Aktivistin Cécile Lecomte: Klettern gegen Atomkraft
Die Sportlerin Cécile Lecomte wird auch „das Eichhörnchen“ genannt. Sie besteigt für die Umwelt unter anderem Bäume und Züge.
Die einen erhalten für ihren Einsatz gegen Atomwaffen den Friedensnobelpreis – andere müssen sich vor Gericht verantworten, wenn sie gegen den Transport von Atomschrott und die – auch für militärische Zwecke mögliche – Anreicherung von Uran kämpfen. Zwei Monate bevor die Anti-Atomwaffen-Kampagne ICAN sich im vergangenen Jahr über die Auszeichnung durch das Osloer Komitee freute, wurde die Umweltaktivistin Cécile Lecomte im Oktober 2017 vom Amtsgericht Potsdam zu einer Geldstrafe verurteilt.
Der auch als „Eichhörnchen“ bekannten Kletterspezialistin und einer weiteren Atomkraftgegnerin war es 2016 gelungen, durch eine Kletteraktion auf der Bahnstrecke zwischen Hamburg und Bremen einen mit Urankonzentrat beladenen Zug stundenlang aufzuhalten. Das Gericht befand Lecomte deswegen eines „vorsätzlichen Verstoßes gegen die Eisenbahnbau- und Betriebsordnung“ für schuldig.
Lecomte hat Betriebswirtschaft studiert und ist ausgebildete Französischlehrerin. Die frühere französische Jugendmeisterin im Sportklettern lebt in Lüneburg. Nachdem sie dort zwei Jahre unterrichtete, habe es wegen ihres Engagements in der Anti-Atom- und Umweltbewegung Druck von den Behörden gegeben, erzählt sie. Sie habe sich deshalb „für die politische Arbeit entschieden“.
Es war nicht das erste Mal, dass das „Eichhörnchen“ mit einer spektakulären Abseilaktion Atom- und Urantransporte zumindest zeitweise stoppen konnte. Schon mehr als ein Dutzend Mal wurde sie dabei schon in Polizeigewahrsam oder festgenommen und musste sich in der Folge vor Gerichten verantworten. Lecomte verteidigt sich dort selbst und nutzt den Verhandlungssaal als Forum: Kriminell seien diejenigen, die AKWs errichteten und nicht die, die dagegen demonstrierten.
Jetzt auch ein Erfolg
Das längste Verfahren gegen sie zog sich über acht Jahre hin und ging jetzt mit einem Erfolg für die 37-Jährige zu Ende: Mal wieder in einem Baum kletternd, hatte Lecomte im Dezember 2010 gemeinsam mit Mitgliedern der Naturschutzorganisation Robin Wood einen Castor-Zug zum Zwischenlager Lubmin bei Greifswald gestoppt. Bundespolizisten räumten die Blockade, Lecomte wurde in Gewahrsam genommen und erst nach acht Stunden wieder freigelassen.
Sie klagte gegen ihre Ingewahrsamnahme. Der Fall ging bis vor das Bundesverfassungsgericht, wo sie schließlich gewann: Zwei vorausgegangene Urteile des Landgerichts Stralsund wurden in Karlsruhe wegen der Verletzung des Gebotes effektiven Rechtsschutzes aufgehoben, die Sache wurde an Stralsund zurückverwiesen.
Jetzt hat das Landgericht sein eigenes Urteil revidiert, Lecomte hat den juristischen Streit endgültig gewonnen, die damalige Polizeimaßnahme war rechtswidrig. „Die Atompolitik ist gegen den Willen der Menschen nicht ohne Grundrechtsverletzungen durchzusetzen“, sagt „Eichhörnchen“: „Wer seine Rechte verteidigen will, braucht einen langen Atem.“
Neben ihren Kletteraktivitäten und Gerichtsprozessen schreibt Cécile Lecomte Texte, übersetzt, dolmetscht bei Konferenzen, hält Vorträge – und arbeitet an ihrem Herzensthema, der internationalen Vernetzung von Anti-Atom- und Anti-Gentechnik-Initiativen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
NGO über den Machtwechsel in Syrien
„Wir wissen nicht, was nach dem Diktator kommt“
Ende des Assad-Regimes
Momente, die niemand den Syrern nehmen kann
Unterstützerin von Gisèle Pelicot
„Für mich sind diese Männer keine Menschen mehr“
Ende des Assad-Regimes in Syrien
Syrien ist frei
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Sturz des Syrien-Regimes
Dank an Netanjahu?