Ampelkoalition nach Trump-Sieg: Plötzlich einig bei Verteidigung
Gerade in der Verteidigungspolitik kommen auf die Bundesregierung unsichere Zeiten zu. Die Ampel betont trotz ihres Streits ihre Handlungsfähigkeit.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte, dass Deutschland durch die Wahl Trumps aufgefordert sei, Investitionen in die europäische Sicherheit „groß zu denken und groß zu machen“. „Wir müssen uns von den selbst angelegten Fesseln, gerade bei Investitionen in unsere Sicherheit, in Deutschland befreien“, so die Außenministerin. Ein klarer Wink in Richtung der Haushaltsberatungen, die der Bundestag kommende Woche finalisieren soll – die Aussage lässt sich auch als Aufforderung an die FDP verstehen, in dieser Lage von der Schuldenbremse zu gehen.
Doch davon wollte der Chef der Liberalen und Finanzminister, Christian Lindner, nichts wissen. Er sprach in einer ersten Reaktion davon, dass Berlin angesichts des US-Wahlergebnis „seine wirtschafts- und sicherheitspolitischen Hausaufgaben erledigen“ müsse. Die Bundesregierung hat durch das Wahlergebnis und der von Trump in den Raum gestellten Drosselung der Ukraine-Hilfen derzeit keinen Plan, neue Finanzmittel für das von Russland angegriffene Land bereitzustellen.
Deutschland besser gewappnet als 2016
Regierungssprecher Steffen Hebestreit verwies in dem Zusammenhang auf den Kredit in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar, den die G7-Staaten zur Unterstützung der Ukraine auf den Weg gebracht hatten. Dieser Kredit, der durch die Zinserträge eingefrorener russischer Vermögen gedeckt wird, ist nach Ansicht der Bundesregierung eine „zuverlässige Basis“ für eine fortwährende Unterstützung der Ukraine, jenseits von Wahlausgängen bei den internationalen Geldgebern und Verbündeten Kyjiws.
Deutschland ist hinter den USA der zweitwichtigste bilaterale Unterstützer der Ukraine, allerdings mit deutlichem Abstand. Während die USA Daten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft zufolge seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 knapp 85 Milliarden Euro an Hilfen mobilisiert haben, kamen aus Deutschland insgesamt rund 15 Milliarden Euro. Über die EU flossen immerhin knapp 44 Milliarden Euro an die Ukraine, der größte Teil als Finanzhilfen.
SPD-Außenexperte Nils Schmid sieht Deutschland politisch besser gerüstet als 2016 auf eine Trump-Regierung. „Eine Reihe von Irritationen wie Nord Stream oder das 2-Prozent-Nato-Ziel sind inzwischen abgeräumt“, so Schmid zu taz. Doch es gelte, sich keine Illusionen zu machen. Trump werde neue Punkte finden. „Es wird ruppig werden.“ Gerade in der Wirtschaftspolitik, wo Trump mit Strafzöllen droht. „Die EU sollte dagegenhalten und eigene Strafzölle androhen und im Zweifel verhängen.“ Trump sei ein Dealmaker, mit ihm zu verkehren, hieße sich auch auf diese Deallogik einzulassen.
Habeck will Deutschland „weltpolitikfähig“ sehen
Schmid sieht durch den erwähnten 50-Milliarden-Kredit das Auskommen der Ukraine nur für ein Jahr gewährleistet. Danach werde man sich etwas anderes einfallen lassen müssen. SPD-Verteidigungspolitiker Andreas Schwarz sagte der taz: „Wenn Trump den Stecker ziehe und einen Deal mit Putin mache, werde Europa das kaum auffangen können.“ Schwarz findet, dass man sicherheitspolitisch besser nicht nur auf die USA setzen sollte.
Vize-Kanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wich am Mittwoch der Frage aus, ob Deutschland neue Kredite für die Finanzierung von Verteidigungsausgaben aufnehmen sollte. „Es ist auch unser Interesse, dass wir der Ukraine die Chance geben, sich zu verteidigen. Und das muss auch gewährleistet sein in den nächsten Monaten“, sagte Habeck.
Europa müsse sich um seine Konflikte in der unmittelbaren Nachbarschaft, vor allem in der Ukraine und in Israel und den palästinensischen Gebieten, selber verantwortlich fühlen und sich kümmern. „Wir müssen weltpolitikfähig werden.“ Es gelte die Aufgaben, selbstbewusster anzugehen.
Auch FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagte gegenüber der taz, die Wahrscheinlichkeit sei groß, dass die USA ihre Finanzhilfen für die Ukraine nun reduzierten. „Wir werden einen deutlich größeren Verteidigungshaushalt brauchen“, so Strack-Zimmermann. „Neue Schulden sind dafür nicht erforderlich, sofern wir bereit sind, im Haushalt andere Prioritäten zu setzen.“ Die Europapolitikerin sagte, in der Ukraine sei die Angst groß, von den westlichen Partner nicht mehr genug Unterstützung zu bekommen.
Koalitionsausschuss mit Spannung erwartet
„Trump hat angekündigt, sich mit Putin treffen zu wollen. Da schauen wir jetzt mal gespannt hin, ob es Trump gelingt, den Krieg zu beenden, ohne dass die Ukraine ihre Souveränität verliert.“
Die Bundesregierung ist derzeit tief zerstritten, was ihre Wirtschaftspolitik betrifft. Am Abend kommt die Regierung in Berlin zum Koalitionsausschuss zusammen, um über ihre Zukunft zu beraten. Scholz sagte, angesichts der Spaltung in den USA wünsche er sich, dass man in Deutschland zusammen bleibe. „Uns eint mehr als uns trennt.“ Ein Appell, der auch an die eigenen Reihen gerichtet sein könnte.
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