„Alternative Nobelpreise“ 2020 vergeben: Vier Menschenrechtler geehrt
Ausgezeichnet: Kampf für Demokratie in Belarus, für Menschenrechte im Iran, für Indigene in Nicaragua und gegen institutionellen Rassismus in den USA.
Die Auswahl der PreisträgerInnen werfe ein Schlaglicht auf die weltweite Bedrohung der Demokratie, erklärte Ole von Uexküll, Direktor der Right Livelihood Foundation: „Es ist höchste Zeit, dass wir alle, die weltweit an die Demokratie glauben, aufstehen und einander unterstützen.“
Die EmpfängerInnen der Preise für das Jahr 2020 vereine ihr Kampf für Gleichberechtigung, Demokratie, Gerechtigkeit und Freiheit: „Mit ihrem Widerstand gegen ungerechte Rechtssysteme und diktatorische politische Regime stärken sie erfolgreich die Menschenrechte, fördern Zivilgesellschaften und prangern institutionelles Fehlverhalten an.“
Ales Bialiatski und Menschenrechtszentrum Viasna, Belarus
Mit „Viasna“ und Ales Bialiatski geht ein Alternativer Nobelpreis erstmals nach Belarus. Schon seit Mitte der 1980er Jahre ist der 58-jährige Literaturwissenschaftler Bialiatski als Verteidiger der Menschenrechte aktiv.
Er setzte sich für die Abschaffung der Todesstrafe ein und gründete 1996 zur Unterstützung politischer Gefangener und ihrer Familien das Menschenrechtszentrum „Viasna“ in Minsk. Inzwischen ist es eine der führenden Nichtregierungsorganisationen des Landes geworden und trägt durch die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen und die Beobachtung von Wahlen zur Entwicklung der Zivilgesellschaft in Belarus bei.
Mehr Geschichten über das Leben in Belarus: In der Kolumne „Notizen aus Belarus“ berichten Janka Belarus und Olga Deksnis über stürmische Zeiten – auf Deutsch und auf Russisch.
2011 war Bialiatski verhaftet und wegen angeblicher Steuerhinterziehung zu viereinhalb Jahren Straflager verurteilt worden. Das löste eine internationale Solidaritätskampagne aus. In der fordertee unter anderem das Europaparlament seine sofortige Freilassung, wurde er von Amnesty International zum politischem Gefangenen erklärt, erhielt er mehrere Menschenrechtspreise und wurde er für den Friedensnobelpreis nominiert. 2014 wurde er vorzeitig entlassen.
Bialiatski ist Mitglied des im April 2020 gegründeten Koordinierungsrates, der das Ziel eines friedlichen Machtübergangs im Land verfolgt.
„Ales Bialiatski und „Viasna“ stehen für die Vielzahl mutiger Menschen, die unter hohem persönlichem Risiko gegen Lukaschenkos diktatorisches Regime protestieren“, heisst es in der Preisbegründung: Mit ihrem langjährigen Einsatz für Demokratie und Freiheit hätten sie „einen wesentlichen Grundstein für eine friedliche und demokratische Gesellschaft in Belarus gelegt“.
Der Preisträger bezeichnete die Auszeichnung als „zusätzliche Verpflichtung“ und als „eine moralische Unterstützung für alle Belarussinnen und Belarussen, die sich für einen demokratischen Wandel starkmachen“.
Bialitski erklärte: „Ich hoffe, dass die internationale Aufmerksamkeit, die durch diesen Preis entsteht, dazu beiträgt, dass die Arbeit des Menschenrechtszentrums „Viasna“ in Belarus noch wirkungsvoller und weniger gefährlich wird.“
Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh, Iran
Auch in den Iran geht in diesem Jahr erstmals ein Alternativer Nobelpreis. An die inhaftierte Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh. Sie befand sich bis Ende September in einem Hungerstreik. Ihr „Beharren auf Rechtsstaatlichkeit und ihr unnachgiebiger Kampf gegen Unterdrückung haben sie zu einem Symbol des Kampfes für Gerechtigkeit im Iran gemacht“, schreibt die Jury der „Right Livelihood Awards“.
„Ihr unermüdlicher Einsatz für die Gerechtigkeit hat Sotoudeh seit 2010 mehrfach ins Gefängnis gebracht, auch in Einzelhaft. Im März 2019 wurde sie unter erfundenen Anschuldigungen, unter anderem „Schüren von Korruption und Prostitution“, zu 38 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben verurteilt.“
Die 57-jährige Mutter von zwei Kindern hatte erstmals 2009 in Folge der Proteste gegen die Regierung nach den Präsidentschaftswahlen größere Bekanntheit erlangt. Sie verteidigte vor Gericht Demonstranten, die wegen ihrer Teilnahme an Kundgebungen gegen die Regierung verhaftet worden waren, darunter mit Heshmat Tabarzadi den Anführer der verbotenen Oppositionsgruppe „Demokratische Front des Iran“.
