Algerien im Umbruch: Bouteflikas fauler Kompromiss

Die Wahl ist abgeblasen, doch Bouteflika soll vorerst weiter regieren – über das offizielle Ende seiner Amtszeit hinaus. Erneute Proteste sind geplant.

Algerier halten ihre Nationalflagge, während sie in den Straßen von Algier feiern

Diese Algerier in Algier feiern, andere sind skeptisch Foto: dpa

ALGIER taz | Wahlen auf unbestimmte Zeit verschoben, Regierung umgebildet, Verfassung verletzt: Mit diesen fragwürdigen Maßnahmen hat Algeriens Regime am Montagabend auf die anhaltenden Massenproteste im Land reagiert. Die herrschende Clique bewegt sich. Zumindest ein bisschen.

Am Montagabend wandte sich der 82-jährige, gesundheitlich angeschlagene Präsident in einem Brief an die algerische Bevölkerung. Darin erklärte er, er werde nicht für ein weiteres Mandat kandidieren – eine der Hauptforderungen der algerischen Jugend.

Per Dekret löste Bouteflika die Wahlkommission HIISE mit sofortiger Wirkung auf und verschob den Urnengang, ohne allerdings einen neuen Wahltermin bekannt zu geben. Auch kündigte er eine „nationale Konferenz des Konsens“ an, in deren Rahmen der politische Übergangsprozess und eine neue Verfassung beziehungsweise eine Verfassungsänderung vorangetrieben werden sollen.

Dass dies die erhitzten Gemüter der Protestbewegung und der Opposition beruhigen wird, ist jedoch praktisch ausgeschlossen. Seit Mitte Februar demonstrieren Hunderttausende gegen eine ursprünglich vorgesehene fünfte Kandidatur von Staatschef Abdelaziz Bouteflika in der Präsidentschaftswahl, die eigentlich im April hätte stattfinden sollen.

Regierung umgebildet

Der auf den Protesten stark angefeindete Regierungschef Ahmed Ouyahia reichte noch am Abend seinen Rücktritt ein. Sein Amt übernimmt der Bouteflika-Vertraute und seit 2015 amtierende Innenminister Noureddine Bedoui. Für den früheren Außenminister Ramtane Lamamra wurde der Posten des Vize-Premierministers geschaffen. Er übernimmt zudem erneut das Amt des Außenministers.

Mit dieser Regierungsumbildung hat sich Bouteflikas Clan offenbar im Machtapparat durchsetzen können. Im unausweichlichen Übergangsprozess zu einem Post-Bouteflika-Algerien dürften seine Leute eine führende Rolle spielen.

Die hinter dem Staatschef stehende Regimefraktion hat es damit geschafft, Bouteflika tatsächlich im Amt zu halten. Nach ersten Interpretationen der Ankündigung vom Montag, wird der greise Präsident damit auch nach seinem offiziellen Mandatsende im April Staatsoberhaupt bleiben – und zwar auf unbestimmte Zeit.

Feiern oder demonstrieren?

Trotz dieses bitteren Beigeschmacks zogen nur Minuten nach den Bekanntgaben Tausende Menschen auf die Straßen der Hauptstadt Algier. Bis in die frühen Morgenstunden feierten sie an der Grande Poste und dem Place Audin in der Innenstadt diesen ersten Teilerfolg.

Die Freude mischt sich jedoch mit Skepsis: „Es gibt keinen Grund zum Feiern, Bouteflika bleibt im Amt und seine Leute verletzten die Verfassung“, sagte ein Café-Betreiber in Sichtweite der demonstrierenden Jugendlichen am Place Audin gegenüber der taz.

In der Tat blieben die meisten, die zuletzt ausgiebig gegen Bouteflikas Kandidatur demonstriert hatten, am Montag zu Hause und bereiteten erste Schritte für das weitere Vorgehen vor. Während in sozialen Netzwerken und seitens zahlreicher Oppositionsparteien für kommenden Freitag erneut zu landesweiten Großdemonstrationen aufgerufen wird, will bereits am Dienstagvormittag die StudentInnenschaft erneut auf die Straße ziehen.

Unklar bleibt derweil, welche Rolle das im Land einflussreiche Militär in den nächsten Wochen zu spielen gedenkt. Bouteflika hatte noch am Montagabend Armeechef Ahmed Gaid Salah empfangen. Staatsmedien veröffentlichten Bilder des Zusammentreffens, jedoch keinerlei Informationen über den Inhalt der Konsultationen.

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