piwik no script img

Amtsantritt von Gabriel BoricNeue Ära in Chile

Kommentar von Sophia Boddenberg

An den jungen linken Staatspräsidenten knüpfen viele Menschen große Hoffnungen. Sie alle zu erfüllen, wird keine leichte Aufgabe für ihn werden.

Der frisch vereidigte Präsident Gabriel Boric winkt Anhängern in Santiago de Chile zu Foto: Esteban Felix/ap

M it Tränen, Jubelrufen und Applaus erwarteten Hunderte Fans den neuen Präsidenten Chiles am Samstagabend vor seiner Haustür, um ein Selfie mit ihm zu machen oder ihm Geschenke und Briefe zu übergeben. Es ist das erste Mal, dass ein Staatschef in einem Ar­bei­te­r:in­nen­vier­tel im Stadtzentrum von Santiago lebt, anstatt in einer abgeschotteten Villa. Und das ist nur eines von vielen Neuheiten, mit denen Gabriel Boric seine Amtszeit als Präsident einläutet.

Vor seiner Antrittsrede verbeugte er sich vor der Statue des sozialistischen Präsidenten Salvador Allende, der 1973 beim Putsch ums Leben kam, als das Militär den Regierungspalast La Moneda bombardierte. „Nie wieder darf sich das in unserer Geschichte wiederholen“, sagte Boric. Tausende Menschen in allen Altersklassen jubelten ihm zu. Mit bunten Fahnen, Boric-T-Shirts und Plakaten waren sie zum Regierungsgebäude gekommen, um dem neuen Präsidenten zu lauschen.

„Boric, mein Freund, das Volk ist bei dir“, riefen sie. Die Reaktionen bei der Antrittsrede ähnelten denen des Publikums bei einem Rockkonzert – Kreischen inklusive. Straßenverkäufer boten sogar Boric-Puppen an. „All meine Hoffnung ist bei dir, Präsident“, las man auf dem Plakat einer Frau im Publikum. Der neue Präsident steht für einen Zeitenwechsel: Sein Kabinett besteht mehrheitlich aus Frauen und er will vom neoliberalen Kurs der letzten Jahrzehnte abkehren. „Nie wieder“, sagt Boric mehrfach in seiner Rede.

Die Hoffnungen, die die Menschen in den neuen Präsidenten setzen, sind riesig. Und Boric hat viel versprochen: soziale Gerechtigkeit, Umweltschutz, Frauenrechte. Aber all die Erwartungen zu erfüllen, wird keine leichte Aufgabe sein. Der jüngste Präsident Chiles übernimmt die Regierung inmitten einer Pandemie, einer wirtschaftlichen Rezession und einer sich zuspitzenden Klimakrise. Und er hat keine Mehrheit im Parlament.

Die Indigenen erwarten Landrückgaben, die Stu­den­t:in­nen kostenlose Bildung, die Ar­bei­te­r:in­nen höhere Löhne. Sie alle setzen große Hoffnungen auf den Mann aus dem Volk, der jetzt ganz oben steht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Däumchen drücken...

    • @Willi Müller alias Jupp Schmitz:

      anschließe mich.

  • 8G
    83635 (Profil gelöscht)

    Allerbeste Wünsche! Und hoffentlich halten sich die Streitkräfte, die CIA und USA heraus! Kann mich des Gefühls nicht erwehren dass die USA mit Sanktionismus reagieren werden oder auf sonstige perfide Art versuchen werden “regime change” herbeizuführen!?