Aktivist über Hambacher Forst: „Der Wald ist noch nicht gerettet“
Trotz des Rodungsstopps sei es wichtig, dass der Hambacher Wald besetzt bleibt, meint Clumsy. Er ist Aktivist der ersten Stunde.
taz: Clumsy, Sie waren dabei, als 2012 die erste Palette der Besetzung angebracht wurde. Wissen Sie noch, wo das war?
Clumsy: Der Ort der ersten Waldbesetzung war weit nördlich und ist mittlerweile im Loch verschwunden. Da gibt es seit sechs Jahren keinen Wald mehr.
Wie sind Sie damals auf den Hambacher Forst aufmerksam geworden?
Ich bin 2011 über das Klimacamp in die Gegend gekommen, auf der Suche nach einem Projekt, wo ich im Wald leben könnte. Mein Plan war, auf eine Waldbesetzung in Frankreich zu ziehen. Dann habe ich das Loch hier gesehen und Leute getroffen, die meinten: Es wäre cool, einen dauerhaften Widerstand aufzubauen.
Während der Räumung haben Sie einen Platzverweis bekommen. Jetzt trifft man Sie wieder im Wald. Wie kommt ’s?
Ich hatte einen Platzverweis bis Mitte Dezember, für das gesamte Gefahrengebiet. Dagegen habe ich geklagt, und gestern hat die Polizei den Platzverweis zurückgenommen.
Während der Räumung wurde der Großteil der persönlichen Gegenstände der BesetzerInnen weggebracht. Haben Sie die inzwischen wieder?
Unsere Sachen liegen als Berg auf dem RWE-Betriebsgelände. Wir wollten sie holen – aber uns wurde gesagt, wir müssten den Zugriff bei der Stadt Kerpen einklagen. Ein bisschen seltsam, dass Kerpen unsere Sachen auf einem Privatgelände lagert. Bis die Klage durch wäre, sind die Sachen jedenfalls vermodert.
Die Räumung ist vorbei und die Rodung vorläufig ausgesetzt: Warum besetzen Sie den Wald trotzdem wieder?
Der Wald ist noch nicht gerettet. Sollte RWE irgendwann weiter roden dürfen, darf es nicht einen Monat dauern, bis die Ersten auf den Bäumen sitzen. Sonst wäre der Wald längst weg, RWE wird da keinen Tag verschwenden. Außerdem ist es auch während des Rodungsverbots wichtig, dass Menschen hier sind, die RWE auf die Finger gucken. Die machen gerne Sachen wie Fledermaushöhlen zukleben. Wenn hier keine Fledermäuse leben, ist der Wald weniger schützenswert. Deshalb müssen wir verhindern, dass RWE solche schmutzigen Tricks abzieht. Letztes Jahr hatten wir dieselbe Situation: RWE hatte alles zugeklebt. Eigentlich hätten sie es wieder aufmachen müssen. Aber tatsächlich haben wir das dann gemacht.
„Clumsy“, 30, kommt aus Österreich und war schon 2012 bei der Besetzung des Waldes dabei. Seinen wirklichen Namen verrät er nicht. Viele Besetzer leben von Sach- und Geldspenden sowie vom „Containern“ abgelaufener Lebensmittel aus Supermärkten.
Wie viele Menschen arbeiten gerade an der Wiederbesetzung?
Ich glaube, es sind richtig viele, aber das läuft über den ganzen Wald verteilt. Es gibt neue Besetzungen, da weiß ich auch nicht, wo die sind. Meine Schätzung wäre, dass gerade zwischen 100 und 200 Leute an der Wiederbesetzung arbeiten.
Eine Besetzerin hat erzählt, dass man hier im Winter nicht wieder gesund werde, wenn man einmal krank sei. Wohnen Sie im Winter hier?
Ob man sich auskurieren kann, hängt vom Baumhaus ab. Bei mir konnte ich das ganz gut: Ich hatte ja einen Ofen. Ob ich mir den Winter hier gebe oder vielleicht auch mal länger Urlaub mache, muss ich noch überlegen. Einziehen will ich auf jeden Fall wieder – aber vielleicht warte ich den Frühling ab.
Baumhäuser mit Öfen sind nicht brandschutzkonform, oder?
Wir werden sehen, ob wir solche Häuser wieder bauen können. Der Innenminister hat ja angekündigt, alles Neue erneut räumen zu lassen. Aber wir werden immer wieder neu besetzen: Also werden wir sehen, wer den längeren Atem hat.
RWE hat gesagt, man rechne mit einer Entscheidung nicht vor 2020. Womit rechnen Sie?
Ich habe nicht so viel Erfahrung mit Prozessen vor dem Verwaltungsgericht. Aber die Aussage, die von dort kam, war: Da seien mehrere Dutzend Kisten mit Aktenordnern, die durchgearbeitet werden müssten. Das klingt, als könnte es eine Weile dauern. Ich hoffe, 2020 stimmt. Meinetwegen können sie sich auch länger Zeit lassen.
Haben Sie sich untereinander auf eine gemeinsame Linie geeinigt, bezüglich eines Zeitpunktes, von dem Sie sagen: „Wenn das passiert, verlassen wir den Wald“?
Ich würde nicht sagen, dass es da eine einheitliche Linie gibt. Das ist den Individuen überlassen. Ich denke aber schon, dass die meisten den Wald verlassen würden, sobald feststeht, dass er sicher ist.
Was würden Sie selbst machen?
Ich würde mir einen anderen Wald suchen, der Schutz braucht, und da aktiv werden. Unsere Gesellschaft macht leider überall die Welt kaputt. Deshalb ist es leicht, Orte zu finden, wo man sich sinnloser Zerstörung entgegenstellen kann.
Haben Sie jetzt eher weniger Unterstützung als vor der Räumung, mehr oder genauso viel?
Die Unterstützung ist während der Räumung massiv gewachsen. Vor vier Wochen hätte ich mir nie träumen lassen, dass hier irgendwann bis zu 50.000 Leute auf einer Demo auftauchen würden. Jetzt haben wir definitiv mehr Unterstützung als vorher.
Die Unterstützung kommt nicht nur von Einzelnen, sondern auch von Verbänden und Parteien. Wie nehmen Sie das wahr?
Ich habe dazu gespaltene Meinungen. Einerseits finde ich es gut, wenn sich Organisationen einbringen, die so viele Ressourcen haben. Andererseits sehe ich es kritisch, wenn sie versuchen, dem Ganzen ihren Stempel aufzudrücken. Wenn nach sechs Jahren Kampf Parteien auftauchen und sagen, sie hätten das schon immer unterstützt – und man weiß, das stimmt nicht – dann finde ich: Auf den Hambizug aufzuspringen, weil er gerade gut fährt, ist ein bisschen billig. Aber es ist cool, dass es in der Mitte der Gesellschaft angekommen und eine breite Bewegung geworden ist.
Wie sieht es aus mit den WaldspaziergängerInnen?
Ich finde es toll, wenn Leute uns im Wald besuchen und uns helfen, die Orte, die krass verwüstet wurden, wieder schön zu machen. Hier in Oaktown sieht die Rodungsfläche aus wie ein Parkplatz. Da hatten einige die Idee, einen kleinen Garten anzulegen und neue Bäume zu pflanzen. Dabei freuen wir uns über tatkräftige Unterstützung – und natürlich über Leute, die Baumaterial bringen.
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