Aktivist*innen entfernen Grenzzaun: Dänemark wieder zugänglich
Zaun-Gegner*innen haben Teile des umstrittenen Grenzzauns zwischen Deutschland und Dänemark ab- und an anderen Orten aufgebaut.
Drei Elemente des Grenzzauns hatten über Nacht den Ort gewechselt. Auch in Flensburg und den Dörfern Ellhöft und Süderlügum waren am Mittwochmorgen Stücke aufgetaucht, daran befestigt Plakate über den Zaunbau und die Probleme der massenhaften Schweinehaltung.
Die Aktivist*innen wollen nach eigener Darstellung beschreiben, „warum eine Welt ohne Grenzen eine bessere wäre“. Die Gruppe hatte in der Nacht zu Mittwoch 22 Meter des Zauns abgebaut und damit eine Lücke nahe des Ortes Ellhöft geschaffen. Dort und im nahen Naturschutzgebiet Schwansmoor seien häufig Rehe zu sehen und an dem Wasserlauf Süderau „zeugen Fußspuren davon, dass die Tiere hier queren und gewohnt waren, sich dabei nicht vom soziopolitischen Grenzverlauf stören zu lassen“, heißt es in einer Nachricht, die an Redaktionen geschickt wurde.
Die Bedenken um die Tiere teilen auch Naturschutzverbände und die einheimische Jägerschaft. Nach den ersten Monaten lässt sich feststellen, dass die Angst berechtigt war: Rehe und Rotwild sind bereits mit den Hinterläufen am 1,50 Meter hohen Zaun hängengeblieben, einige Tiere sind elend verendet. Die dänische Seite hatte zugesagt, zu prüfen, ob zumindest an bekannten Wildwechselstellen Zaunelemente mit engeren Maschen möglich seien, in denen die Hufe nicht steckenbleiben, doch passiert ist noch nichts. Es sind auch Schlupflöcher für Kleintiere vorgesehen – doch davon sei an der konkreten Stelle nichts zu sehen, so die Aktivist*Innen.
Aus dänischer Sicht ist der Zaun notwendig, um das Vorrücken der Afrikanischen Schweinepest aufzuhalten. Sie breitet sich von Osten nach Westen seit Jahren in Europa aus. In Deutschland gab es bisher keine Fälle, aber Mecklenburg-Vorpommern bereitet sich auf einen Ausbruch vor, nachdem es im benachbarten Polen Fälle der Tierseuche gab. Erwogen wird auch dort ein Schutzzaun oder ein umzäunter Korridor – allerdings mit mobilen Elektrozäunen, die kurzfristig betroffene Gebiete absperren sollen.
Die Afrikanische Schweinepest ist für Menschen ungefährlich, kann aber von Wild- auf Hausschweine wechseln. Wahrscheinlicher ist aber, dass die Keime über Lastwagenreifen, Lebensmittel oder Stiefel übertragen werden. Der Zaun bringt für die Sicherheit der dänischen Ställe daher wenig, vor allem weil in den dünn bewaldeten Gegenden an der Grenze die Zahl der Wildschweine gegen null geht.
Dänemark, in dessen Wirtschaft die Fleischproduktion eine beträchtliche Rolle spielt, will mit dem Zaun aber ein Zeichen setzen und vor allem Käufer*innen in Asien zeigen, dass alles Menschenmögliche gegen die Seuche getan werde.So bewertet ein Mitarbeiter der für den Zaun zuständigen dänischen Behörde die nächtliche Aktion als „Vandalismus“ und kündigt an: „Das werden wir bei der Polizei anzeigen.“ Vor dem Anruf der taz hatte allerdings auch die Behörde noch gar nichts von der Lücke gehört, der Mitarbeiter konnte daher noch keine Auskunft geben, ob und wie schnell der umstrittene Grenzzaun wieder geschlossen wird.
In Kiel und Flensburg war dagegen von Aufregung wenig zu spüren: „Wir haben ja mehrfach deutlich gemacht, dass wir den Zaun skeptisch sehen“, sagt Flensburgs Sprecher Clemens Teschendorf. Die Stadt hatte sogar gegen ein Teilstück geklagt. Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) nahm vor Kurzem auch an einer Demo gegen den Zaun teil. Zahlreiche Lokal- und Landespolitiker*innen in Schleswig-Holstein bedauern den Bau als Zeichen einer schärferen Abschottung des nördlichen Nachbarlandes.
Im Umgang mit den abgestellten Metallelementen herrschte in Schleswig-Holstein Gelassenheit. Den Kieler Rathausplatz schnell zu räumen, sei nicht nötig, so Pressesprecherin Kerstin Graupner: „Es geht um eine Meinungsäußerung, und es ist egal, ob da Menschen oder Zäune mit Plakaten stehen.“ Zwar sei diese Demonstration nicht angemeldet gewesen, aber: „Meinungsäußerung und Demonstrationsfreiheit ist ein hohes Gut, und die Zäune stören nicht.“
Die Bundespolizei sah das allerdings anders: Sie sammelte die Zaunteile schon gegen Mittag wieder ein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste