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Aktueller WelthungerindexHungertreiber Klimawandel

Die Erderhitzung und Konflikte verschärfen die Ernährungsunsicherheit, zeigt der neue Welthungerindex. 155 Millionen Menschen hungern.

Die extreme Dürre im Süden Madagaskars führt für die Bewohner zu einer extremen Hungersnot Foto: Tsiory Andriantsoarana/dpa/WFP

Berlin epd | Kriege, Klimakrise und die Coronapandemie führen dazu, dass immer mehr Menschen hungern müssen. Wie aus dem am Donnerstag in Berlin veröffentlichten Welthunger-Index 2021 der Welthungerhilfe hervorgeht, waren im vergangenen Jahr 155 Millionen Menschen, überwiegend in Konfliktregionen, von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen – fast 20 Millionen Menschen mehr als im Jahr 2019. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) sprach von einem „unglaublichen Skandal“. „Hunger ist Mord, denn wir haben das Wissen und die Technologie, alle Menschen satt zu machen“, betonte er.

Der neue Welthungerindex untersucht die Ernährungslage in 128 Ländern. Ihm zufolge drohten 2020 knapp 30 Millionen Menschen zu verhungern. Das internationale Ziel, den Hunger in der Welt bis 2030 zu besiegen, werde nicht erreicht, wenn die Menschheit weitermache wie bisher, heißt es in dem Bericht zum Welthunger-Index.

Vor allem afrikanische Länder südlich der Sahara und Südasien sind den Daten zufolge von Hungersnöten betroffen. Der Welthungerindex misst den Grad der Ernährungsunsicherheit auf einer 100-Punkte-Skala. Unter 9,9 Punkte gelten als „niedrig“, mehr als 50 als „gravierend“.

Somalia erreicht mit 50,8 den schlechtesten Wert. Als „sehr ernst“ wird die Situation in der Zentralafrikanischen Republik (43), im Tschad (39,6), der Demokratischen Republik Kongo (39), in Madagaskar (36,3) und im Jemen (45,1) eingestuft. Bei 47 Ländern ist es laut Index inzwischen ausgeschlossen, dass sie bis 2030 ein niedriges Hungerniveau erreichen, 28 davon liegen südlich der Sahara.

Täglich verhungern 15.000 Kinder

„Unsere Befürchtungen im letzten Jahr haben sich leider bestätigt. Hungersnöte sind zurück und multiple Krisen lassen die Zahl der Hungernden immer weiter steigen“, so Marlehn Thieme, Präsidentin der Welthungerhilfe. „Die Coronapandemie hat die angespannte Ernährungslage in vielen Ländern des Südens noch einmal verschärft und Millionen Familien haben ihre Existenzgrundlage verloren. Die größten Hungertreiber bleiben aber Konflikte und der Klimawandel.“

Der scheidende deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller sagte der Augsburger Allgemeinen, die Folgen der Coronapandemie und viele Konflikte hätten zu einer negativen Trendwende geführt. „Millionen Menschen stehen ohne Arbeit auf der Straße, Versorgungsketten sind unterbrochen, Lebensmittelpreise steigen.“ Verschärft werde die Lage durch den Klimawandel. Menschen, die nichts mehr zu essen haben, verließen ihre Heimat, und es komme zu Verteilungskonflikten.

Jeden Tag verhungerten 15.000 Kinder, sagte der 66 Jahre alte CSU-Politiker, der dem neu gewählten Bundestag nicht mehr angehört und die Leitung der UN-Organisation für industrielle Entwicklung übernehmen wird. Organisationen und Hilfswerke müssten ausreichend finanziert werden, um den weltweiten Hunger zu bekämpfen.

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5 Kommentare

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  • Der Anteil der Hungernden an der Weltbevölkerung ist seit der Industrialisierung deutlich zurückgegangen. Früher waren auch in Europa Hungersnöte nicht ungewöhnlich. Die Artikelüberschrift "Hungerteiber Klimawandel" suggeriert, dass früher weniger gehungert worden sei. Das ist schlicht falsch. Wenn überhaupt ein Zusammenhang zwischen Klimawandel und Hunger besteht, könnte man fast auf die - natürlich unsinnige - Behauptung kommen, der Klimawandel bekämpfe den Hunger. Richtig ist: Hungern müssen die, die sich eine ausreichende Ernährung nicht leisten können. Wer genug Geld hat, hungert in keinem Land, egal wie heiß es dort ist.

