Allheilmittel für Böden und Klima?: Pflanzenkohle als Retter
Der Weltklimarat sieht die Pyrolyse von Pflanzen zu Kohle als aussichtsreiche Technologie, um CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen.
Doch wie beseitigt man solche gigantischen Mengen CO2? Die im IPCC zusammengeschlossenen WissenschaftlerInnen führen dafür verschiedene Techniken auf, etwa Aufforstungen, Renaturierung von Wäldern und Landgebieten, Verbrennung von Biomasse in industriellen Prozessen mit anschließender Abscheidung und Speicherung ihres dabei entstehenden CO2 (BECCS) – und die Erhöhung des Kohlenstoffgehalts in Böden.
Durch Letzteres entstünden „Co-benefits“ wie „erhöhte Biodiversität, Bodenfruchtbarkeit und lokale Ernährungssicherheit“, lobt der IPCC. Und verweist auf zwei neue wissenschaftliche Studien, die die Geisenheimer Ökologin Claudia Kammann, der Potsdamer Klimaforscher Wolfgang Lucht mit seiner Kollegin Constanze Werner sowie Hans-Peter Schmidt vom Schweizer Ithaka-Institut und anderen erstellt haben.
Das Ithaka-Institut experimentiert schon seit einiger Zeit mit Pflanzenkohle – auf seinem Forschungsweinberg im Schweizer Wallis und in Waldgärten in Nepal, Bangladesch, Kuba und anderswo. Pflanzenkohle wird gewonnen, indem Biomasse – Holz, Zweige, Erntereste, Reisspelzen und vieles mehr – bei hohen Temperaturen verkohlt wird. Bei diesem Prozess, Pyrolyse genannt, wird der darin enthaltene Kohlenstoff in eine Form umgewandelt, die für viele Jahrhunderte in Böden und Baumaterialien gespeichert werden kann.
Damit wird verhindert, dass das CO2, das sonst beim Verrotten pflanzlichen Materials freigesetzt wird, in die Atmosphäre gelangt. Eins der Pyrolyseprodukte ist hochporöse Pflanzenkohle. Ein Kilogramm davon bindet den Kohlenstoff aus drei Kilogramm CO2. Im Erdreich wird daraus „Terra Preta“, eine jahrhundertelang stabile Schwarzerde, mit der Indigene einst ihre Waldgärten am Amazonas fruchtbar machten.
In den beiden Studien geht es um das Potenzial von Pflanzenkohle als Klimaretter. Sie kann nicht nur dem Humusverlust entgegenwirken, indem sie Kohlenstoff in den Boden zurückbringt. Die erste Studie von 2017 zeigt, dass sie auch Methan und Lachgas entscheidend reduzieren kann, die 25- beziehungsweise 300-mal so klimaschädlich sind wie CO2. Lachgas wird unter anderem frei, wenn überdüngte Böden durch schwere Traktoren verdichtet werden. Pflanzenkohle aber verbessert die Bodenqualität und verringert Lachgasemissionen.
In Reisfeldern kann Pflanzenkohle doppelt segensreich wirken, nämlich Methan reduzieren und Ernten erhöhen. Und als Zusatz im Tierfutter wirkt sie ebenfalls doppelt: Sie verbessert die Gesundheit der Tiere und reduziert deren Methan-Emissionen. Übrigens kennen auch Menschen den Heileffekt reiner Kohle bei Darmerkrankungen.
Würde das Futter des globalen Tierbestandes ein Prozent Pflanzenkohle enthalten, könnte das laut Studie 1,2 Prozent der Treibhausgase kompensieren. Zu den noch weitaus größeren klimapositiven Effekten der Pflanzenkohle im Boden gibt es im Text leider keine Mengenabschätzungen.
„PyCCS“ ist auch in kleinem Maßstab anwendbar
Die zweite Studie untersucht das Klimapotenzial sämtlicher Pyrolyseprodukte. Neben Pflanzenkohle entstehen dabei biologische Öle und Gase. Diese können nicht nur für Baumaterial oder Bioplastik verwendet, sondern auch unterirdisch gespeichert werden, etwa in früheren Erdöllagern.
Größter Vorteil dieses als PyCCS bezeichneten Verfahrens („Pyrogenic carbon capture and storage“) ist, dass es auch im kleinen Maßstab anwendbar und viel ökologischer ist als die weitgehend unerprobte Abscheidung und Lagerung von CO2 (CCS) und die industrielle Biomasse-Verwertung (BECCS). Auf diese Weise könnte PyCCS tatsächlich einen großen Anteil des überschüssigen CO2 aus der Atmosphäre kompensieren.
Mitautorin Constanze Werner vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hält PyCCS insgesamt für eine „vielversprechende Methode“. Pflanzenkohle habe in der Klimaforschung bislang noch nicht die Berücksichtigung gefunden, die sie verdiene, aber das werde sich wohl bald ändern – wenn die dafür nötige Biomasse nachhaltig angebaut werde. Zudem sei sie „eine der wenigen Techniken, die man auch schon kurzfristig anwenden kann“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe