Aktuelle Entwicklungen in der Coronakrise: Zulassung wohl noch vor Weihnachten
Die Europäische Arzneimittelbehörde will die Prüfung des Biontech-Impfstoffes auf 21. Dezember vorverlegen. Spahn hatte zuvor „nationale Lösungen“ ausgeschlossen.
EMA legt am Montag Gutachten vor
Die europäische Arzneimittelbehörde EMA will am 21. Dezember ihr Gutachten über die Zulassung des Corona-Impfstoffs der Unternehmen Biontech und Pfizer vorlegen – acht Tage früher als zuletzt geplant. Das teilte die Behörde am Dienstag in Amsterdam mit. Die Zustimmung der EU-Kommission gilt als sicher. Der Impfstoff könnte so noch vor Weihnachten für die EU zugelassen sein. (dpa)
Wieler: „Die Lage ist ernst wie noch nie“
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat angekündigt, dass ein erster Impfstoff gegen das Coronavirus noch vor Weihnachten zugelassen werden solle. Dies gelte für die gesamte EU, nationale Lösungen seien nicht geplant.
RKI-Präsident Lothar Wieler äußert sich erneut besorgt über das Infektionsgeschehen: „Die Lage ist so ernst, wie sie noch nie war in dieser Pandemie.“ Die Zahlen der Infektionen und der Toten seien zu hoch. „Im Moment infizieren sich viel zu viele Menschen“, sagt Wieler in Berlin und fügt hinzu: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass sich die Situation über Weihnachten nochmal zuspitzen wird.“ (rtr)
Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.
IfW sagt starken Anstieg der Arbeitslosigkeit voraus
Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) rechnet mit einem spürbaren Anstieg der Arbeitslosigkeit durch den Lockdown. „Die Arbeitslosigkeit könnte um 50.000 bis 100.000 Personen höher liegen als ohne die Zusatzmaßnahmen“, sagte IfW-Präsident Gabriel Felbermayr der Bild mit Blick auf die verschärften Kontaktbeschränkungen. Zudem seien die Wachstumsaussichten in Gefahr. Das Bruttoinlandsprodukt könnte in diesem Jahr um weitere fünf Milliarden Euro sinken. Im Vergleich zum dritten Quartal bedeute das im vierten Quartal eine Schrumpfung um 0,5 Prozent. (rtr)
FFP2-Masken für die Risikogruppe
Von diesem Dienstag an können rund 27 Millionen Bürger:innen aus Coronarisikogruppen in Deutschland die ersten kostenlosen FFP2-Masken erhalten. Eine entsprechende Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) soll am Dienstag in Kraft treten, wie ein Ministeriumssprecher am Montag der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Die Ausgabe der Schutzmasken erfolgt in einem stufenweisen Verfahren. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) rechnet mit „enormen Kundenandrang“ und warnt vor langen Warteschlangen.
Empfohlener externer Inhalt
In einem ersten Schritt sollen ab Dienstag über 60-Jährige und Menschen mit bestimmten chronischen Erkrankungen drei Masken gratis in der Apotheke holen können. Zum Abholen ist Zeit bis zum 6. Januar. Laut Informationen des Ministeriums genügt dazu die Vorlage des Personalausweises „oder die nachvollziehbare Eigenauskunft über die Zugehörigkeit zu einer der Risikogruppen“. Zur Abholung könne auch eine andere Person bevollmächtigt werden.
Im zweiten Schritt können diese Menschen ab 1. Januar weitere zwölf Masken erhalten. Dafür sollen sie von der Krankenkasse Coupons für zweimal je sechs FFP2-Masken bekommen – vorgesehen ist dafür dann ein Eigenanteil von jeweils 2 Euro für je sechs Masken. Den Bund kostet die Aktion insgesamt rund 2,5 Milliarden Euro.
FFP2-Masken filtern Partikel besonders wirksam aus der ein- oder ausgeatmeten Atemluft, sie bieten aber auch keinen 100-prozentigen Schutz. „Eine FFP2-Maske ist kein Freifahrtschein. Alle anderen Infektionsschutzregeln sollten weiterhin eingehalten werden. Dazu gehört Händewaschen, Abstand halten, Lüften und die Benutzung der Corona-Warn-App“, sagte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt.
Gleichzeitig appellierte er an die Patient:innen, Geduld zu haben und nicht gleich am ersten Tag zu den Apotheken zu strömen. Denn lange Warteschlangen sollten aus Gründen des Infektionsschutzes möglichst vermieden werden. „Wir können nicht alle Berechtigten an einem Tag versorgen, und die benötigten Masken werden auch erst nach und nach in die Apotheken geliefert“, so Schmidt. (dpa)
Empfohlener externer Inhalt
Mehr als 14.000 Neuinfektionen
In Deutschland sind innerhalb eines Tages mehr als 14.000 Neuinfektionen mit dem Coronavirus verzeichnet worden. Wie das Robert-Koch-Institut (RKI) am Dienstagmorgen unter Berufung auf Angaben der Gesundheitsämter mitteilte, wurden binnen 24 Stunden 14.432 neue Ansteckungsfälle erfasst. Die Zahl der Coronatodesfälle stieg den Angaben zufolge binnen eines Tages um 500 auf insgesamt 22.475.
Am vergangenen Freitag hatte das RKI die bislang höchsten Corona-Zahlen für Deutschland bekanntgegeben – dies waren 29.875 erfasste Neuinfektionen und 598 Coronatote innerhalb eines Tages.
Angesichts der hohen Infektions- und Totenzahlen tritt am Mittwoch ein neuer harter Lockdown bundesweit in Kraft. Laut Beschluss von Bund und Ländern müssen bis mindestens zum 10. Januar die meisten Geschäfte schließen. Ausnahmen gelten nur für Supermärkte und einige weitere Läden vor allem zur Deckung des täglichen Bedarfs. Voraussichtlich am 5. Januar wollen Bund und Länder darüber beraten, ob der harte Lockdown möglicherweise verlängert wird.
Notfallzulassung für Impfstoff gefordert
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft fordert eineNotfallzulassung für den Impfstoff gegen das Coronavirus. „Ich frage mich, ob wir wirklich bis zum 29. Dezember brauchen, um in Europa eine Zulassung des Impfstoffs zu erreichen. Europa sollte auch versuchen, schon vorher eine Notfallzulassung zu schaffen“, sagte der Präsident der Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (Dienstag). „Dann könnten wir noch vor Weihnachten mit mobilen Teams in die Pflegeheime gehen und die Bewohner dort impfen“, fügte er hinzu.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sprach sich gegen eine Notfallzulassung aus. Bei dieser würde sicher darüber diskutiert, ob genug geprüft worden sei, sagte er am Montagabend im „Polittalk aus der Hauptstadt“ von rbb Inforadio, „Süddeutscher Zeitung“ und Bertelsmann Stiftung. Es werde eine bedingte europäische Zulassung geben, sagte er: „Damit sind wir mit allen 27 Mitgliedstaaten angetreten, nicht zuletzt um Vertrauen zu erhalten.“ (epd)
Impfungen beginnen in Kanada und den USA
In Kanada und in den Vereinigten Staaten ist erstmals der Corona-Impfstoff von Pfizer und Biontech verabreicht worden. In beiden Ländern erhielten am Montag erste Beschäftigte des Gesundheitswesens die Spritzen. In den USA startete die historische Impfkampagne allerdings für Hunderttausende zu spät: Die Zahl der Corona-Toten stieg dort auf mehr als 300.000, was etwa der Einwohnerzahl von St. Louis oder Pittsburgh entspricht. Der Wert liegt gut fünf Mal so hoch wie die Zahl getöteter Amerikaner im Vietnam-Krieg.
Vergangene Woche ließ die US-Arzneimittelbehörde FDA den Impfstoff des deutschen Unternehmens Biontech und seines Partners Pfizer per Notfallzulassung auf den Markt, zuvor hatten beispielsweise schon Großbritannien und Kanada grünes Licht gegeben.
