Ak­ti­vis­t*in­nen blockieren A100: Die Aktion polarisiert

Erneut demonstrierten Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen gegen Lebensmittelverschwendung und blockierten dafür die A100.

Menschen blockieren Autos am Messedamm

Menschen vor Autos am Montagmorgen: Blockade der A100 am Messedamm Foto: picture alliance/dpa | Paul Zinken

BERLIN taz | Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen der Gruppe „Die letzte Generation“ haben am Montagmorgen erneut mehrere Zufahrten zur Stadtautobahn A100 blockiert. Nach Polizeiangaben klebten sich mehrere Personen an den Anschlussstellen Halensee, Messedamm und vor der Zufahrt Spandauer Damm am Asphalt fest. Einen weiteren Klebeversuch bei der Zufahrt Hohenzollerndamm habe man verhindert, so ein Polizeisprecher zur taz. 20 Personen seien vorläufig festgenommen worden, ein Richter prüfe nun einen „Anschlussgewahrsam“. Aufgrund der Blockaden kam es laut Berliner Verkehrsinformationszentrale zu langen Staus in Richtung Wedding und auf der A100 Richtung Funkturm.

Unter dem Motto „Essen retten – Leben retten“ fordert die Gruppe ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung, die als unsozial und klimaschädlich angesehen wird. In den vergangenen Wochen hat die bundesweit aktive Gruppe mehrfach die A100 blockiert, zuletzt am Freitag. In einer Erklärung von Sonntagabend ruft sie nun die Autobahn zum „Ort des gewaltfreien zivilen Widerstands“ aus, an dem man so lange mit Aktionen den „Verkehr verlangsamen“ wolle, bis die Bundesregierung ihrer Forderung nachkomme.

In der Erklärung behauptet die Gruppe zudem, Aktivistinnen seien zuletzt von Polizisten verletzt worden, als diese mit dem Skalpell versucht hätten, angeklebte Hände zu lösen. Ein Polizeisprecher sagt dazu auf taz-Anfrage, das sei ihm nicht bekannt, der Vorwurf werde aber überprüft. Die Polizei „befreie“ angeklebte Körperteile mit Lösungsmittel, nicht mit dem Skalpell.

Die Letzte Generation findet offenbar auch UnterstützerInnen bei älteren Menschen: „Indem sie sich weigert, unser Essen zu bewahren, verurteilt unsere Regierung in Zeiten steigender Lebensmittelpreise und immer mehr auf die Tafel angewiesenen Menschen, Tausende Menschen zu knurrendem Magen. Das alles während unzählige Familien global jetzt schon hungern oder auch hier bei uns in den kommenden Hungersnöten nach 2050 hungern werden“, zitiert die Erklärung einen Aktivisten namens Ernst Hörmann, der 71 Jahre alt sein soll.

Man sei sich bewusst, dass man mit den Blockaden der Öffentlichkeit „Unannehmlichkeiten und Irritationen“ bereite, heißt es weiter in der Erklärung. „Wir bitten Sie um Verständnis dafür, dass diese Störungen notwendig sind, um unsere Regierung dazu zu bringen, ihre grundlegendsten Pflichten zum Schutz ihrer Bevölkerung zu erfüllen.“

Autofahrer reagieren aggressiv

Allerdings stößt die Gruppe mit den Blockaden auch auf Unverständnis und Aggressivität. So zeigt ein Twitter-Video von Montagmorgen, wie Autofahrer versuchen, Blockierer von der Straße zu ziehen, die sich immer wieder vor die Fahrzeuge setzen. Die Stimmung ist sehr angespannt. Die Kommentare zu den Blockaden unter dem Hashtag #EssenRettenLebenRetten sind geteilt: Viele Twitter-Nutzer*innen lehnen sie ab, manche äußern aber auch Verständnis, wobei Zweifel, ob die Aktionen nicht kontraproduktiv sind, die ungeteilte Zustimmung zu überwiegen scheinen.

Konkret fordert die Gruppe von der Bundesregierung ein Gesetz, das das Wegwerfen von Lebensmitteln verbietet. Vorbild ist Frankreich: Dort dürfen seit 2019 Supermärkte keine abgelaufenen Nahrungsmittel mehr wegwerfen; die Tafeln sollen seither deutlich mehr Spenden bekommen. Laut der „Letzten Generation“ werden hierzulande jährlich 18 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeschmissen. Zudem, argumentieren die Klimaschützer, fallen bei der Produktion viele Emissionen an. In Deutschland ist die Landwirtschaft laut Umweltbundesamt für rund acht Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich, weltweit sollen es nach verschiedenen Quellen 14 bis 30 Prozent sein.

Schon bei vorherigen Blockaden der letzten Tage hatte die Polizei versucht, AktivistInnen in „Anschlussgewahrsam“ zu nehmen. Laut dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz, kurz ASOG, ist dies möglich, um die „Begehung oder Fortsetzung einer Ordnungswidrigkeit von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit oder einer Straftat zu verhindern“. Laut Polizeisprecher ist der zuständige Richter bislang allerdings nicht darauf eingegangen – die AktivistInnen wurden nach Personalienfeststellung wieder freigelassen.

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