Aktuelle Nachrichten zu Afghanistan: Taliban gratulieren der Bevölkerung
Die USA beenden wenige Stunden vor dem Fristende den Abzug ihrer Truppen. „Dieser Sieg gehört uns allen“, so ein Sprecher der Islamisten, als das letzte Flugzeug abhob.
Baerbock: Linke haben sich mit Afghanistan ins Abseits geschossen
Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat Zweifel an der Regierungsfähigkeit der Linken geäußert. „Wir reden mit allen demokratischen Parteien“, sagte die Grünen-Vorsitzende am Dienstag mit Blick auf mögliche künftige Koalitionen nach der Bundestagswahl vor Journalisten in Potsdam. „Das bedeutet auch mit den Linken – mit der Einschränkung zu sagen, außenpolitisch muss man aber auch handlungsfähig sein.“ Sie betonte: „Die Linken haben sich mit ihrer Abstimmung im Bundestag zu Afghanistan selber ins Abseits geschossen.“
Wenn man Menschen retten müsse in Afghanistan und das nur mit der Bundeswehr möglich sei, die Linke dies aber nicht unterstütze, stelle das „große Fragezeichen an die internationale Verantwortung, die in einer nächsten Bundesregierung natürlich gegeben sein muss“, sagte Baerbock. Eine Koalition von SPD, Grünen und der Linken gilt als mögliche Option nach der Bundestagswahl.
Die Grünen-Chefin hält mehr Verantwortung von Deutschland in der Außenpolitik für notwendig. „Eine zentrale Aufgabe der nächsten deutschen Bundesregierung wird sein, außenpolitisch endlich wieder Verantwortung zu übernehmen, weil wir erlebt haben, wenn außenpolitisch sich in den letzten Jahren komplett weggeduckt wird, dass dann andere Kräfte – insbesondere Russland, aber auch China – diese Lücken füllen“, sagte Baerbock. „Das kann sich nicht nur Deutschland, sondern das kann sich Europa nicht länger leisten.“ (dpa)
Amnesty International fordert Aufklärung
Nach einem US-Drohnenangriff in Afghanistan fordert Amnesty International Aufklärung. Berichten zufolge seien bei dem Angriff auf mutmaßliche Terroristen am Sonntag neun Zivilsten getötet worden, darunter auch Kinder, erklärte die US-amerikanische Amnesty-Sektion am Montagabend (Ortszeit) in New York. Es brauche eine transparente und glaubwürdige Untersuchung des Luftschlags, sagte der USA-Direktor von Amnesty International, Paul O Brien.
Am Sonntag hatten die US-Streitkräfte ein mit Sprengstoff beladenes Auto nahe dem Kabuler Flughafen beschossen. Laut dem afghanischen TV-Sender Tolo News wurden bei dem Drohnen-Angriff mehrere Zivilisten getötet und Wohnhäuser zerstört. Das zentrale US-Einsatzkommando Centcom erklärte, den Berichten nachzugehen. (epd)
Kämpfe am Eingang zum Pandschir-Tal
Angaben von Widerstandskämpfern zufolge haben die militant-islamistischen Taliban versucht, in die afghanische Provinz Pandschir vorzudringen. Diese ist die einzige von 34 Provinzen des Landes, die noch nicht unter Kontrolle der Islamisten steht. Taliban-Kämpfer hätten am Montagabend (Ortszeit) am Eingang zum Pandschir-Tal angegriffen, sagte der Sprecher der Nationalen Widerstandsfront, Fahim Daschti, in einer am Dienstag auf Whatsapp geteilten Videonachricht. Die Taliban äußerten sich noch nicht zu dem Vorfall.
Die Islamisten hätten sieben oder acht Kämpfer verloren, die gleiche Zahl sei verletzt worden, sagte Daschti weiter. Auch mehrere Widerstandskämpfer seien verwundet worden. Zuletzt hatte es von beiden Seiten geheißen, man wolle die offene Machtfrage durch Verhandlungen lösen. Gleichzeitig bauen prominente Afghanen aus dem Tal einen Widerstand gegen die Islamisten auf.
Pandschir konnte von den Taliban auch während ihrer ersten Herrschaft zwischen 1996 und 2001 nicht erobert werden. Das lag neben dem erbitterten Widerstand der Nordallianz auch an der geografischen Lage – der Eingang zum Tal ist eng und gut zu verteidigen. Während die Islamisten in den vergangenen Monaten praktisch in allen Provinzen angriffen, gab es nur vereinzelte Angriffe auf Pandschir. (dpa)
Taliban-Sprecher gratuliert Afghanen nach US-Abzug
Der Sprecher der militant-islamistischen Taliban hat der afghanischen Bevölkerung nach dem Abzug der USA aus dem Land gratuliert. Das berichtet der Sender CNN. „Dieser Sieg gehört uns allen“, sagte Sabihullah Mudschahid demnach auf der Start- und Landebahn des Flughafens von Kabul vor einer kleinen Menschenmenge nur wenige Stunden nachdem der letzte US-Soldat das Land verlassen hatte.
Die Taliban wünschten sich gute Beziehungen mit den USA und der Welt, sagte er laut CNN. Man hoffe, dass Afghanistan nie wieder besetzt werde und das Land wohlhabend und frei bleibe – eine Heimat für alle Afghanen, die islamisch regiert werde. Mudschahid habe zudem gesagt, er hoffe, dass die Taliban-Kämpfer nun die Menschen gut behandelten. Die Nation habe es verdient, in Frieden zu leben. „Wir sind die Diener der Nation, Gott bewahre, dass wir über die Nation herrschen“, sagte er. (dpa)
Maas rechnet mit Regierung der Taliban „in Kürze“
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) rechnet damit, dass die militant-islamistischen Taliban „in Kürze“ eine neue afghanische Regierung vorstellen werden. Dann werde sich auch zeigen, ob die neuen Machthaber in Afghanistan dazu bereit sind, mit der personellen Besetzung auch andere Bevölkerungsgruppen zu repräsentieren, sagte der SPD-Politiker am Dienstag in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad.
