Dinge des Jahres 2018: In sieben Schritten zum Baumhaus

Symbol für den Kampf gegen die Kohle 2018: die Baumhäuser im Hambacher Forst. Ein Aktivist hat uns erklärt, wie man sich ein solches baut.

Ein Baumhaus

Zimmer mit Aussicht: Clumsys Baumhaus im Hambacher Forst Foto: David Klammer

Seit sechs Jahren wohnt Clumsy im Hambacher Forst: Die letzten vier Jahre lebte er in seinem selbstgebauten Baumhaus Mona im Dorf Oaktown. Dort hatte Clumsy zwei Zimmer, Heizung, Strom, einen Balkon. Jetzt gibt es Mona nicht mehr. Im Herbst wurde das Baumhaus abgerissen, so wie 15 bis 20 weitere Häuser und über 60 Plattformen.

Der Großeinsatz dauerte fast drei Wochen, kostete einen zweistelligen Millionenbetrag und die Arbeitszeit Tausender PolizistInnen. Die Begründung: Die Baumhäuser hielten Brandschutzbestimmungen nicht ein und gefährdeten so das Leben ihrer BewohnerInnen – von denen sich einige im Inneren ihrer Häuser mit Ketten und Beton fixierten. Der Kontext: RWE wollte etwa 100 Hektar Wald roden, um den benachbarten Braunkohletagebau zu erweitern.

Doch die Stieleiche, auf der das Baumhaus Mona thronte, steht noch: Wenige Tage nach Ende des Großeinsatzes verhängte das Oberverwaltungsgericht Münster ein vorläufiges Rodungsverbot.

Die BesetzerInnen begannen, neue Häuser zu bauen. Auch Clumsy. Er baut jetzt Mona 2.0, genau dort, wo vor der Räumung Mona stand. Auch Sie wollten schon immer ein Baumhaus bauen? Hier erklärt Clumsy, wie man das macht.

1. Einen Baum finden

Als Erstes suche ich einen passenden Baum. Er muss gesund sein: kein Pilzbefall, keine Insektenlöcher, keine rottenden Wurzeln. Die Krone sollte ausladend sein, mit viel Platz zwischen den Ästen, damit das Baumhaus reinpasst. Die Äste selbst müssen massiv sein: Zum Klettern reicht ein Ast mit einem Durchmesser von mindestens 10 Zentimetern, für ein Baumhaus brauche ich mindestens 20 bis 30.

Im Jahresrückblick der taz am wochenende menschelt es nicht, versprochen. Nach allzu menschlichen Weihnachtstagen haben wir uns den Dingen des Jahres zugewandt. Menschen sterben oder verlassen das Scheinwerferlicht, aus vermeintlichen Sensationen wird Alltag. Aber die Dinge des Jahres, die bleiben.

Generell gut geeignet sind Bäume, die recht hartes Holz haben, zum Beispiel Eichen oder Buchen. Wenn ein Baum passt, schaue ich mir auch die Bäume rundherum an. Da sollte sich kein kranker Baum in Richtung des zukünftigen Baumhauses neigen.

2. In die Krone kommen

Wenn ich den passenden Baum gefunden habe, muss ich als Nächstes an die Stelle kommen, an der das Baumhaus entstehen soll. Wenn wir ein Baumhaus in wenigen Metern Höhe bauen, reicht eine Leiter. Aber die Baumhäuser, die wir vor der Räumung hatten, lagen in bis zu 28 Metern Höhe.

Reicht eine Leiter nicht, bringe ich Kletterseile an. Dafür gibt es verschiedene Techniken. Man kann das Seil zum Beispiel an einen Wurfsack binden und hochwerfen. Manche schießen es auch mit Pfeil und Bogen nach oben. Wenn ich hochgeklettert bin, spanne ich in der Krone ein paar Seile und Querverbindungen: Damit kann ich mich sichern und beim Bauen möglichst frei bewegen.

3. Material nach oben bringen

Die Stämme, Paletten, Bretter und was wir sonst brauchen, müssen wir nach oben bringen. Das geht mit einem Flaschenzug, der die Last halbiert. Wenn wir einen 100-Kilo-Baumstamm hochziehen, merken wir nur 50 Kilo Last.

4. Der Boden

Das Erste, was nach oben muss, sind zwei massive Stämme. Empfehlen kann ich tote Fichten. Die sind innen gut durchgetrocknet und massiv, im Gegensatz zu Birke. Am besten schält man auch die Rinde ab. Das verhindert, dass sich Insekten einnisten und das Holz zerfressen.

In der Krone bringe ich dann die Stämme in Position, um sie parallel zueinander an die Äste zu knoten. Vorher muss ich aber mit der Wasserwaage ran, um sicherzugehen, dass der Boden des Hauses halbwegs gerade wird. Wer das nicht macht, hat später einen schiefen Boden. Was aber auch ganz praktisch sein kann: Dann rollt alles, was man verliert, immer in eine Ecke.

Ein Baumhaus im Hambacher Forst

Selbst gebaut auf der Höhe: ein Baumhaus im Hambacher Forst Foto: dpa

Sind die Stämme in Position, binden wir sie mit wetterbeständigen Kunststoffseilen aus sogenanntem Polypropylen an die Äste. Das machen wir mit je einem Kreuzbundknoten an jedem Stammende. Ein Baumhaus wird also von insgesamt vier Knoten im Baum gehalten, ohne Schrauben oder Nägel, die den Baum verletzen würden.

Als Nächstes vernageln wir Querbalken, die die beiden Stämme verbinden. Das können auch Stämme sein oder einfach Kanthölzer. Für die dritte und letzte Schicht benutze ich am liebsten Federbretter: also Bretter, die man ineinanderstecken kann. Die haben den Vorteil, dass von unten kein Wind durchzieht. Wir nageln sie auf die Querbalken, dann ist die Plattform fertig.

5. Die Wände

Bei meinem vorherigen Baumhaus hatte ich Wände aus Fachwerk. Beim neuen Baumhaus dachte ich: Wir werden eh bald wieder geräumt, es muss schnell gehen. Also habe ich Paletten an den Rand der Plattform gestellt, sie am Boden festgeschraubt, sie miteinander verschraubt – und das einmal rundherum. So hatte ich nach einer Stunde vier Wände.

Zum Isolieren kann man Stroh in die Zwischenräume stopfen. Ein häufiger Fehler ist, dass Leute nicht darauf achten, dass die Isolierung durchlüftet ist. Dann gammelt sie irgendwann weg. Um das zu verhindern, tackere ich spezielle Folien von innen und außen an die Wände: Sogenannte Dampfbremsen, die kein Wasser durchlassen, nur Dampf. Über die Folien nagele ich Bretter. Das isoliert noch besser und sieht schöner aus als eine Wand aus grauer Folie.

Die Türen und Fenster bringe ich schließlich mit Renovierband an: So heißen Türscharniere, über die man die Höhe immer wieder verstellen kann. So ein Baumhaus ist ja dem Wetter ausgesetzt, das Holz verzieht sich auch mal, und ab einer gewissen Höhe ist es fast immer in Bewegung. In 28 Metern merkt man den kleinsten Wind.

6. Das Dach

Im Wald verwenden die meisten ein sogenanntes Bending, also ein Biegedach – das geht deutlich einfacher und schneller, als einen klassischen Dachstuhl auszubauen. Dafür nimmt man Haselnussruten, zwei bis drei Meter lang, etwa anderthalb ­Zentimeter dick. Die Haselnuss ist ein Strauch, da kann man ohne Bedenken Ruten abschneiden, die wächst dann sogar noch mehr nach. Alternativ kann man auch Zeltstangen nehmen.

Mit Brettern schaffe ich kleine Fächer an den Wänden, wo ich die Ruten reinstecken kann. Auf der einen Wand stecke ich also eine Rute rein, biege sie rüber und stecke sie an der gegenüberliegenden Wand auch rein. Das mache ich so auf der gesamten Länge des Hauses. Dann webe ich weitere Ruten querdurch, um das Ganze zu versteifen und stabiler zu machen. So entsteht der Rahmen für ein Kuppeldach. Für die Isolierung lege ich über dieses Kuppeldach Decken. Darüber spanne ich eine Plane, gegen Regen. Auf diese Weise habe ich in zwei bis drei Stunden ein fertiges Dach.

7. Upgrades

Das wichtigste Upgrade ist der Balkon. Wenn man schon hoch oben ist, muss man das ja nutzen. Eine Möglichkeit, den Balkon zu bauen, ist, auf der Plattform nicht die gesamte Fläche mit Wänden zu umgeben, sondern ein Stück frei zu lassen. Den Balkon umgebe ich mit einem niedrigen Zaun. Da kann man Blumenkästen dranhängen, für einen Kräutergarten.

Ein anderes Upgrade ist ein Ofen zum Kochen und Heizen. Den baut man am besten während des Bauprozesses ein: Das Ofenrohr muss ja durch die Wand nach draußen. Wenn man das Rohr verlegt, darf man es auf keinen Fall einfach durch die Strohisolierung laufen lassen. Da fackelt die Bude ab. Man muss aufpassen, dass das Rohr keinen Kontakt zu Holz und Stroh hat. Im Baumhaus Mona hatte ich Blech an die Wände genagelt und den Zwischenraum mit einer feuerfesten Lehm-Sand-Mischung ausgefüllt.

Leichter zu bauen und echt praktisch ist eine Stromversorgung über eine Solaranlage: ein Panel auf dem Dach, das eine Autobatterie im Haus auflädt. Dadurch hatte ich im Baumhaus Licht und konnte zum Beispiel mein Handy aufladen. In einem anderen Baumhaus hatten Leute eine Radiostation, samt Antenne, Mikro, Mischpult. So hatten wir zweimal täglich eine Stunde Programm mit Nachrichten und Musik.

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