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Polizeispitzel-AffäreAls Freund getarnt

Premiere von „The Spies, who ruined our lives“. Der Film erzählt, wie der Polizeispitzel Stone den Aktivisten Kirkpatrick und die linke Szene aushorchte.

Der Aktivist Jason Kirkpatrick klagte 2022 vor dem Verwaltungsgericht Schwerin Foto: dpa

Berlin taz | Großer Andrang herrschte am Sonntag im Lichtblickkino in der Kastanienallee 77. Der Film „The Spies, who ruined our lives“ hatte Premiere.

In dem Film spielt der Polizeispitzel Mark Stone eine zentrale Rolle. Unter dem Namen Mark Kennedy infiltrierte er zahlreiche linke Gruppen, nicht nur in Großbritannien. Auch in Deutschland nahm er an zahlreichen länderübergreifenden linken Protesten teil. Dabei lernte er auch den in Berlin lebenden Aktivisten Jason Kirkpatrick kennen. 2010 musste der erfahren, dass der angebliche Freund und Genosse ein Polizeispitzel ist.

Seitdem hat Kirkpatrick zahlreiche Interviews gegeben, Veranstaltungen organisiert und vor vielen Ausschüssen ausgesagt. „Ich dachte, ich kann irgendwann ein normales Leben führen. Doch der Fall Kennedy/Stone lässt mich nicht mehr los“, sagte Kirkpatrick zur taz. Die Idee für das Filmprojekt habe er seit vielen Jahren gehabt.

Gemeinsam mit dem britischen Regisseur Justyn Jones hat er das nun realisiert. Zahlreiche Ak­ti­vis­t*in­nen kommen in dem Film zu Wort, die wie Kirkpatrick mit Kennedy befreundet waren. Kate Wilson ist eine davon. Sie gehörte zu den Frauen, zu denen der vermeintliche Genosse eine Liebesbeziehung hatte.

Londoner Polizei räumt Fehler ein

Nachdem seine wahre Identität bekannt wurde, forderte Wilson Aufklärung. Im Film betont sie, dass sie sich nicht auf unverbindliche Erklärungen der Londoner Polizeispitze einlässt, die im Fall Kennedy/Stone große Fehler einräumte, die nicht mehr vorkommen sollen.

Doch der Film zeigt anhand von vielen Beispielen der letzten 40 Jahre, dass es sich dabei keinesfalls um einen Einzelfall handelte. Die Londoner Me­tropolitan Police hat mehr als 1.000 linke Gruppen infiltriert, darunter Initiativen, die sich gegen den Vietnamkrieg oder das Apartheidsregime in Südafrika engagierten. Feministische Gruppen wurden von einer Polizeiagentin ausspioniert, die sich Sarah nannte und auch auf Familien, deren Kinder Opfer von Polizeigewalt waren, wurden Polizeiagenten angesetzt.

Einer von ihnen war Peter Francis. Er quittierte seinen Dienst aus politischen Gründen, wurde Whistleblower und berichtet im Film offen über seine frühere Tätigkeit. Ihn habe besonders schockiert, dass er für seine Spitzeltätigkeit die Identität Verstorbener annehmen musste, erzählt er.

Nach der Vorführung erzählte Kirkpatrick, dass Kennedy/Stone auch zahlreiche linke Projekte in Berlin besucht hat. Was er darüber ausgeplaudert hat, ist bis heute nicht bekannt. „Vielleicht kann der Film die Diskussion auch nach so viel Jahren noch anstoßen. Deshalb habe ich viel Arbeit reingesteckt“, so Kirkpatrick zur taz.

Am 19. November wird der Film um 19:30 Uhr beim Politischen Café in der Kinzigstraße 9 (K9) in Friedrichshain gezeigt. Im Anschluss ist eine Diskussion mit Kirkpatrick geplant. In­ter­es­san­t*in­nen können auch kostenlos Filmkopien für Vorführungen anfordern: madoc@barkingmad.tv.

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