Al Qaida in Syrien: Islamisten sind sich nicht grün
Angeblich soll Al Qaida mit der islamistischen Nusra-Front fusioniert sein. Berichte darüber haben einen Streit zwischen den Rebellen in Syrien ausgelöst.
BERLIN taz | Wenn es um al-Qaida geht, zeigt die oft beschworene Einheit aller bewaffneten Gruppen Syriens im Kampf gegen das Assad-Regime schnell Risse. Das größte syrische Oppositionsbündnis, die Nationale Koalition, äußert unverhohlen ihren Unmut über jüngste Berichte eines Zusammenschlusses zwischen al-Qaida im Irak und der syrischen Nusra-Front.
Die Koalition forderte am Sonntag die militante islamistische Nusra „nachdrücklich“ auf, die Reihen der „nationalistischen Syrer“ nicht zu verlassen: „Wir stellen uns gegen jedwede Kräfte, die den Willen des syrischen Volkes, ihre eigene Zukunft zu bestimmen, behindern könnten.“ Auch die Freie Syrische Armee (FSA) distanzierte sich von der Nusra-Front.
In den Kreisen „nationalistischer Syrer“, zu denen auch zahlreiche islamistische Gruppen zählen, gilt al-Qaida als auswärtige Kraft. Das Terrornetzwerk verfolgt eine internationalistische Strategie, derzufolge Syrien in einem künftigen islamischen Emirat aufgehen soll. Andere Gruppen wollen demgegenüber einen islamischen Staat innerhalb der heutigen Grenzen Syriens errichten.
Manche syrische Islamisten halten nichts von Al-Qaida
Daher kommt die Kritik an der Nusra-Front nicht nur aus den Reihen des Oppositionsbündnisses, sondern auch aus islamistischen Kreisen. In einer Erklärung der Syrischen Befreigungsfront (SLF) hieß es laut AFP am vergangenen Donnerstag in deutlichen Worten unter Anspielung auf Al-Qaida-Führer: „Als wir in Syrien unseren heiligen Krieg gegen das sektiererische Regime begonnen haben, […] taten wir das nicht wegen der Gefolgschaft zu einem Mann hier oder einem Mann dort.“ Die SLF warf al-Qaida im Irak vor, sie versuche, „uns einen Staat aufzuoktroyieren, ohne sich mit uns zu beraten, geführt von einem Emir, den wir nicht ausgesucht haben und von dem wir nichts hören außer in den Medien“.
Die Syrische Befreiungsfront ist eine Dachorganisation von über 20 islamistischen Brigaden, die unabhängig von der Freien Syrischen Armee agiert, aber in Kontakt mit ihr steht. Mehrere Kommandeure einflussreicher Brigaden sind Mitglied des im Dezember gegründeten Militärischen Oberkommandos der FSA.
Andere bekannte Brigaden wie Ahrar al-Scham enthielten sich öffentlicher Kritik an der Nusra-Front und al-Qaida. Ahrar al-Scham ist Teil eines weiteren Islamisten-Bündnisses, der Syrischen Islamischen Front. Sie verfolgt eine salafistische Ideologie und strebt einen Gottesstaat an.
Chef der Nusra-Front dementiert Gründung der neuen Allianz
Letztlich war – gewollt oder nicht – Al-Qaida-Chef Aiman al-Sawahiri Auslöser der Kontroverse. Am 7. April forderte er islamische Kämpfer in Syrien dringend auf, ihre Kräfte im Kampf gegen Assad zu vereinen. Einen Tag später legte Abu Bakr al-Baghdadi, Al-Qaida-Chef im Irak, nach. In einer Audiobotschaft kündigte er die Vereinigung seiner Organisation mit der syrischen Nusra-Front an. Die neue Allianz habe den Namen „Islamischer Staat im Irak und der Levante“, sagte er. Unter der Levante versteht man die Anrainerstaaten des östlichen Mittelmeers zwischen dem Süden der Türkei und Ägypten.
Am 10. April schließlich trat Abu Mohammad al-Golani, Chef der Nusra-Front, auf den Plan. Ebenfalls in einer Audiobotschaft stritt er die Gründung der neuen Allianz ab. Er habe davon aus den Medien erfahren, erklärte er. Gleichzeitig schwor al-Golani aber Sawahiri Gefolgschaft.
Die Nusra-Front, die sich im Januar 2012 erstmals zu einem Anschlag bekannte, ist nicht die zahlenmäßig stärkste bewaffnete Einheit aufseiten der syrischen Aufständischen. Diese Position kommt der FSA zu. Doch die Front verfügt – vermutlich auch dank ihrer Verbindungen zu al-Qaida im Irak – über die besten Waffen und erprobte Kämpfer. Daher kommt es bei größeren Angriffen gelegentlich zu einer Kooperation zwischen der FSA und anderen Gruppen mit der Nusra-Front. Die jetzige Kontroverse klärt in gewissem Sinne die ideologischen Fronten.
Für manche Rebellen ist die Debatte jedoch nur bedingt relevant. Ein Aktivist aus der Provinz Aleppo sagte beispielsweise gegenüber AP: „Die Rebellen in Syrien haben ein gemeinsames Ziel: den Sturz des Regimes von Baschar al-Assad. Alles, was von außen kommt, ist für uns ohne Interesse.“
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