Altersforschung: So bleiben wir im Alter gesund
Die Altersforschung liefert verschiedene Lösungsansätze, wie wir trotz fortgeschrittener Jahre fit bleiben. Medikamente allein retten uns nicht.
Wann fängt Altern eigentlich an? Wenn wir uns stöhnend aus dem Sessel erheben? Wenn das Haar immer lichter wird? Oder erst, wenn wir in Rente gehen? Die Altersmedizin hat darauf eine erschreckende Antwort. Spätestens mit 30, wenn das Leben gerade richtig begonnen hat, startet der körperliche Verfall.
Es ist also nie zu früh, sich Gedanken um die langfristige Gesundheit zu machen. Denn wer will nicht möglichst lang körperlich und geistig fit bleiben? Die Chancen dafür stehen heute besser denn je. Auf der ganzen Welt arbeiten Forschende daran, das Altern besser zu verstehen – und machen dabei enorme Fortschritte.
Alterskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Osteoporose oder auch Krebs lassen sich besser behandeln und sind seltener ein Todesurteil. Dennoch altern wir: Die Knochen werden brüchig, die Muskeln schwinden, das Herz wird schwach und der Geist verwirrt. Könnte der nächste Schritt sein, das Altern komplett zu verhindern?
Unser Wissen über das Altern wächst
„Wir haben in den letzten Jahrzehnten viel über Alterungsprozesse gelernt. Wir wissen heute viel besser, wie sich welche Zellen im Laufe der Zeit verändern und welche Faktoren ein gesundes Altern beeinflussen können“, sagt Markus Gosch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie und Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Klinikum Nürnberg.
Das bedeutet aber noch lange nicht, dass daraus in kurzer Zeit wirksame Therapien entstehen. So ist zum Beispiel bis heute unklar, warum die Regenerationsfähigkeit von Organen wie der Niere mit der Zeit nachlässt. Gibt es vielleicht Schalter oder Signalwege, mit denen sich die Krankheiten abschalten lassen, bevor sie entstehen?
Auf der Suche nach Antworten steht die Forschung vor einem weiteren Problem. All diese Prozesse lassen sich nur in Zellkulturen oder im Tiermodell nachahmen. Beliebte Modelle sind zum Beispiel Fadenwürmer, die doppelt so viele Gene haben wie wir Menschen, oder Fische, deren Organe sich dauerhaft selbst reparieren können.
„In der Grundlagenforschung beschäftigen wir uns vor allem mit einzelnen Aspekten des Alterns. So setzt sich das große Puzzle Stück für Stück zusammen“, sagt Christoph Englert, Professor für Molekulare Genetik am Leibniz-Institut für Alternsforschung. Gleichzeitig sei die Übertragung auf den Menschen oft schwierig, vor allem weil einzelne Aspekte wenig über das große Ganze verraten.
Verschiedene Ansätze, verschiedene Hürden
An möglichen Angriffspunkten mangelt es der Forschung jedenfalls nicht. Ein Beispiel sind seneszente Zellen. Sie beeinflussen ihre Umgebung, indem sie entzündungsfördernde Stoffe freisetzen. Über ihre Rolle wird viel geforscht, ihre genaue Funktion ist noch unklar. Seneszente Zellen nehmen im Alter zu, weil sie aus dem Körper nicht beziehungsweise kaum entfernt werden können.
Letztlich sorgen sie für eine Art Dauerentzündung und begünstigen vermutlich auch Alterskrankheiten wie Osteoporose, Krebs oder Diabetes. „Die Zellen zu entfernen, könnte also ein möglicher Ansatz sein“, sagt Englert. Dafür müssten sie allerdings zerstört werden – mit Medikamenten, die ähnlich starke Nebenwirkungen haben wie eine Chemotherapie. Auch der Nutzen ist noch nicht vollständig geklärt. Niemand weiß genau, wie sich ihre Entfernung auf umliegende Zellen und Gewebe auswirkt.
Ein weiterer Hoffnungsträger in Sachen Verjüngung kommt aus der Stammzellenforschung. Anfang der 2000er Jahre gelang es dem Japaner Shinya Yamanaka, Hautzellen in einen embryonalen Zustand zurückzuversetzen.
