen, unparteiischen Geschworenengericht zugetragen – die Jury hätte wohl einstimmig geurteilt. Aber 44 von 100 stimmten anders, die Geschworenen sind die Mitglieder des Senats.
Die haben zwar alle einen Eid geschworen, unparteiisch die vorgelegten Beweise und Argumente zu bewerten, geben jedoch frappierend offen zu, dass sie das nicht tun werden. Das gilt übrigens für beide Seiten. Zwar dürfte es vollkommen unstrittig sein, dass jener Mob, der am 6. Januar das Kapitol in Washington stürmte, sich von Trump dazu aufgefordert und ermächtigt fühlte.
Dass Trump das aber tatsächlich auf strafbare Weise getan hat, wäre in einem ordentlichen Gerichtsverfahren schwer nachzuweisen. Und das ist im Übrigen auch gut so – denn es könnte schwere Folgen haben, wenn Aufrufer*innen zu „kämpferischen“ Demonstrationen künftig für mögliche Ausschreitungen der Demo-Teilnehmer*innen direkt zur Verantwortung gezogen werden könnten.
Darüber würde in einem normalen Verfahren gesprochen werden, und die juristischen Argumente aller Seiten würden etwas bedeuten. Aber das Impeachmentverfahren ist politisch. Es geht insofern auch um politische Verantwortung, nicht zwingend um strafrechtliche.
Aber das ist die nächste Sackgasse, denn fast die Hälfte der Geschworenen sitzt eigentlich mit auf der Anklagebank: all jene nämlich, die Trumps große Lüge vom Wahlbetrug so lange wiederholt und wütend zugespitzt haben, bis ein Mob sich berechtigt fühlte, gegen dieses „Verbrechen“ Gewalt anzuwenden. Sie werden sich nicht selbst verurteilen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Mangelnde Wirtschaftlichkeit
Pumpspeicher kommt doch nicht