  • Merkwürdig wird beim Welthungerindex der Zusammenhang von hinten aufgezäumt, wenn es heißt, der Klimawandel führe zu immer mehr Hungernden, das sicher auch, aber dabei ist es vor allem umgekehrt, der millionenfache Hunger in der Welt, an 800 Millionen Menschen gelten als unternährt, bei 82 Millionen Geflüchteten inner-, außerhalb ihrer Länder UNHCR Bericht 2020, 240 Millionen Arbeitsmigranten*nnen mit ungesichertem Status, treibt den Klimawandel von Menschenhand solange an bis die Weltvölkergemeinschaft sich über UNO dazu durchringt, den ganzen Planeten Erde zum Krisengebiet zu erklären, in dem im Bereich Ernährung, Gesundheit, Impfstoffversorgung Mangelwirtschaft herrscht, die neben neuen Agrarwirtschaftssukturen kleinbäuerlicher Betriebe vernetzt mit Klima-, Umweltschutz, vor allem erfordert, alle Menschen mit UNO Lebensmittelkarten auszustatten, mit dem Anspruch über Lieferketten ausreichend mit Lebensmitteln, sauberem Trinkwasser versorgt zu werden, bei gleichzeitiger Durchlässigkeit von Grenzen u. a. auf tradierten Migranten*nnen Strecken, Wanderpfaden in Afrika, Mittel-, Südamerika in Länder , Regionen zu gelangen wo sie unter Vorlage dieser Lebensmittelkarten versorgt werden können, statt, dass mit EU Mitteln in Milliarden € Höhe innerhalb Afrikas, verstärkt in der Sahara vom Atlantik bis zum Roten Meer Grenzregime entstehen, örtliche Mikrowirtschaftsstrukturen zerstört werden, auf EU Verlangen Wanderwege zu blockieren, Migrationsströme nach Europa zu verhindern

    • @Joachim Petrick:

      Andererseits birgt Wahrnehmung Hungers in der Welt als Motor von Klimawandel Gefahr, radikalisierte Kräfte zu mobilisieren, nicht den Hunger in der Welt, sondern Hungernde verdeckt bis offen mit militärischen Mitteln zu bekämpfen, wenn es sie es nicht schon längst tun?

  • Neben dem Klimawandel, der immer mehr Menschen die Lebensgrundlage entzieht, ist sogar noch mehr die fahrlässig viel zu hohe Geburtenrate für die Hungerkatastrophe in Somalia verantwortlich.

    Von 1950 bis 2018 hat sich die Bevölkerung Somalias versechsfacht, von 2,3 auf 15 Millionen Menschen. Das konnte gar nicht gut gehen. Die somalische Regierung sollte sich gezwungen sehen, mit ähnlichen Methoden wie denen, die sich in China bewährt haben, Ein-Kind-Familien durchsetzen. Ein weiteres Bevölkerungswachstum beschleunigt den Klimawandel noch weiter und führt zu immer schlimmeren Hungerkatastrophen. Eine Versorgung mit Lebensmitteln sollte deshalb in solchen Fällen immer die letzte Möglichkeit sein.

    • @VanessaH:

      Das Stichwort "Klimawandel" kommt in der Meldung mehr oder weniger unzusammenhängend vor. Im Gegenteil, es steht klar im Artikel, dass der Haupttreiber für Hunger Konflikte sind.

      Mittelfristig wird wahrscheinlich auch der Klimawandel einen großen Einfluss haben.

      Richtig ist aber auch, dass die Hungerproblematik nicht ohne Betrachtung des Bevölkerungswachstums erfolgen sollte.

      So wie man D vorwerfen kann, dass es seit 1990 (erste größere Klimakonferenz) nicht genug für die Reduktion von CO2 gemacht hat, so ist ist allen Staaten mindestens seit dem Zeitpunkt auch klar, dass Bevölkerungswachstum genau zu dem Problem beiträgt. Nur, reduziert hat es keiner.