Nach dem Abzug der US-Truppen aus Afghanistan sind westliche Staaten auf Kooperation mit den Taliban angewiesen, um eigene Staatsbürger und schutzsuchende Afghanen außer Landes zu bringen. Die Taliban haben zugesagt, die Ausreise zu gewähren. „Ob man sich darauf verlassen kann, wird man, glaube ich, erst in den kommenden Tagen und auch Wochen sehen“, sagte Maas.
Deutschland will noch mehr als 40.000 Menschen bei der Ausreise aus Afghanistan unterstützen – auf dem Landweg über die Nachbarländer oder auf dem direkten Luftweg vom Flughafen Kabul. Maas hofft darauf, dass der Flughafen „in einem überschaubaren Zeitraum“ wieder betriebsfähig ist und von dort Charterflüge starten können. (dpa)
Die USA beenden Abzug
Die USA haben den Abzug aus Afghanistan und damit den längsten Krieg in der Geschichte ihres Landes beendet. Einige Stunden vor dem Ablauf der von US-Präsident Joe Biden gesetzten Frist hoben die letzten US-Flugzeuge mit Soldaten des Einsatzes vom Flughafen Kabul ab, wie das amerikanische Militär mitteilte. Außenminister Antony Blinken erklärte, es hielten sich noch weniger als 200 Amerikaner in Afghanistan auf, die das Land verlassen wollten. Die USA wollten sich weiterhin für ihre Ausreise einsetzen.
Die Taliban erklärten Afghanistan für unabhängig. „Amerikanische Soldaten haben den Flughafen von Kabul verlassen und unser Land seine volle Unabhängigkeit erlangt“, sagte Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid am Dienstagmorgen. Nach dem Abzug der US-Truppen wolle man „gute Beziehungen mit den USA und der ganzen Welt haben“, sagte der Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid am Dienstag bei einer Rede am Flughafen in Kabul. „Wir begrüßen gute diplomatische Beziehungen mit allen.“
Die Extremisten übernahmen kurz nach dem Abzug der Amerikaner die Kontrolle über den internationalen Flughafen von Kabul. Noch vor Sonnenaufgang gingen schwer bewaffnete Extremisten durch die Hangars und über das Rollfeld des militärischen Teils des Flughafens. (ap/afp)
UNO verabschieden Resolution
Der UN-Sicherheitsrat hat die radikalislamischen Taliban in einer Resolution aufgefordert, Afghanen und ausländische Staatsangehörige weiterhin ungehindert aus Afghanistan ausreisen zu lassen. Eine entsprechende Resolution wurde am Montag mit 13 Stimmen angenommen, die Vetomächte China und Russland enthielten sich.
In dem von der Nachrichtenagentur AFP eingesehenen Resolutionstext wird auf eine Erklärung der Taliban vom Freitag verwiesen, in der die Islamisten versicherten, dass Afghanen das Land jederzeit verlassen könnten – auf dem Luft- wie auf dem Landweg. Der Sicherheitsrat erwarte von den Taliban, dass sie sich an diese Zusage und weitere Verpflichtungen hielten, heißt es in der Resolution. Ebenso müsse der „vollständige, sichere und ungehinderte“ humanitäre Zugang gewährleistet werden.
Die Resolution hebt auch die „Notwendigkeit“ zur Aufrechterhaltung der Rechte von Frauen, Kindern und Minderheiten sowie einer „inklusiven“ politischen Lösung für Afghanistan hervor. Weiter heißt es, Afghanistan dürfe nicht „benutzt werden, um ein anderes Land zu bedrohen oder anzugreifen oder Terroristen zu schützen oder sie auszubilden“.
Auf die von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron geforderte „sichere Zone“ in Kabul konnte sich das mächtige UN-Gremium hingegen nicht einigen. Macron hatte am Wochenende Hoffnungen auf konkretere Maßnahmen durch den UN-Sicherheitsrat geweckt. Der französischen Wochenzeitung Journal du Dimanche hatte er gesagt, die französische und britische Regierung wollten einen Resolutionsentwurf vorlegen, „der darauf abzielt, unter UN-Kontrolle eine ‚sichere Zone‘ in Kabul zu definieren, die die Fortsetzung humanitärer Operationen ermöglicht“. Er sei „sehr zuversichtlich, dass dies erfolgreich sein wird“. Er wüsste nicht, „wer dagegen sein könnte, humanitäre Projekte zu sichern“. (afp)
Pakistan lehnt weitere Flüchtlinge ab
Pakistan hat angekündigt, keine weiteren Flüchtlinge aus Afghanistan mehr aufzunehmen. Sein Land habe bereits zwischen drei und vier Millionen Afghanen aufgenommen, sagte der pakistanische Botschafter in Deutschland, Mohammad Faisal, dem Berliner Tagesspiegel (Dienstag). Jetzt sollten „reichere und größere“ Länder Geflüchtete von dort beherbergen. Sein Land unterstütze die Ausreise mit allen Kräften, die Grenzen würden erst einmal geöffnet bleiben, sagte er.
Die Lösung des neuen Flüchtlingsproblems liege bei den Staaten, die 20 Jahre in Afghanistan das Sagen gehabt hätten, betonte der Botschafter. Die internationale Gemeinschaft müsse jetzt mit den Taliban sprechen, um eine Lösung zu finden, sagte Faisal vor einem Besuch von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad. (epd)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken