Aktuelle Entwicklungen in der Coronakrise: „Harter“ Lockdown in Sachsen
Sachsen verschärft die Coronaregeln. Expert:innen empfehlen bundesweit ähnliche Maßnahmen. In Großbritannien beginnen die ersten Impfungen.
Sachsen verschärft Coronaregeln
Sachsen fährt wegen massenhafter Corona-Infektionen das öffentliche Leben weiter herunter. Wie die Regierung am Dienstag in Dresden mitteilte, wird der bisher geltende Teillockdown ab kommenden Montag verschärft. Schulen, Kitas, Horte und viele Geschäfte sollen geschlossen werden. Geöffnet bleiben sollen Lebensmittelläden und Geschäfte für den Grundbedarf. Das Virus habe eine viel stärkere Kraft als im Frühjahr, die Menschen würden die Lage aber bei Weitem nicht so ernst nehmen, sagte Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). Die Infektionen seien hier sprunghaft angestiegen.
Sachsen hatte sich in den vergangenen Tagen zum bundesweit größten Hotspot der Pandemie entwickelt. Inzwischen sind 1.298 Todesfälle zu beklagen. Die Landkreise Bautzen und Sächsische Schweiz-Osterzgebirge übersprangen nach Angaben des Robert-Koch-Instituts wieder die Marke von 500 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen.
2.492 Menschen befinden sich derzeit in Sachsen mit einer Covid-19-Diagnose im Krankenhaus, davon 458 auf der Intensivstation. Manche Krankenhäuser sind bereits an der Belastungsgrenze angelangt. „Die Situation in den Krankenhäusern ist nicht nur angespannt, sondern extrem gefährlich“, erläuterte Kretschmer. Mancherorts gebe es keine Intensivbetten mehr. Daher habe das Kabinett entschieden, „dass wir dieses Land zur Ruhe bringen müssen. Es ist die einzige Möglichkeit, um das Infektionsgeschehen zu stoppen.“
Kretschmer hatte die Sachsen bereits in den vergangenen Tagen auf neue Einschränkungen eingestimmt. Allerdings wollte das Kabinett mit neuen Entscheidungen noch ein paar Tage warten, um die Entwicklung weiter zu beobachten. Offenkundig war der Druck der Zahlen am Ende zu groß. Kretschmer hatte am Montag zugesagt, zunächst ein Einvernehmen mit dem Landtag, der kommunalen Ebene sowie der Wirtschaft und gesellschaftlichen Gruppen herzustellen. Den Katastrophenfall – so wie in Bayern inzwischen verkündet – sah Kretschmer indes für Sachsen nicht. (dpa)
US-Behörde: Biontech-Pfizer-Impfung ist sicher
Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat den Corona-Impfstoff der Pharmaunternehmen Biontech und Pfizer als sicher eingestuft. In einem am Dienstag vorgelegten Bericht schreibt die Behörde, aus den Daten von 38.000 Teilnehmern an klinischen Studien hätten sich „keine besonderen Sicherheitsbedenken“ ergeben, die einer Notfallzulassung entgegenstehen würden.
Biontech und Pfizer haben bei der FDA einen Antrag auf eine Notfallzulassung ihres Impfstoffes eingereicht. Am Donnerstag tagt der beratende Ausschuss der FDA, um über eine Notfallzulassung zu entscheiden.
Die Erklärung legt nun nahe, dass die Aufsichtsbehörde dazu neigt, grünes Licht für den Biontech-Pfizer-Impfstoffkandidaten zu geben. Dieser wird bereits seit Dienstag in Großbritannien flächendeckend eingesetzt.
Wissenschaftler:innen für bundesweite Regelverschärfung
Angesichts anhaltend hoher Neuinfektionen fordert die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina, die Coronamaßnahmen drastisch zu verschärfen. Die Schulpflicht sollte bereits ab nächster Woche bis zu den Weihnachtsferien aufgehoben und Kontakte „auf das absolute Mindestmaß reduziert“ werden, heißt es in einer Pressemitteilung vom Dienstag.
„Ab dem 24. Dezember 2020 bis mindestens zum 10. Januar 2021 sollte in ganz Deutschland das öffentliche Leben weitgehend ruhen und ein harter Lockdown gelten.“ Hierfür sollten alle Geschäfte bis auf die des täglichen Bedarfs geschlossen, die Weihnachtsferien in den Bildungseinrichtungen verlängert und die BürgerInnen, wenn möglich, zum Arbeiten im Homeoffice angehalten werden.
Empfohlener externer Inhalt
Außerdem empfehlen die Wissenschaftler:innen für den Wiederbeginn des Unterrichts ab dem 10. Januar ländereinheitliche Regeln für Wechselunterricht in den weiterführenden Schulen, die ab einem bestimmten Infektionswert greifen sollen. Für alle Jahrgangsstufen sollte ein Mund-Nasen-Schutz im Unterricht verpflichtend sein.
„Erforderlich ist zudem eine langfristige politische Einigung auf ein klares, mehrstufiges und bundesweit einheitliches System von Regeln, die ab einer bestimmten Anzahl von Fällen pro 100.000 Einwohner greifen. Durch ein einheitliches und nachvollziehbares Vorgehen werden die Maßnahmen für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen transparent, verständlich und planbar“, heißt es weiter.
Die Leopoldina begründet ihre Forderungen mit der hohen Zahl an täglichen Todesfällen und der derzeit enormen Belastung des medizinischen Personals in Krankenhäusern.
Empfohlener externer Inhalt
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am Montag in einer Videositzung der Unionsfraktion nach Angaben von Teilnehmern ebenfalls betont, dass man mit den bisherigen Maßnahmen nicht von den hohen Infektionszahlen herunterkomme. Auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte härtere Regeln nicht ausgeschlossen.
Ob sich Bundesregierung und Ministerpräsident:innen vor Weihnachten dazu noch einmal zusammenschalten, ist noch unklar. Nicht alle Länder-Regierungschef:innen halten das für notwendig. Bislang sind neue Beratungen in dem Rahmen für den 4. Januar geplant. (dpa)
Söder befürwortet Empfehlungen der Leopoldina
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder unterstützt den von der Nationalen Wissenschaftsakademie Leopoldina geforderten „harten Lockdown“ mit Geschäftsschließungen ab Weihnachten. Wenn sich die Ministerpräsidentenkonferenz auf diesen Weg einige, werde Bayern ihn mittragen, auch wenn dies nicht leicht falle, sagte der CSU-Chef am Dienstag in seiner Regierungserklärung im bayerischen Landtag. Er habe sich mit Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) lange darüber ausgetauscht und beide seien zu diesem Schritt bereit.
„Wir müssen Kontakte reduzieren und die Kontakte, die wir reduzieren, sind auch bei den Geschäften“, betonte Söder. Er sagte aber auch, für einen „harten Lockdown“ brauche es einheitliche Regelungen für ganz Deutschland. Und Söder sieht dabei den Bund in der Pflicht, weitere Finanzhilfen bereit zu stellen: „Allerdings brauchen wir Unterstützung für den Handel, begleitende Maßnahmen.“
Großbritannien beginnt zu impfen
Eine Woche nach der Zulassung eines Corona-Impfstoffs werden in Großbritannien die ersten Impfungen verabreicht. Als erster Mensch der Welt seit der Zulassung des Impfstoffs sei die 90-jährige Britin Margaret Keenan geimpft worden, berichtete die BBC am Dienstag.
In der ersten Phase sollen 800.000 Dosen des Impfstoffs verabreicht werden. Diese ersten Dosen sollen für Impfungen von besonders gefährdeten Gruppen eingesetzt werden: Menschen über 80, die sich in Krankenhäusern befinden oder bereits Termine für Behandlungen haben – außerdem Mitarbeiter:innen von Pflegeheimen.
In Anlehnung an den „D-Day“ – als die Alliierten im Kampf gegen Nazideutschland im Zweiten Weltkrieg am 6. Juni 1944 in der Normandie an Land gingen – war in Erwartung der ersten Impfungen ab Dienstag immer wieder vom „V-Day“ die Rede gewesen. Das „V“ steht für „vaccination“ (Impfung).
Nur wer vom nationalen Gesundheitsdienst NHS kontaktiert wird, um einen Impftermin auszumachen, ist für die erste Impf-Offensive vorgesehen. Die Mehrheit der Brit:innen muss warten, bis im kommenden Jahr genügend Dosen vorhanden sind, um das Programm auszuweiten. „Ich glaube nicht, dass die Menschen in den kommenden Tagen irgendwas erwarten sollten“, sagte NHS-Providers-Geschäftsführer Chris Hopson. Die Realität sei, dass die überwältigende Mehrheit erst später geimpft werden könne – etwa „im Januar, Februar, März“, sagte er.
Am Mittwoch hatten der US-Pharmakonzern Pfizer und sein deutscher Partner Biontech die Notfallzulassung für ihren gemeinsam entwickelten Corona-Impfstoff in Großbritannien erhalten. Damit wurde das Vereinigte Königreich zum ersten Land der Welt, das den Impfstoff genehmigte. Die USA und die EU prüfen den Impfstoff ebenfalls – zusammen mit konkurrierenden Produkten des US-Konzerns Moderna sowie aus einer Kollaboration der Universität Oxford mit dem Pharmakonzern AstraZeneca.
Die Einführung des Impfstoffs im Vereinigten Königreich wird weltweit mit großem Interesse verfolgt. Auch andere Staaten bereiten sich auf die globale Aufgabe vor, für die bislang historische Vorbilder fehlen: Milliarden Menschen im Kampf gegen eine Pandemie zu impfen, die weltweit mehr als 1,5 Millionen Todesopfer gefordert hat.
Am Samstag hatte Russland begonnen, tausende Ärzt:innen, Lehrer:innen und andere Personen mit dem russischen Corona-Impfstoff Sputnik-V zu impfen. (afp)
Spahn für verschärfte Regeln
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) spricht sich für eine deutliche Verschärfung der Maßnahmen zur Kontaktverminderung aus, sollte die Zahl der neuen Corona-Infektionen in den nächsten Tagen nicht sinken. „Der Ansatz ‚kurz und umfassender‘, um wirklich einen Unterschied zu machen, ist wahrscheinlich der erfolgreichere. Wenn wir nicht hinkommen mit der Entwicklung der nächsten ein, zwei Wochen bis Weihnachten, dann müssen wir das diskutieren“, sagte der Gesundheitsminister dem Fernsehsender phoenix am Montagabend.
Nicht ausschließen wollte Spahn eine erneute Schließung des Einzelhandels wie im Frühjahr. „Wir müssen das abhängig machen von den nächsten Tagen, ob es uns gelingt, die Zahlen runterzubringen“, sagte der CDU-Politiker.
Auch künftig würden die Bundesländer individuelle Konzepte verfolgen, was er aufgrund unterschiedlicher Inzidenzzahlen auch für richtig halte. „Wir müssen in Sachsen andere Maßnahmen ergreifen als in Schleswig-Holstein, wenn das ganze Akzeptanz behalten soll“, sagte Spahn. (epd)
Weiter zu viele Neuinfektionen
Die Zahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus bleibt in Deutschland auf hohem Niveau. Die Gesundheitsämter haben dem Robert-Koch-Institut (RKI) 14.054 neue Corona-Infektionen binnen 24 Stunden gemeldet, wie aus Zahlen des RKI vom Dienstagmorgen hervorgeht. In der Vorwoche waren es am Dienstag 13.604 neue Fälle. Der bisherige Höchststand war am 20. November mit 23.648 gemeldeten Fällen erreicht worden. Binnen eines Tages sind außerdem 423 neue Todesfälle gemeldet worden. In der Vorwoche lag dieser Wert noch bei 388.
In der Tendenz war die Zahl der täglichen Todesfälle zuletzt nach oben gegangen, was nach dem steilen Anstieg bei den Neuinfektionen erwartet wurde. Der bisherige Höchststand von 487 gemeldeten Todesfällen binnen eines Tages wurde am vergangenen Mittwoch erreicht. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 19.342.
Der sogenannte Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Montag bei 1,06 (Vortag: 1,10). Das heißt, dass 100 Infizierte rechnerisch 106 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab. (dpa)
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