Neben US-Gesundheitspersonal erhielten nun auch im Nachbarland zahlreiche Personen den Impfstoff. In der Provinz Ontario wurde zuerst eine Angestellte in einem Pflegeheim geimpft. „Ich bin begeistert zu sehen, wie der erste Pfizer-Impfstoff in Ontario verabreicht wird“, teilte Regierungschef Doug Ford bei Twitter mit. „Es ist Zeit, der Covid-19-Pandemie ein Ende zu setzen.“
In den USA sorgen sich die Behörden indes um die Akzeptanz des Impfstoffes in der Bevölkerung. Gesundheitsminister Alex Azar warb für die Sicherheit und Wirksamkeit des Mittels. Impfstoffe würden Hoffnung bringen – aber die bringe nichts, wenn nicht der Punkt erreicht werde, dass die Mittel breit verteilt werden und zum Ende der Pandemie führen. „Dies ist nicht das Ende unseres Kampfes gegen Covid-19, aber heute ist ein wichtiger Meilenstein für den Sieg darüber.“
Eine jüngste Umfrage der Nachrichtenagentur AP hat ergeben, dass sich lediglich die Hälfte der Amerikaner:innen impfen lassen will. Etwa ein Viertel lehnt eine Impfung ab und der Rest ist unentschieden.
Der gewählte Präsident Joe Biden hat angekündigt, sich öffentlich impfen zu lassen. Einen Schritt voraus war ihm da der Gouverneur des Staates West Virginia, Jim Justice. Der ließ am Montagabend seine Impfung in den Arm per Video übertragen. Ziel des 69-Jährigen war, das Vertrauen in den Impfstoff zu stärken. „Zögern Sie nicht, Sie müssen diese Impfung bekommen“, erklärte Justice.
Viele andere US-Gouverneure haben dagegen erklärt, zunächst sollten Menschen mit hoher Priorität geimpft werden. Sie wollten Gesundheitsbeamt:innen, Rettungssanitäter:innen und Patient:innen den Vortritt lassen. (ap)
Harter Lockdown in den Niederlanden
Angesichts dramatisch steigender Infektionszahlen haben die Niederlande den bisher härtesten Lockdown für ihr Land verhängt. Die strengen Maßnahmen treten ab Mitternacht in Kraft und sollen bis zum 19. Januar dauern, kündigte Premier Mark Rutte am Montagabend in einer TV-Ansprache an. „Die Niederlande werden für fünf Wochen abgeriegelt.“ Zum ersten Mal seit Ausbruch der Coronapandemie müssen auch Geschäfte – außer für den täglichen Bedarf – schließen.
Das Land reagiert damit auch auf den harten Shutdown im Nachbarland Deutschland. Viele Kommunen fürchteten, dass Deutsche nach den strengen Maßnahmen in ihrem Land ab Mittwoch zu Weihnachtseinkäufen über die Grenze fahren könnten.
Ab Montagnacht müssen auch Kinos, Theater und Museen schließen sowie Friseure, Fitnessstudios und Schwimmbäder. Bürger:innen dürfen sich pro Tag nur noch mit zwei anderen Personen treffen. Zu Weihnachten dürfen es drei Gäste sein. Ab Mittwoch werden auch die Schulen und Kitas geschlossen. Von Auslandsreisen wird bis Mitte März dringend abgeraten.
Rutte betonte, dass es „gerade vor Weihnachten“ eine äußerst harte Botschaft sei. „Aber wir haben keine Wahl“, betonte der rechtsliberale Premier. Die Lage sei sehr ernst, Krankenhäuser könnten dem Druck kaum noch standhalten. „Aber wir werden es schaffen“, bekräftigte er.
Seit Mitte November steigt die Zahl der Neuinfektionen stark an. Zuletzt waren rund 8500 Fälle in 24 Stunden gemeldet worden. Das waren zwar weniger als am Vortag mit rund 10.000 Meldungen. Doch sind die Zahlen an Montagen in den meisten Fällen deutlich niedriger als an anderen Tagen. In Deutschland mit etwa fünfmal so viel Einwohnern wurden am Montag rund 16.000 Neuinfektionen registriert.
Es war erst die zweite TV-Ansprache des Premiers. Im Hintergrund waren Sprechchöre und Pfiffe von ein paar Dutzend Demonstranten vor dem Amtssitz des Premiers zu hören. Seit etwa Mitte Oktober galt in den Niederlanden ein Teil-Lockdown. Privatkontakte wurden eingeschränkt und Gaststätten geschlossen. Das führte aber nicht zu einem dauerhaften Rückgang der Infektionen. (dpa)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe