Aktuelle Nachrichten zu Afghanistan: 600 Soldaten für Evakuierungsaktion
Iran befürchtet eine Zuspitzung der Corona-Lage durch afghanische Flüchtende. Die Bundesregierung billigt den Einsatz von 600 Soldaten in Afghanistan. Der Überblick.
Iran befürchtet Zuspitzung der Corona-Lage
Eine neue Flüchtlingswelle aus dem Nachbarland Afghanistan könnte nach Ansicht des iranischen Gesundheitsministers die bereits akute Corona-Krise im Land noch weiter verschärfen. „Die Unruhen in Afghanistan und die eventuelle Flucht der Afghanen in den Iran könnten im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zu einer Gefahr werden“, sagte Minister Said Namaki am Mittwoch laut der iranischen Nachrichtenagentur Isna.
Der Iran befürchtet, wie nach der sowjetischen Invasion 1979, eine erneute Flüchtlingswelle aus Afghanistan. Eine Einreiseerlaubnis wie damals für Millionen afghanische Flüchtlinge kann sich das Land diesmal wegen der Corona-Pandemie und der Wirtschaftskrise nicht leisten. An den Grenzübergängen wurden daher Pufferzonen eingerichtet, wo die afghanischen Flüchtlinge vorerst geschützt sind, aber auch zeitnah in ihre Heimat zurückkehren können. Laut Innenministerium hat es bisher keinen Flüchtlingsstrom gegeben.
Wegen der Delta-Variante hat sich die Corona-Krise im Iran dramatisch verschärft. Mit über 600 Todesfällen und mehr als 50.000 Neuinfektionen am Tag registriert das Gesundheitsministerium immer wieder neue Höchstwerte. Die Gesamtzahl der Toten in Verbindung mit dem Coronavirus liegt bei fast 100.000, die der Infektionen bei mehr als 4,5 Millionen. Wegen der Wirtschaftskrise und US-Sanktionen hat das Land nicht genügend Vakzine. (dpa)
Bundeswehr fliegt 176 weitere Menschen aus Kabul aus
Die Bundeswehr hat 176 weitere Menschen aus der afghanischen Hauptstadt Kabul ausgeflogen. Die Bundeswehrmaschine sei am Mittwochvormittag gestartet, schrieb Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) am Mittwochvormittag im Onlinedienst Twitter. Die Menschen an Bord der Maschine vom Typ A400M werden nun in die usbekische Hauptstadt Taschkent gebracht. Von dort sollen sie nach Deutschland ausgeflogen werden.
Seit der Einrichtung der Luftbrücke seien damit mehr als 400 gefährdete Menschen in Sicherheit gebracht worden, teilte das Verteidigungsministerium mit. Die Bundeswehr hatte am Dienstagabend 139 Menschen aus der afghanischen Hauptstadt nach Taschkent ausgeflogen. An Bord dieses dritten deutschen Evakuierungsflugs befanden sich nach Angaben des Auswärtigen Amts „deutsche, andere europäische und afghanische Staatsbürger“.
131 Menschen, die zuvor aus Kabul in Sicherheit gebracht worden waren, landeten in der Nacht zum Mittwoch an Bord einer Lufthansa-Maschine in Frankfurt. Im Laufe des Mittwoch waren insgesamt vier Evakuierungsflüge nach Kabul geplant.