Sotoudeh vertrat auch die iranische Menschenrechtsaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi und kämpfte für die Abschaffung der Todesstrafe im Iran.
„Trotz ihrer Inhaftierung und ständiger Drohungen gegen ihre Familie bleibt Sotoudeh eine unbeugsame Verfechterin der Rechtsstaatlichkeit“, heisst es in der Preisbegründung.
Lottie Cunningham Wren: Für Landrechte in Nicaragua
Rechtsanwältin ist auch Lottie Cunningham Wren aus Nicaragua. Sie gehört der Volksgruppe der Miskito an, verteidigt die Rechte indigener Völker auf ihr Land und ihre Ressourcen und hat beispielsweise durch die Einleitung von Prozessen zur Festlegung von Grundstücksgrenzen und der Vergabe von Eigentumsurkunden entscheidend zu ihrem rechtlichen Schutz beigetragen.
Mit dieser Durchsetzung von Landrechten für Indigene hat sie laut Preisbegründung „Pionierarbeit für juristische Strategien geleistet, die seither von indigenen Gemeinschaften auf der ganzen Welt erfolgreich zur Demarkation ihrer Gebiete eingesetzt werden“. Auch habe Cunningham gezeigt, dass der Schutz indigenen Landes wesentliche Bedeutung für den Schutz lokaler Ökosysteme habe.
Als „leidenschaftliche Anwältin ihres Volkes“ habe sich die 61-Jährige „auch für die Stärkung der Rechte indigener Frauen engagiert, Programme gegen häusliche Gewalt ins Leben gerufen und dafür gesorgt, dass Frauen in Entscheidungsgremien vertreten sind“.
Bürgerrechtsanwalt Bryan Stevenson, USA
Der vierte diesjährige Preisträger ist der US-amerikanische Bürgerrechtsanwalt Bryan Stevenson. 1989 gründete er die „Equal Justice Initiative“ (EJI), die sich seit Jahrzehnten für Menschen in der Todeszelle einsetzt. Für mehr als 140 unrechtmäßig zum Tode Verurteilte wurde eine Entlassung, Hafterleichterung oder Urteilsrevision erwirkt. Beispielsweise für Anthony Ray Hinton, der nach fast 30 Jahren in der Todeszelle 2015 als unschuldig entlassen worden war.
Ein weiterer Teil seiner Arbeit sind Kampagnen gegen übermäßig hohe Strafen, die oft gegen Arme und People of Color verhängt werden.
„Stevensons Engagement wurzelt in der Erkenntnis, dass die Gesellschaft und das Justizsystem aufgrund der unbewältigten Geschichte der Sklaverei und der Ideologie der White Supremacy in den USA von systemischem Rassismus durchdrungen sind“, heisst es in der Preisbegründung.
„Da die Ungerechtigkeit des Systems People of Color überproportional stark betrifft, hat Stevenson sein Leben dem Streben nach Gleichberechtigung der Ethnien und der Anfechtung des historischen Erbes des institutionellen Rassismus in den USA gewidmet.“
Ein von ihm initiiertes Museum über die Geschichte der Sklaverei und Lynchmorde in Montgomery (Alabama) dokumentiert mehr als 6500 Lynchmorde, die an Afro-Amerikanern verübt worden sind.
Das in diesem Jahr angelaufene Justizdrama „Just Mercy“ beruht auf Stevensons 2012 erschienenen Memoiren mit dem gleichen Titel. „Wir arbeiten gerade intensiv an Projekten, die darauf zielen, dass unsere Nation einen ehrlicheren Umgang mit ihrer Geschichte der Ungerechtigkeit und Ungleichheit findet. Die Auszeichnung wird uns dabei helfen, diese Arbeit voranzubringen“, sagte der 59-Jährige zu seiner Auszeichnung.
In diesem Jahr gibt es nur eine virutelle Preiszeremonie
Die mit einem Preisgeld von jeweils 1 Million Kronen (ca 95.000 Euro) dotierten „Right Livelihood Awards“ werden seit 1980 verliehen. Mit den diesjährigen PreisträgerInnen sind bisher 182 Menschen aus 72 Ländern ausgezeichnet worden.
In diesem Jahr wird die Würdigung am 3. Dezember im Rahmen einer virtuellen Preiszeremonie stattfinden.
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