Dieser Ansatz könnte genutzt werden, um Zellen zu verjüngen. Das Problem: Einzelne Zellen lassen sich im Labor leicht verjüngen, ein ganzer Organismus ist schwieriger. Bei Versuchen mit Mäusen entwickelten die Tiere unter anderem bösartige Tumore. Fast schien es, als würde sich ihr Körper mit aller Macht gegen die Verjüngungskur wehren.
Reparieren, aufbauen, austauschen
Auf den einzelnen Baustellen des Alterns ist die Medizin schon weiter, etwa beim Thema Muskelschwund. Die Muskelkraft lässt im Alter deutlich nach: Menschen, die älter als 70 Jahre sind, verlieren pro Jahr etwa drei Prozent. Daher kann ein längerer Krankenhausaufenthalt, verbunden mit Bettruhe, vielen alten Menschen zum Verhängnis werden. Ohnehin geschwächte Patienten kommen dann kaum noch „auf die Beine“.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Forscher suchen deshalb nach Medikamenten gegen Muskelschwund. Ein möglicher Ansatz könnte die mRNA sein. Dazu würden Patienten Muskelstammzellen entnommen, mit der Genschere CRISPR/Cas9 repariert und anschließend wieder in den Muskel eingebracht.
In verschiedenen Laborstudien konnten so erfolgreich neue Muskelfasern gebildet werden. Klinische Studien mit Patienten sollen bald folgen. Unklar ist bisher, ob Muskeln nicht nur wachsen, sondern auch funktionell belastbar sind.
Auch bei der Volkskrankheit Alzheimer gibt es inzwischen berechtigte Hoffnungen auf Medikamente, die den Krankheitsverlauf zumindest verlangsamen können. Zwei Präparate sind in den USA und Europa bereits zugelassen, ihre Wirkung ist noch überschaubar, die Nebenwirkungen sind hoch.
Mittelfristig hoffen die Forscher, die Ablagerungen der beiden Proteine Amyloid-beta und Tau zu hemmen. Liegen diese in fehlerhafter Form vor, können sie das Hirn schädigen. Die Präparate könnten somit die Krankheit frühzeitig stoppen.
Medizin allein reicht nicht
Einen Schritt weiter ist die Medizin bei der Osteoporose, dem Knochenschwund, der im Alter einsetzt und das Risiko für Knochenbrüche deutlich erhöht. Die Krankheit entsteht vor allem durch ein Ungleichgewicht der Zellen, die den Knochen auf- und abbauen – Osteoblasten und Osteoklasten. Bereits nach der Pubertät nimmt die Zahl der schlechten Osteoklasten, der Knochenabbauer, zu.
Gängige Medikamente gegen Osteoporose hemmen ihre Bildung, tragen aber nicht zum Knochenaufbau bei. Mediziner haben herausgefunden, dass leichter Ausdauersport und Krafttraining die Knochenstärkung unterstützen.
Das Beispiel zeigt: Medizin allein rettet uns nicht. „Man schätzt, dass unsere Gene 10 bis 25 Prozent unseres Alterungsprozesses beeinflussen. Mindestens genauso wichtig sind die Lebensumstände und das Zusammenspiel von Genen und Lebensstil“, erklärt Gosch, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin.
Gesundheit im Alter ist anstrengend
Die älteste Deutsche, die 113-jährige Charlotte Kretschmann, erzählt in Interviews stets von ihrem sehr aktiven Leben. Sie gehe bei Wind und Wetter spazieren, auch Sport treibe sie bis heute. Außerdem habe sie schon als Kind ein glückliches und erfülltes Leben gehabt. Neben Glück und Bewegung haben Forschende noch andere Faktoren für ein gesundes Altern ausgemacht.
Laut Gosch hilft ausreichend Schlaf und eine ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse und Obst. Zu viel Fast Food, Alkohol und Nikotin sind tabu. Außerdem sollte man sein Gehirn regelmäßig fordern, neugierig bleiben, immer wieder Neues lernen, Freundschaften pflegen und bis ins hohe Alter Bücher lesen.
Auch hier ist die 113-jährige Charlotte Kretschmann ein Vorbild: Sie sei stets wissbegierig und an der Welt interessiert, die Gespräche mit ihren Enkelkindern hielten sie geistig fit. Und ihr Verstand, sagt sie, funktioniere zu 150 Prozent.
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