Frankreich flog in der Nacht zum Mittwoch nach Regierungsangaben 216 weitere Menschen aus Afghanistan aus, unter ihnen 184 besonders schutzbedürftige Afghanen. Großbritannien brachte seit der Machtübernahme der Taliban bereits mehr als 2.000 Afghanen sowie gut 300 britische Staatsangehörige außer Landes, wie Premierminister Boris Johnson am Mittwoch bei einer Dringlichkeitssitzung im Parlament sagte. (afp)
Bis zu 600 Bundeswehrsoldaten sollen nach Afghanistan
Die Bundesregierung hat den Einsatz von bis zu 600 Bundeswehrsoldaten für die Evakuierungsaktion im afghanischen Kabul beschlossen. Das Kabinett billigte am Mittwoch den Entwurf für ein entsprechendes Bundestagsmandat, über das voraussichtlich in der kommenden Woche im Parlament abgestimmt werden soll. Der bereits seit Montag laufende Einsatz ist bis Ende September befristet. Mit dem Mandat wollen Regierung und Parlament nachträglich die rechtliche Grundlage dafür schaffen.
Der Bundestag muss jedem bewaffneten Einsatz der Bundeswehr zustimmen. In Ausnahmefällen ist das auch nachträglich möglich, vor allem, wenn Gefahr in Verzug ist. Das trifft nach Ansicht der Regierung auf die Evakuierung deutscher Staatsbürger und afghanischer Helfer von Bundeswehr und Bundesministerien zu.
„Die Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte duldet keinen Aufschub“, heißt es in einem Begleitschreiben von Außenminister Heiko Maas (SPD) und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) zum Mandatsentwurf, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Der Einsatz hatte am Montag mit der Entsendung von zwei Evakuierungsmaschinen vom Typ A400M nach Kabul begonnen, die nun neben Bundesbürgern und Afghanen auch Menschen aus anderen Ländern ins Nachbarland Usbekistan ausfliegen sollen.
Zum Einsatz kommen für Evakuierungen ausgebildete Fallschirmjäger, die Eliteeinheit KSK, aber auch Feldjäger, Sanitäter und die Flugzeugbesatzungen der Luftwaffe. Der Einsatz gilt als bisher größte Evakuierungsmission der Bundeswehr. (dpa)
USA untersucht Todesfälle bei Evakuierung am Flughafen
Die US-Luftwaffe hat eine Untersuchung zu dem tödlichen Chaos rund um den Abflug einer ihrer Maschinen am Flughafen in Kabul eingeleitet. Das teilte die US Air Force am Dienstag (Ortszeit) mit. Ein Flugzeug der US-Luftwaffe war am Montag vom Flughafen der afghanischen Hauptstadt gestartet, umringt von Hunderten Zivilisten auf dem Rollfeld. Bilder der dramatischen Szene gingen um die Welt: Auf einem Video war zu sehen, wie Aberdutzende Menschen neben der rollenden US-Militärmaschine herliefen. Einige kletterten auf das Flugzeug und klammerten sich fest. Die Luftwaffe teilte nun mit, nach der Landung der Maschine in Katar seien „menschliche Überreste“ im Fahrwerkschacht entdeckt worden.
Die Maschine bleibe vorerst zu weiteren Untersuchungen am Boden, hieß es weiter. Auch Videos und Beiträge aus sozialen Medien würden in die Nachforschungen einbezogen. Für besonderes Entsetzen hatten Aufnahmen gesorgt, die zeigen sollen, wie Menschen aus großer Höhe aus dem Militärflugzeug fielen. Es wurde gemutmaßt, dass sie sich im Fahrwerk versteckt hatten oder sich festhielten. Die Air Force machte in ihrer Stellungnahme keine Angaben dazu, ob tatsächlich Menschen herabgestürzt waren, erwähnte die Clips aber explizit und betonte, alle verfügbaren Informationen würden geprüft.
Nach Angaben der US-Luftwaffe war die Maschine vom Typ C-17 am Montag auf dem Flughafen der afghanischen Hauptstadt gelandet, um Ausrüstung für die dortigen Evakuierungsaktionen zu liefern. Bevor die Besatzung das Material habe entladen können, sei der Flieger jedoch von Hunderten Afghanen umringt gewesen, die Sicherheitsabsperrungen durchbrochen hätten. Angesichts der sich rapide verschlechternden Sicherheitslage habe die Crew entschieden, das Rollfeld so schnell wie möglich wieder zu verlassen. (dpa)
Biden und Johnson kündigen virtuellen G7-Gipfel an
Nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban in Afghanistan wollen die G7-Staaten bei einem virtuellen Gipfeltreffen über ihr weiteres Vorgehen beraten. US-Präsident Joe Biden und der britische Premierminister Boris Johnson würden nächste Woche einen Gipfel einberufen, „um eine gemeinsame Strategie und Vorgehensweise zu erörtern“, teilte das Weiße Haus in Washington am Dienstag nach einem Telefonat der beiden Politiker mit.
Biden und Johnson hätten „die Notwendigkeit einer fortgesetzten engen Abstimmung zwischen den Verbündeten und demokratischen Partnern in der künftigen Afghanistan-Politik“ besprochen, teilte das Weiße Haus weiter mit. Dies umfasse auch zusätzliche humanitäre Hilfe und Unterstützung für Flüchtlinge und andere gefährdete Afghanen. Der G7-Gruppe gehören neben den USA und Großbritannien Deutschland, Kanada, Frankreich, Italien und Japan an. (afp)
Österreich lehnt Aufnahme afghanischer Flüchtlinge ab
Nach der Machtübernahme der Taliban lehnt Österreich eine Aufnahme weiterer Flüchtlinge aus Afghanistan ab. Es habe jetzt oberste Priorität, „mit den Nachbarländern von Afghanistan zu reden, damit Schutz und Hilfe in der Region sichergestellt ist“, sagte der österreichische Innenminister Karl Nehammer der Welt (Mittwochsausgabe).
„Aber illegale Migration, die durch ein Dutzend sichere Länder verläuft, und wo sich Migranten ein Zielland einfach aussuchen, muss gestoppt werden“, betonte der Politiker der konservativen ÖVP. „Es gibt keinen Grund, warum ein Afghane jetzt nach Österreich kommen sollte.“
Österreich will nach den Worten Nehammers möglichst weiterhin an Abschiebungen von Afghanen festhalten. „Wenn Abschiebungen auf Grund der Grenzen, die uns die europäische Menschenrechtskonvention setzt, nicht mehr möglich sind, müssen wir als Europäische Union Alternativen andenken“, sagte er. „Abschiebezentren in der Region rund um Afghanistan wären eine Möglichkeit.“ Er wolle diesen Vorschlag am Mittwoch bei den Beratungen mit seinen EU-Kollegen präsentieren. (afp)
Flughafen-Chaos verhindert Rettungsaktion der Niederlande
Chaos am Flughafen in Kabul hat die Evakuierung niederländischer Ortskräfte verhindert. „Es ist schrecklich. Viele standen mit ihren Familien vor den Toren des Flughafens“, sagt Außenministerin Sigrid Kaag der Nachrichtenagentur ANP. Ein mit anderen nordeuropäischen Ländern betriebenes Militärflugzeug habe Kabul jedoch am Dienstagabend ohne Personen verlassen müssen, die für die Niederlande bestimmt waren. „Ich hoffe, dass sich die Situation am Mittwoch verbessert“, sagt Kaag. „Wir versuchen, die Situation in den Griff zu bekommen und sicherzustellen, dass wir alle, die wir evakuieren möchten, herausholen.“ Die Niederlande wollen bis zu 1.000 örtliche Botschaftsangestellte, Übersetzer und ihre Familien außer Landes bringen. (rtr)
Leser*innenkommentare
Daniel Drogan
Und wie immer gilt, wo kein Kläger da kein Richter.
Hat man in D auch abgeschafft, als die Opfer des Bombenangriffs auf einen Öl-beladenen LKW-Transport in Afghanistan, in D probierten Schadenersatz zu erhalten.
Der gute alte Westen, beim Morden ganz vorn dabei und später sich aus der Verantwortung ziehen. Ups, sorry. Muss halt reichen.